Schwarzenbach an der Saale:Ein Richter im Donald-Duck-Kostüm

Schwarzenbach an der Saale: Der Hofer Amtsrichter und Donaldist Gerhard Serverin. Gründer des Comic-Museums in Schwarzenbach an der Saale.

Der Hofer Amtsrichter und Donaldist Gerhard Serverin. Gründer des Comic-Museums in Schwarzenbach an der Saale.

(Foto: Olaf Przybilla)

Jeden Tag nach der Arbeit im Gericht zieht sich Gerhard Severin sein Donald-Shirt über und geht ins Museum für Comic und Sprachkunst - sein Museum. Ein Besuch in Fränkisch-Entenhausen.

Von Olaf Przybilla, Schwarzenbach an der Saale

Im Juni 2015 sprach der Hofer Amtsrichter Gerhard Severin ein Urteil, das viele verwundert hat, mindestens verwundert. Zu einer Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilte er einen Mann, der zuvor als der "Waldläufer" bekannt geworden war.

Der Mann hatte etliche Jahre im Wald verbracht, Lebensmittel beschaffte er sich in Wochenendhäusern und in Jagdhütten. 28 Diebstähle und 16 versuchte Diebstähle konnten dem Wiederholungstäter nachgewiesen werden. Für viele war der 62-Jährige ein Robin Hood, wenn auch in eigener Sache. Richter Severin aber sah das ganz anders. Prozessbeobachter schilderten ihn als ziemlich humorlosen Juristen. Als einen, der gar keinen Spaß versteht.

Kurze Zeit später riskiert er, sich zum Vollhonk zu machen

Sieben Monate später in Schwarzenbach an der Saale, zwölf Kilometer südlich von Hof. Im Museum für Comic und Sprachkunst kann man Severin, 61, dabei beobachten, wie er es gerade riskiert - wie sagt man das jetzt -, sich für ein paar Fotos zum Vollhonk zu machen.

Er schneidet Grimassen, stößt mit Lust Urlaute aus, setzt sich ins Talerbad und beginnt, Entenhausen-Münzen in die Luft zu werfen, jauchzend wie ein euphorisiertes Kind. Das Museum ist im August 2015 eröffnet worden, einen Monat nach dem Waldläufer-Prozess. Ohne Severin, den bekennenden Donaldisten, gäbe es das Haus gar nicht.

Severin hatte offenbar noch nie ein Problem damit, Spott auf sich zu ziehen. Als er noch Richter in Ingolstadt war, zierten 60 Donald-Devotionalien sein Büro. Nach seinem Umzug nach Schwarzenbach, ins fränkische Entenhausen, marschierte er in Matrosenanzug und blauer Mütze durch die Stadt. Wie man das so macht als Donaldist und nicht nur, wenn grad Fasching ist. Sein Büro im Hofer Justizgebäude schmücken nun wieder diverse Donald-Utensilien. Er nennt sie: donaldisches Kulturgut.

Nach der Arbeit geht der Richter ins Museum. Jeden Tag.

Die Würde des Gerichts? Er würde niemals im Donald-Kostüm das Gerichtsgebäude betreten, sagt Severin. Sein Leben als Donaldist aber sei "in der Justiz allgemein akzeptiert". Zumal ja jeder mitbekomme, wie genau er zu unterscheiden wisse zwischen Gerichtsstand und Talerbad.

Den Umzug nach Schwarzenbach hat Severin von langer Hand geplant. Er wollte dort leben, wo Erika Fuchs gewirkt hat, die deutsche Übersetzerin der Donald-Duck-Literatur. Vor sieben Jahren hat Severin seiner Frau mitgeteilt, dass das jetzt sein muss mit dem Umzug nach Oberfranken. "Sie hatte mich ja schon als Donaldist kennengelernt", sagt Severin. Habe also in etwa gewusst, worauf sie sich da einlässt.

Erika Fuchs war selbst der Liebe wegen nach Franken gezogen. Ihr ist in dem Museum ein eigener Raum gewidmet, ihr Leben als Comic-Strip. Man sieht, wie ihr Liebhaber, ein Ingenieur, der Philosophie-Doktorin Fuchs ihre künftige Heimat präsentiert. Und man sieht eine Frau im Schockzustand.

Seine Frau habe ähnlich reagiert, als er sie nach Schwarzenbach schleppte, sagt Severin. "Inzwischen fühlen wir uns hier beide wohl." Seine Frau akzeptiere seine Zweitexistenz: Nach der Arbeit im Gericht zieht sich der Richter sein Donald-Shirt über und geht ins Museum. Jeden Tag.

Severin will über die Justiz in Entenhausen promovieren

Es ist ja auch irgendwie seins. Tausende Donald-Dinge besaß Severin schon, als er nach Schwarzenbach zog: Bücher, Heftchen, Figuren im Wert zwischen 50 Cent und 5000 Euro. Der Bürgermeister war begeistert von der Idee, aus dem Fundus ein Museum zu machen. Geworden ist es aber ganz anders als ursprünglich geplant. Zum Glück, sagt Severin, ein Heimatmuseum für Freunde des Comics wäre womöglich öde geworden.

Nun aber kann man enthemmte Erwachsene dabei beobachten, wie sie vor einer Kamera donaldische Grimassen für Sprachblasen schneiden und das halbe Museum darüber lacht. Man hört Menschen, die Texte mit Erikativen bilden - jauchz, jubel, jubilier -, und Onomatopoetisches in Mikrofone kreischen. Andere navigieren im Paralleluniversum namens Entenhausen auf der Suche nach oberfränkischen Übernahmen in die Comic-Weltliteratur: Kleinschloppen, Oberkotzau, Krötenbruck. Ein großer Spaß.

Den Amtsrichter Severin kann man jederzeit erleben im Museum, auch wenn er gerade nicht selbst Donald-Sprechblasen nachspielt. Per Videobotschaft erklärt er das Rechtssystem von Entenhausen. Es gibt dort Schnellgerichte. Die Panzerknacker sitzen ihre Strafen in Bildungseinrichtungen ab. Und die Schöffengerichte verdonnern Schuldige notfalls zu Trilliarden-Zahlungen. Auch wenn das 27-mal mehr ist, als in ganz Entenhausen Geld im Umlauf ist. Über die Justiz in Entenhausen will Severin promovieren, sobald er in vier Jahren mit der Justiz in Bayern fertig ist.

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