Flüchtlingspolitik:Wie Nahles die Armen gegeneinander ausspielt

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles spricht am 11.12.2015 beim Bundesparteitag der SPD in Berlin. (Foto: dpa)

Die Arbeitsministerin will Sozialleistungen für EU-Ausländer einschränken. Das birgt sozialen Sprengstoff.

Kommentar von Cerstin Gammelin

Aus der Sicht mancher Berliner liegt die EU auf dem Mond. So kann es sich Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ohne Weiteres leisten, Einschränkungen an Sozialleistungen für EU-Ausländer in Deutschland anzukündigen, ohne darauf zu verweisen, dass es eine europäische Richtlinie gibt, die genau diese Leistungen regelt. Kein Wunder, dass der Eindruck entsteht, die linke Sozialdemokratin schwenke plötzlich auf die Linie des britischen Premiers David Cameron ein, der wegen angeblicher Sozialschmarotzerei armer EU-Bürger deren Freizügigkeit beschneiden will.

Nahles' schlichte Ankündigung hinterlässt einen schalen Geschmack. Zwar ist klar, dass sie, obwohl sie in die gleiche Richtung wie Cameron schaut, längst nicht so weit gehen will wie der Brite. Der will die europäische Freizügigkeitsrichtlinie ändern, damit EU-Ausländer mindestens vier Jahre keine Sozialleistungen fordern dürfen. Nahles dagegen will Lücken im deutschen Sozialgesetz schließen, ohne EU-Recht anzutasten.

Der Kollateralschaden ist trotzdem da. Erstens, weil in Berlin vergessen wird, dass die EU-Freizügigkeit auch für Deutsche gilt, die in anderen EU-Ländern leben wollen. Und zweitens, weil plötzlich Arme aus EU-Ländern gegen Arme aus Nicht-EU-Ländern ausgespielt werden. Das birgt sozialen Sprengstoff und spielt radikalen Parteien in die Hände - mit nicht absehbaren Folgen für ganz Europa.

© SZ vom 31.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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