Saudi-Arabien:Den Saudis geht der Sprit aus

Fishermen check their nets for the day's catch as an oil tanker is seen in the distance near the port in the north-western city of Duba

Fischer in der saudischen Hafenstadt Duba.

(Foto: REUTERS)
  • Saudi-Arabien will drastisch sparen. Der Benzinpreis steigt ab sofort um bis zu 50 Prozent, die Subventionen für Wasser und Strom werden gekürzt.
  • Ursache ist der drastische Fall des Ölpreises, für den das Land selbst verantwortlich ist.

Von Tomas Avenarius

Wenige Wendungen sind so abgedroschen wie die von den unermesslich reichen Ölscheichs mit ihren Petrodollars. Möglicherweise wird die Welt von dieser Vorstellung bald erlöst - die Saudis, die weltgrößten Erdölexporteure haben Geldprobleme. Weil der Ölpreis immer weiter fällt, hat das Königreich 2015 ein Haushaltsdefizit von 90 Milliarden Euro erlitten. Schon im Vorjahr hatten die Verwalter des Monarchen tiefrote Zahlen geschrieben, die Tendenz für das Jahr 2016 ist ebenfalls negativ. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat das Herrscherhaus in Riad bereits gewarnt, dass ihr Wohlfahrtsstaat bei einer gleichbleibend verschwenderischen Ausgabenpolitik in fünf Jahren pleitegehen könnte.

Nun wollen König Salman bin Abdulaziz Al-Saud und sein für die Wirtschaft zuständiger Sohn und Vize-Kronprinz Mohamed Bin Salman drastisch sparen. Der Benzinpreis steigt ab sofort um bis zu 50 Prozent, die Subventionen für Wasser und Strom werden gekürzt. Zudem wollen die Herrscher Steuern und Abgaben erhöhen und Teile der ausufernden Staatswirtschaft privatisieren. Auch der Bau zahlreicher Großprojekte wie einer neuen Wirtschaftsstadt oder eines Finanzzentrums in der Hauptstadt Riad soll zeitlich zumindest gestreckt werden.

Die vom Öl-Rentiersmodell über viele Jahrzehnte verwöhnten Saudis wird das mehr als nur ärgern: Grundlage der Herrschaft des Königs ist Wohlfahrtspolitik der Herrscher gegen Loyalität der Untertanen. König Salman bleibt dennoch optimistisch: "Unsere Wirtschaft hat das Potenzial, die Herausforderung zu bestehen."

Ein weiterer Preisverfall ist möglich

Ursache der Haushaltskrise - der Staat nahm in 2015 knapp 150 Milliarden Euro ein - ist der drastische Verfall des Ölpreises. Seit Mitte 2014 ist der Preis für das 159-Liter-Fass Rohöl um gut 60 Prozent gefallen. Derzeit kostet ein Barrel unter 40 Dollar. Ein weiterer Preisverfall ist möglich.

Einzelne Fachleute halten einen Fasspreis von 20 Dollar für denkbar, moderatere Analytiker sagen einen Anstieg auf knapp 60 Dollar in den nächsten Jahren voraus. Reichen würde den Saudis auch das positive Szenario nicht. Der Ausgabenpolitik ihres Wohlfahrtsstaats und dazu noch der in den vergangenen Jahren sehr hohen Verteidigungsausgaben legten die Planer ursprünglich einen Preis von 100 Dollar pro Barrel Rohöl zugrunde. An solche Zahlen ist derzeit nicht zu denken.

Riad ist selbst mitverantwortlich für die Misere seines wichtigsten und einzigen wirklichen Wirtschaftsguts: Der Erdölverkauf finanziert etwa 80 Prozent der Staatsausgaben. Seit die USA im großen Stil Schieferöl mittels der umstrittenen "Fracking-Methode" fördern, führt die Organisation erdölexportierender Staaten (OPEC) aber einen verheerenden Preiskrieg. Durch eine anhaltend starke Förderrate - und damit dank eines Überangebots immer billigeren Öls - soll das relativ teure Fracking auf Dauer unrentabel und dem US-Öl die Kundschaft streitig gemacht werden. "Es liegt nicht im Interesse der Opec-Produzenten, ihren Ausstoß zurückzufahren, egal wo der Preis steht", hatte vor einem Jahr Riads Ölminister Ali Al-Naimi gesagt: "Es spielt keine Rolle, ob der Preis auf 20, 40 oder 60 Dollar sinkt."

Irans Rückkehr auf den Weltölmarkt verhindern

Riad verfolgt mit dem Preiskrieg noch ein zweites, ein politisches Ziel. Die Saudis wollen Irans Rückkehr auf den Weltölmarkt verhindern. Nach dem internationalen Atomabkommen und der Aufhebung erster Sanktionen gegen die Islamische Republik könnten die Perser als ebenfalls sehr großer Rohölproduzent ihre heruntergewirtschafteten Förderanlagen nun modernisieren und so den Saudis auf dem Weltmarkt Konkurrenz machen. Da die beiden Nachbarstaaten politisch tief verfeindet sind, geben die Saudis im Ölpreiskrieg derzeit trotz wirtschaftlicher Nachteile nicht nach. Das geht auf Kosten der Staatsfinanzen und dürfte Folgen haben.

Der ungeschriebene Staatsvertrag zwischen Herrscher und Bürger im bis heute gänzlich undemokratisch regierten Königreich besteht darin, dass die Bürger rundherum alimentiert werden. Subventionen für Energie, Benzin und Wohnraum belasten das Budget ebenso wie die zu hohen Gehälter für Staatsangestellte, die nur um den Preis politischen Unmuts gekürzt werden können. Das nur noch dem Hörensagen nach unendlich reiche Land hat zudem schon heute soziale Probleme. Gut zwei Drittel der Saudis sind unter 30 Jahren alt, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 30 Prozent. Es gibt längst zu viele arbeitslose Akademiker, Wohnraum ist knapp und zu teuer, die Zahl der Armen steigt in einem Land, in dem gleichzeitig geschätzt etwa 7000 Prinzen öffentlich einem aberwitzig luxuriösen Lebensstil frönen.

All dies macht die nun angekündigten Sparmaßnahmen politisch riskant. Zumal Wirtschaftsreformen bisher oft genug angekündigt, aber nie wirklich umgesetzt wurden. Alle Versuche der Herrscher, ihr Land von der reinen Erdölproduktion zu einer stärker an Industrie und Dienstleistung orientierten Wirtschaft umzusteuern, trugen wenig Früchte. Abgesehen vom Mekka-Wallfahrtsgeschäft ist an Massentourismus nicht zu denken, auch dank der religiösen Vorschriften wie dem fünfmaligen Gebet, zu dem die Geschäfte selbst in Großstadt-Malls schließen müssen.

Viel Arbeit wird bis heute von ausländischen Billigarbeitskräften aus Niedriglohnstaaten wie Pakistan gemacht. Auch gehobene Jobs werden an qualifizierte Ausländer vergeben. Die "Saudisierung" der Wirtschaft, also der Versuch, eigene Bürger auf anspruchsvollere Jobs zu setzten, kommt schleppend voran. Oft sind solche Stellen doppelt besetzt: Von einem Saudi für die Honneurs nach außen und einem Ausländer, der im Hintergrund die Arbeit macht.

Saudi-Arabien: Grafik: SZ

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