Polen:Die EU muss Warschau in die Schranken weisen

Polen: Polens Premierministerin Beata Szydlo beim EU-Gipfel am 18. Dezember.

Polens Premierministerin Beata Szydlo beim EU-Gipfel am 18. Dezember.

(Foto: AFP)

Polen ist auf dem Weg zu einem autoritären Staat und verrät damit europäische Werte. Es ist die Pflicht der EU, gegen diesen Machtmissbrauch vorzugehen.

Kommentar von Alexander Mühlauer

Es gibt ein Land in Europa, das sich von den gemeinsamen Regeln und Werten der EU lossagt. Die neue polnische Regierung hat mit einem Staatsumbau begonnen, der das Fundament der Europäischen Union erschüttert. Zuerst wurde das Verfassungsgericht entmachtet. Nun haben beide Kammern des Parlaments ein Mediengesetz beschlossen, das vor allem ein Ziel hat: die Abschaffung der Meinungsfreiheit.

Die Warschauer Regierung versucht, die öffentlich-rechtlichen Medien unter staatliche Kontrolle zu bringen. Die Rundfunksender werden in "nationale Kulturinstitute" umgewandelt, die amtierenden Intendanten mit sofortiger Wirkung entlassen. Über die künftige Besetzung der Vorstands- und Aufsichtsgremien entscheidet nicht mehr ein unabhängiger Rundfunkrat, sondern der Minister für Staatsvermögen. Mit einem freiheitlich-demokratischen System hat das nichts mehr zu tun. Polen ist auf dem Weg zu einem autoritären Staat.

Es ist die Pflicht der EU, gegen diesen Machtmissbrauch vorzugehen. Doch bislang hat lediglich die Brüsseler Kommission zwei Briefe nach Warschau geschickt. Sie zitiert darin aus einem Protokoll zum EU-Vertrag, in dem die Mitglieder garantieren, "den Pluralismus in den Medien zu wahren". Das Schreiben ist nicht nur zaghaft formuliert, es wirkt hilflos. Die EU darf nicht länger so tun, als gehe sie der Staatsstreich von Warschau nichts an. Sie muss die Überzeugungen, Werte und Regeln der Gemeinschaft verteidigen.

Es ist nicht so, dass die EU das noch nie gemacht hätte. Schon einmal hat die Union ein Mitglied massiv unter Druck gesetzt: Österreich. Als die dortige Volkspartei nach der Nationalratswahl 1999 eine Regierung mit der rechtspopulistischen FPÖ unter Jörg Haider bildete, einigten sich alle EU-Partner darauf, keine offiziellen bilateralen Kontakte auf politischer Ebene mit der Wiener Regierung zu betreiben oder zu akzeptieren.

Es braucht eine glaubhafte Drohkulisse

Auch wenn Haider diese "Sanktionen" für seine Zwecke nutzte, musste er - auch auf Druck des damaligen österreichischen Bundespräsidenten - eine Erklärung unterzeichnen, in der er sich zu den "Grundwerten der europäischen Demokratie" bekannte.

Dieses Bekenntnis muss die EU nun von der Regierung in Warschau einfordern. Und sollte Polen tatsächlich gegen EU-Recht verstoßen, muss die Union bestimmt reagieren: Sie könnte etwa Warschaus Stimmrecht im Europäischen Rat aussetzen. So weit muss es nicht kommen, aber es braucht eine glaubhafte Drohkulisse. Die Pis-Regierung vertraut offenbar darauf, dass die EU in ihrer Reaktion gehemmt ist, weil sie Polen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise braucht.

Hinzu kommt, dass die EU mit ihrem Verhalten gegenüber der Türkei an Glaubwürdigkeit eingebüßt hat. Der Flüchtlingsdeal mit Ankara ist den Europäern wichtiger als die Frage, wie es um die Rechtsstaatlichkeit und die Meinungsfreiheit in der Türkei bestellt ist. Das rächt sich jetzt. Von der Milde gegenüber Ungarn ganz zu schweigen. Trotzdem muss die EU im Fall Polen nun handeln, denn Europa darf eines nicht verlieren: seine Identität.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: