Flüchtlingspolitik:Wie die Bundesregierung schnelle Abschiebungen verhindert

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Abgelehnte Asylbewerber besteigen in Rheinmünster (Baden-Württemberg) ein Flugzeug (Archivbild). (Foto: dpa)
  • Asylverfahren für Bewerber aus Algerien und Marokko dauern überdurchschnittlich lange, während ihre Anerkennungsquote nur bei einem bis zwei Prozent liegt.
  • Um den Zuzug einzudämmen, will Innenminister de Maizière Algerien, Tunesien und Marokko zu sicheren Herkunftsländern erklären.
  • Die Rückübernahmeabkommen zwischen Algerien bzw. Marokko und Deutschland funktionieren schlecht, weil die Bundesregierung zum Beispiel bei Visaerleichterungen kein Entgegenkommen zeigt.

Von Stefan Braun, Berlin

Algerier und Marokkaner haben es derzeit nicht leicht in Deutschland. Seit der Silvesternacht und den Ereignissen von Köln stehen sie in einem besonderen Fokus der Politik. Viele Straftaten aus dieser Nacht werden Menschen aus Nordafrika zugerechnet. Deshalb konzentrieren sich Regierung und Parteien darauf, mit neuen Vorschlägen Asylbewerbern aus diesen Ländern den Verbleib zu erschweren.

Verstärkt wird das noch durch die Angst der Bundesregierung, nach den Syrern und Irakern könnten sich nun auch mehr und mehr Nordafrikaner auf den Weg nach Europa machen. Ein Indiz dafür lieferten die Zahlen im Juni und im Dezember des vergangenen Jahres. Kamen im Juni 2015 noch 847 Menschen aus Algerien und 368 aus Marokko, so waren es im Dezember 2296 beziehungsweise 2896. Gleichzeitig dauern die Asylverfahren für Bewerber aus diesen Ländern derzeit mit acht bis zehn Monaten überdurchschnittlich lange, während ihre Anerkennungsquote gering ist. Sie liegt bei einem bis zwei Prozent.

Auch deshalb wird der Ruf nach Verfahrensbeschleunigungen lauter. Das Bundesinnenministerium hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu Wochenanfang angewiesen, Asylanträge von Personen aus diesen Ländern vorrangig zu prüfen. Außerdem will Minister Thomas de Maizière Algerien, Tunesien und Marokko zu sicheren Herkunftsländern erklären, das würde die Verfahren noch einmal verkürzen. Konservative Innenpolitiker wie der Christdemokrat Thomas Strobl setzen darauf, damit den Menschen in diesen Ländern zu signalisieren, dass es sich nicht mehr lohne, die Flucht zu riskieren.

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"Es kann nicht sein, dass man die Entwicklungshilfe nimmt, aber die eigenen Bürger nicht", sagt der Vizekanzler. Indirekt droht er, die Hilfen zu kürzen.

Weniger harsch, aber auch besorgt durch die Ereignisse in der Silvesternacht beschloss die grün-rote Landesregierung in Stuttgart, Asylbewerber aus dem Maghreb während ihres Verfahrens in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu lassen. Begründung: So habe man einen besseren Blick auf die Bewerber - ein Wunsch, der durch Köln massiv verstärkt wurde.

Was die Bundesregierung auf offener Bühne fordert - und hinter den Kulissen ablehnt

Die Pläne der Bundesregierung kranken allerdings daran, dass die bisherigen Rückübernahmeabkommen mit Algerien und Marokko nur noch schlecht funktionieren. Flüchtlinge, die keine Ausweise mehr haben, erhalten von den Botschaften der Länder nur in Ausnahmefällen neue Papiere - und können so kaum mehr abgeschoben werden. Dass Berlin auf neue Gespräche hofft, ist angesichts dessen verständlich.

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Weniger verständlich ist, dass die Bundesregierung solche Gespräche auf EU-Ebene längst führen lässt, diese bislang aber zum großen Teil selbst behindert. Während die Bundesregierung auf offener Bühne neue Gespräche fordert, lehnt sie hinter den Kulissen seit drei Jahren Marokkos Bitte ab, im Gegenzug für eine Rücknahme abgelehnter Asylbewerber Visa-Erleichterungen für marokkanische Unternehmer, Wissenschaftler, Diplomaten und Studenten zu akzeptieren. Intern hat die Bundesregierung inzwischen zwar signalisiert, dass sie den Preis wohl wird zahlen müssen. Offiziell aber droht sie damit, Marokko die Entwicklungshilfe zu kürzen, sollte sich Rabat weiter querstellen.

Einen Erfolg immerhin konnte Berlin mittlerweile verbuchen. Tunesiens Außenminister versprach am Dienstag volle Kooperationsbereitschaft. Das dürfte daran liegen, dass das Land im Kampf gegen den Terror besonders viel und besonders dringend deutsche Hilfe benötigt.

© SZ vom 20.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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