Bezahlen:Warum die Deutschen ihr Bargeld so lieben

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Dekorativer Geldbeutel: Viele Käufer zahlen bar, weil sie den Überblick über ihre Finanzen behalten wollen.

(Foto: Roland Weihrauch/dpa)
  • Viele Deutsche sind vorsichtig, wenn es um das Bezahlen mit Karte oder Smartphone geht.
  • 79 Prozent der Transaktionen bezahlen deutsche Verbraucher laut der Bundesbank in bar - die Vor- und Nachteile.

103 Euro tragen die Menschen in Deutschland im Schnitt im Geldbeutel mit sich herum, hat die Bundesbank herausgefunden. Warum bloß, fragen manche. Schließlich ist es in anderen Ländern längst üblich, viele Geschäfte des täglichen Lebens mit Karte oder mit dem Smartphone zu zahlen. Auch an der Ladentheke würde es ohne Bargeld schneller gehen. Doch viele Deutsche sind vorsichtig, wenn es um das eigene Geld geht. Laut der Bundesbank bezahlen die Verbraucher hierzulande 79 Prozent ihrer Transaktionen bar. Vor allem bei kleinen, alltäglichen Einkäufen zücken die Konsumenten weiterhin ihr Portemonnaie.

Die Vorteile

Wer sein verfügbares Geld nur bar ausgibt, hat das Gefühl, seine Ausgaben besser im Griff zu haben. Bei einer Umfrage des Forschungsinstituts Yougov meinten drei von vier Befragten, mit Bargeld behielten sie besser die Übersicht über die eigenen Finanzen. Außerdem setzen sich Barzahler ein psychologisches Limit: Wenn der Geldbeutel leer ist, steigt die Hemmschwelle für weitere Anschaffungen.

Außerdem sagten in der Yougov-Studie 72 Prozent der Befragten, sie hielten Bargeld grundsätzlich für sicherer als die Kartenzahlung. Zwar haben in diesem Jahr deutlich weniger Kriminelle die Technik manipuliert, um Kartendaten und Geheimnummern der Zahlenden auszuspähen; gerade die Kassenterminals der Läden und Geschäfte sind sicherer geworden.

Dennoch hinterlässt der Kunde bei jeder elektronischen Zahlung auch Daten. Bei einer gemeinsamen Kontoführung kann beispielsweise der Ehepartner auf dem Kontoauszug nachlesen, wie teuer das Geschenk des jeweils anderen in der Anschaffung war. Und bei Zahlungsapps besteht die Gefahr, dass die Betreiber das Kaufverhalten und die Kontobewegungen des Kunden analysieren könnten.

Im Gegensatz dazu schützen Barzahlungen die Privatsphäre, sagt Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele: "Dass davon auch weniger rechtschaffene Personen profitieren, ist kein Grund, die ehrlichen Bürgerinnen und Bürger immer gläserner werden zu lassen."

Ganz nebenbei ermöglicht das Bargeld manch spontane gute Tat. Die Spendenbüchse in der Fußgängerzone bliebe ohne Münzen und Scheine im Portemonnaie genauso leer wie der Kollektenkasten in der Kirche. Wobei die ersten Gotteshäuser den "elektronischen Klingelbeutel" bereits eingeführt haben.

Die Nachteile

Bargeld kostet Geld - nicht nur weil die Scheine gedruckt und die Münzen geprägt werden müssen. Banken und Geschäfte müssen Werttransporteure und Tresore bezahlen, damit stets genug Bargeld vorrätig ist. Einige Ökonomen kritisieren, gerade die Kosten für Ein- und Zwei-Cent-Stücke seien höher als der volkswirtschaftliche Nutzen der Kupfermünzen. Doch beim Handelsverband Deutschland heißt es, bei Gütern wie Milch oder Eiern sei der Preiswettbewerb so hart, dass die Händler kaum auf centgenaue Preise verzichten könnten.

Weil die staatlichen Behörden Barzahlungen kaum kontrollieren können, entgehen ihnen außerdem Steuereinnahmen: Ohne Bargeld gäbe es deutlich weniger Schwarzarbeit, Geldwäsche und andere Geschäfte, die der öffentlichen Kontrolle entzogen werden sollen. Eine Abschaffung des Bargelds würde den Drogenhandel bekämpfen - und dem Staat jährlich mehrere Hundert Millionen Euro einbringen, schätzen Befürworter dieser Maßnahme. Auch Überfälle auf Banken und Geschäfte würden eingedämmt.

Darüber hinaus weisen Ökonomen darauf hin, dass Bargeld die Handlungsmöglichkeiten der Geldpolitik einschränkt. Beispielsweise können die Notenbanken praktisch keine negativen Zinsen für Sparer einführen, weil diese im Zweifelsfall das Geld vom Bankkonto abheben und in bar halten könnten.

Die Alternativen

In vielen Ländern hat sich das Bezahlen stärker verändert als in Deutschland. Nicht nur wegen anderer Gewohnheiten, sondern weil es dort kundenfreundliche Angebote gibt. In Großbritannien finden laut dem offiziellen Payments Council mehr Transaktionen ohne Bargeld statt als mit Bargeld. In vielen britischen Läden ist es selbstverständlich, dass Kunden Beträge bis 25 Euro bequem und schnell mit Karte zahlen - ohne Geheimnummer und Unterschrift, praktisch im Vorbeigehen.

Anders als in Deutschland werden in Dänemark kleine Läden, Restaurants und Tankstellen ab dem kommenden Jahr kein Bargeld mehr annehmen müssen. Dort ist das Bezahlen per Smartphone besonders verbreitet. Das größte Geldhaus Dänemarks, die Danske Bank, hat ein System für mobiles Bezahlen etabliert. Mehr als jeder dritte Däne nutzt dieses Angebot.

Die deutschen Banken haben erst dieses Jahr eine eigene Alternative zum Marktführer Paypal gestartet. Der mobile Bezahldienst Yapital stellt dagegen im Januar seinen Betrieb ein: Die Nachfrage nach dem Digital- Geldbeutel war zu klein.

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