Pressekodex:Wann die Herkunft von Straftätern genannt werden sollte - und wann nicht

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Tatort Hauptbahnhof Köln, wo an Silvester zahlreiche Übergriffe durch Migranten stattfanden: Der Pressekodex regelt, wann die Herkunft von Straftätern genannt werden sollte. (Foto: dpa)

Leser dürfen nicht vor der Wahrheit geschützt werden. Die Presse darf aber auch nicht dazu beitragen, Menschen ethnisch zu markieren.

Kommentar von Heribert Prantl

Ein Satz von wunderbarer Klarheit, er steht im Grundgesetz: "Eine Zensur findet nicht statt." Kritiker bezweifeln seit einiger Zeit, dass der Satz stimmt. Sie behaupten nicht, dass der Staat es ist, der in die Pressefreiheit eingreift; sie tragen also nicht vor, dass sich staatliche Stellen Texte, Bilder oder Filme vor der Veröffentlichung zur Genehmigung vorlegen lassen. Die Kritiker behaupten: "Eine Selbstzensur des Journalismus findet statt." Bei Straftaten von Ausländern, Flüchtlingen zumal, werde von den Medien bewusst und regelmäßig darauf verzichtet zu sagen, dass es sich um die Straftat eines Ausländers handle; das sei auch ausdrücklich so geregelt.

Es gibt in der Tat die Richtlinie 12.1. des Deutschen Pressekodex, in dem es um die Berichterstattung über Straftaten geht. Dort heißt es, dass die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter "zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten" nur dann erwähnt werden solle, "wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht". Ist das ein Maulkorb? Wenn das ein selbstgebastelter Maulkorb wäre, wäre das nicht weniger schlimm als einer, den der Staat verpasst. Es ist aber kein Maulkorb.

Es ist die Aufforderung zu prüfen, ob die Mitteilung wichtig ist, dass ein Verdächtiger ein Muslim, Zeuge Jehovas oder christlicher Syrer ist; ob es von Relevanz ist, dass er marokkanischer Herkunft ist oder sonstwie Migrationshintergrund hat. Solche Information kann wichtig sein, aber auch irrelevant. Im Fall Köln war sie relevant, weil Sexualstraftaten dieser Massierung die Öffentlichkeit zu Recht ungeheuer erregen. Bei Abwägungen - relevant oder nicht? - wurden und werden Fehler gemacht; besser als Schematismus ist Abwägung allemal.

Es gibt keinen Tätertypus, der per se verdächtig ist

Eines ist wichtig, auch für die Glaubwürdigkeit der Medien: Der Leser darf nicht vor der Wahrheit geschützt werden. Aber es ist eben nicht die Wahrheit, dass sich jedwede Straftaten vor allem aus der Herkunft des Täters erklären. Es ist auch nicht die Wahrheit, dass es einen Tätertypus gibt, der per se verdächtig ist. Wer solchen Vermutungen Vorschub leistet, der ist Rassist. Die Pressefreiheit ist nicht dafür da, Rassismus zu befördern. Es wäre fatal, wenn eine lässig-sorglose Veröffentlichungspraxis dazu beitrüge, Menschen ethnisch zu markieren, wenn auf diese Weise ein Generalverdacht gegen Minderheiten geschürt und verstärkt würde.

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Ein Täter ist verantwortlich für seine Tat, nicht für die Zugehörigkeit zu einer Ethnie; das gilt es zu beachten. Und bei Verdächtigen hat ohnehin die Zurückhaltung zu gelten, die bei der Berichterstattung über jeden Verdächtigen gilt. Die Unschuldsvermutung gilt für jeden Menschen, wo immer er herkommt. Der Versuch, Menschen als Unmenschen zu definieren, um ihnen die Menschenrechte zu nehmen, ist makaber. Man sollte sich auch in der berechtigten Empörung über die Straftaten der Silvesternacht dazu nicht hinreißen lassen.

Die Richtlinie des Presserats stammt aus einer Zeit, in der bei den Straftaten von US-Soldaten in Deutschland sehr oft darauf hingewiesen wurde, dass es sich um "Schwarze" gehandelt habe. Die Mahnung der Richtlinie war gut und klug - auch als es galt, die Diskriminierung der Roma abzubauen. Die Mahnung ist heute ganz gewiss nicht falsch. Sie bedarf der Justierung in der jeweiligen Zeit.

© SZ vom 16.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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