Victory-Zeichen:Der V-Effekt

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Richard Nixon nach Watergate, Michael Jackson vor Gericht, George W. Bush neben Soldaten - es waren vor allem Männer, die das Victory-Zeichen bemühten. Bald könnte es ausgestorben sein - gut so!

Martin Zips

Um Stärke zu demonstrieren, versteckten sie ihren kleinen Finger - auch den Ringfinger - und streckten stattdessen Zeige- und Mittelfinger hoch in die Luft. Das sollte die Männer zu Siegern machen. Wenn sie das V formten, so hielten sie ihre Hand weit weg vom Körper. Ähnlich, wie es Verkehrspolizisten tun.

Egal, wie fraglich der Erfolg: Stars und Politiker lassen sich allzu gern zum V-Zeichen hinreißen. (Foto: Foto: dpa)

Spannend zu beobachten, von wem diese - gerade bei Wahlkämpfern und -gewinnern einst beliebte - Geste im Jahr 2008 noch verwendet wird. Hillary Clinton ist keine große Anhängerin des V-Zeichens. Sie bevorzugt den emporgereckten Daumen oder die ausgestreckte Hand - so wie ihr Konkurrent Barack Obama. Und auch Andrea Ypsilanti winkt in Hessen lieber offenhändig in die Kameras - obwohl das V bei ihr auch wie ein Y aussehen könnte. Recht originell also.

Aber selbst Roland Koch hielt - anders als bei vorherigen Wahlkämpfen - diesmal meist nur seinen Daumen in die Höhe. Einer der letzten großen Anhänger des V ist Christian Wulff, alter und neuer CDU-Ministerpräsident in Niedersachsen. Und Heidi Klum. Sie findet das V sexy.

Wie kommt es, dass das gute alte Siegeszeichen heute eher doof und angestaubt wirkt? Hierzulande dürfte es vor allem Josef Ackermann gewesen sein, der das - gelegentlich auch von Friedensaktivisten verwendete - Symbol völlig unbrauchbar machte. Der Ackermann-Schnappschuss aus dem Düsseldorfer Landgericht wurde zur Ikone der Kapitalismuskritik. Das V des Deutsche-Bank-Chefs tauchte fortan auf linken Wahlplakaten auf oder diente als Illustration für Münteferings Heuschrecken-Kampagne.

Hinzu kommt, dass das V-Zeichen seit Alters her eine eher kriegerische Konnotation besitzt. Im Hundertjährigen Krieg (1337 bis 1453) sollen englischen Bogenschützen ihre Zeige- und Mittelfinger vom französischen Gegner amputiert worden sein. Diejenigen, die dem Feind noch nicht in die Hände gefallen waren, zeigten mit dem V: "Ihr kriegt uns nicht."

Doch solch große Gesten braucht es heute eigentlich nicht mehr. Wo sie dennoch auftauchen, wirken sie plump und unpassend: Sarkozy, der wegen seiner Rumfuchteleien gerne mit Louis de Funès verglichen wird; Altkanzler Kohl, der seine Freunde väterlich auf die Schulter klopft; Gottschalk, der die Kniescheiben seiner Gäste tätschelt; Susan Stahnke mit Victory im Krankenbett. Das kommt nicht gut. Beliebter sind reduzierte Typen wie Jauch, die Kanzlerin oder Klinsi, dessen stoisches Unterm-Tisch-Halten der Hände auf Pressekonferenzen zurückhaltend und sympathisch wirkt.

Wird bald das V-Zeichen Geschichte sein? Mit ihm hatte Churchill einst die Briten zum Durchhalten im Kampf gegen die Nazis ermahnt. Und weil V im Morsealphabet mit drei kurzen und einen langen Ton gebildet wird - es also an das Tatatataa der fünften Sinfonie Beethovens erinnert - leitete die BBC damit ihre deutschen Radiosendungen ein. Klar, das Siegeszeichen war gelegentlich auch Symbol der Unterdrückten und Ausgebeuteten: Etwa, wenn es Lech Walesa in der Danziger Lenin-Werft benutzte. Doch so oder so: Sollte das V bald ganz verschwunden sein, so wäre das ein gutes Zeichen.

© SZ vom 29.01.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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