Bedrohte Natur:Die Arten verschwinden aus dem Isental

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Die Zwergdommel ist selten, in Bayern gibt es nur noch 500 Brutpaare. Eines davon lebt in Dorfen (Foto: Hartl/oh)

Fotograf Andreas Hartl dokumentiert die Entwicklung. Schuld sei auch eine Landwirtschaftspolitik, die Rückzugsräume zerstöre

Von Thomas Daller, Dorfen

Die Zwergdommel ist selten, in Bayern gibt es nur noch 500 Brutpaare. Eines davon lebt in Dorfen (Foto: Hartl/oh)

Es dürfte kaum einen Dorfener geben, der so ein profunder Kenner der Natur des Isentals ist wie Andreas Hartl. Der frühere Verwaltungsleiter der Stadt ist zudem ein hervorragender Naturfotograf, der mit seinen Bildern dieses Fachwissen auch anschaulich vermitteln kann. Unter dem Motto "Eine Arche Noah für die Natur" zog er bei einem Diavortrag im Gasthaus Jakobmayer Bilanz: Viele Arten, die es in seiner Kindheit noch im Isental gegeben hat, sind dort teils ausgestorben, teil nur noch in kleinen Rückzugsräumen zu finden. Schuld daran sei auch eine verfehlte Landwirtschaftspolitik, die die Zerstörung der letzten Naturräume forciere.

Nur noch eine Wiese ist wie früher

Dorfen zählt mit knapp 100 Quadratkilometern zu den größten Flächengemeinden in Bayern. Und dennoch sei im gesamten Gemeindegebiet nur noch eine einzige Wiese erhalten geblieben, die über eine Artenvielfalt verfüge, wie es in Hartls Kindertagen der Fall gewesen sei. Auf jedem Quadratmeter finde man dort 50 verschiedene Tier- und Pflanzenarten. Je nach Blütezeit wechsle diese Wiese bei Hinterberg ihr Farbenkleid. Solche Wiesen bieten Hasen oder Wildbienen Nahrung im Überfluss, sagte Hartl.

Aber viele dieser Refugien seien für Maisäcker umbrochen worden. Die Anbauflächen für Mais hätten sich im Zuge des Biogas-Booms von 2002 bis 2013 verdoppelt. Und immer noch, wie er anhand eines aktuellen Beispiels aus Esterndorf zeigte, würden die letzten noch existierenden Feuchtwiesen im Talraum der Isen mit neuen Entwässerungsgräben trocken gelegt und die Amphibien damit vertrieben. "Für ein paar Kilo Mais", sagte Hartl. In den temporären Pfützen dieser Feuchtwiesen wachse beispielsweise der Laubfrosch heran, dem Hartl ein baldiges Aussterben im Isental prophezeite. Denn wenn der Laubfrosch aus seinen angestammten Gebieten verdrängt werde, müsse er auf Weiher ausweichen, in denen zahlreiche Fressfeinde wie der eingeschleppte Seefrosch lauern.

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(Foto: Hartl/oh)

Nur noch eine einzige Wiese ist im Dorfener Gebiet erhalten geblieben, die über eine Artenvielfalt verfügt, wie es in Hartls Kindertagen der Fall gewesen sei.

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(Foto: Hartl/oh)

Ob es sich um seltene Vögel wie die Zwergdommeln handelt...

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(Foto: Hartl/oh)

...oder um Libellen bei der Eiablage - Andreas Hartl fängt die Natur im Isental seit 50 Jahren mit der Kamera ein.

Artensterben in der Isen

Auch in der Isen selbst hat sich bereits ein weitgehend unbeachtetes Artensterben vollzogen. Bachmuscheln habe es früher beispielsweise in so rauen Mengen in der Isen gegeben, dass Landwirte sie mitsamt der kalkhaltigen Schalen an die Hühner verfüttert hätten. Aber das habe nicht zu ihrem Aussterben geführt, sondern die Bodenerosion von den Äckern habe die Isen so verschlammt, dass die Muscheln erstickt seien.

Die früher ebenfalls massenhaft vorkommenden Edelkrebse gebe es auch nicht mehr. Sie seien der Krebspest zum Opfer gefallen, die von den eingeschleppten nordamerikanischen Kamber- und Signalkrebsen verbreitet wurde. Die Äschenbestände seien in der Isen Vergangenheit und selbst die Nasen, noch vor 50 Jahren in der Isen ein Massenfisch, sind eine Seltenheit geworden. Hartl vermutet beim Nasensterben einen Zusammenhang mit dem in der Landwirtschaft eingesetzten Unkrautvernichtungsmittel Atrazin. Bei Regen sei es auch in die Bäche gelangt und habe dort möglicherweise Algen vernichtet, die Nahrung der Jungäschen. Erst nachdem der Einsatz auf den Äckern verboten worden sei, würden sich die Nasenbestände nunmehr wieder erholen.

Die A 94 - ein "Todesstreifen"

Viele Vogelarten seien ebenfalls auf dem Rückzug. Bodenbrüter wie Kiebitze würden ihre Gelege verlieren, wenn Mais angebaut werde. Eulen und Falken, die in Kirchtürmen brüten, könnten dies nicht mehr tun, weil oftmals die Turmfenster vergittert worden seien. Schwalben müssten heutzutage drei bis vier mal so lange fliegen als noch vor 30, 40 Jahren, um genügend Insektennahrung zu finden. In diesem Zusammenhang nannte Hartl den Bau der A 94 durch das Isental einen "Todesstreifen": Denn nicht nur Tiere wie Füchse oder Hasen würden dort Opfer des Verkehrs, sondern auch Millionen von Insekten würden von den Windschutzscheiben "geerntet".

Aber Hartl wies nicht nur mit seinen Bildern auf die Schönheit der Natur hin, die es zu erhalten gelte, er schlug seinem zahlreichen Publikum auch vor, ihre Hausgärten ökologisch aufzuwerten. Man könne einen Weidenbusch pflanzen oder frühblühende Büsche wie die Kornelkirsche. "Legen sie eine Krokuswiese an, die vermehren sich selbst." Ein ökologisch wertvoller Garten sollte "ein bissl ungepflegt sein", empfahl Hartl: "Es kann ein Laubhaufen liegen bleiben und man lässt eine Brennnesselecke stehen." Brennnesseln seien Nahrung für die Raupen des Tagpfauenauges. Steingärten für Eidechsen und ein paar Vogelhäuschen würden die Artenvielfalt im Garten ebenfalls erhöhen.

Zwergdommelpaar zugezogen

Darüber hinaus könnten auch Ausgleichsmaßnahmen der öffentlichen Hand zu erfreulichen Ergebnissen führen. So habe die Stadt Dorfen östlich der Kläranlage eine Ausgleichsfläche angelegt, auf der nun Schilf wachse. Dieses Schilf sei von einem Zwergdommelpaar angenommen worden, die dort schon erfolgreich eine Brut groß gezogen habe. Diese Vögel seien sehr selten: "In ganz Bayern gibt es nur 500 Brutpaare."

© SZ vom 16.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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