Fußball-Korruption:Für die Baufirma des Stiefvaters

Jeffrey Webb

Jeffrey Webb war Fifa-Vizepräsident und möglicher Anwärter auf den Chefsessel - jetzt steckt er tief im Korruptionssumpf des Weltverbandes.

(Foto: Szilard Koszticsak/AP)

Das FBI glaubt, dass der Funktionär Jeffrey Webb 2011 Fifa-Hilfsgelder veruntreute.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Kaum beginnt im Weltfußball die heiße Wahlkampfphase, hat der erste Kandidat eine Anzeige beim Überwachungsgremium für die Fifa-Präsidentenkür Ende Februar am Hals. Prinz Ali von Jordanien schwärzte Mitbewerber Scheich Salman al Khalifa (Bahrain) an, weil der Chef der Asien-Föderation AFC ein pralles Hilfsabkommen mit dem Afrika-Verband Caf besiegelt hat. Dass die 54 Caf-Mitglieder bei Fifa-Wahlen eine dominantere Rolle spielen als auf dem Rasen, ist bekannt; ins Auge sticht überdies der Zeitpunkt des Solidarpakts, nur Wochen vor der Wahl.

Nun wird geprüft. Doch es ist schwer, klare Regelverstöße nachzuweisen: Darf man verbieten, Bedürftigen zu helfen?

Was sich hinter zeitlichen Punktlandungen im Benefizbereich des Weltfußballs öfter mal verbirgt, ermittelt derzeit aber das FBI - im Kontext der letzten klassischen Fifa-Wahl im Frühsommer 2011. Damals sah sich Präsident Sepp Blatter mit einem politisch ebenbürtigen Herausforderer konfrontiert: Fifa-Vizepräsident Mohammed Bin Hammam aus Katar, Salmans Amtsvorgänger an der AFC-Spitze und über viele Jahre Blatters "Bruder".

2011 tobte ein intensiver Wahlkampf, viele Vorgänge werfen ein trübes Licht auf die Auseinandersetzung. Nach SZ-Informationen kommt nun ein weiterer hinzu: Rund um die Wahl floss eine Million Dollar auf Konten, aus denen sich nach Erkenntnissen der US-Behörden der Funktionär Jeffrey Webb von den Kaiman-Inseln bedient haben soll. Der karibische Bankier war schon damals eine einflussreiche Figur, Blatter hatte ihn sogar in sein handverlesenes Fifa-Audit-Komitee berufen. Später rückte Webb an die Spitze des Nord- und Mittelamerikaverbandes Concacaf und wurde Fifa-Vize. Noch im April 2015 adelte Blatter ihn als möglichen Nachfolger. Im Mai führten ihn Kriminalbeamte aus dem Zürcher Edelhotel Baur au Lac ab.

Der damalige Geldfluss birgt viel Brisanz mit Blick auf die Abläufe im Wahlkampf. Wie aktuell der Kandidat Salman, hatte Bin Hammam damals Asiens 50 Voten fast komplett sicher; hinzu kam ein großer Teil Afrikas. Es fehlte nicht viel zur Mehrheit der 209 Stimmen. Zugleich stand der dritte große Kontinent, Europas Fußballunion Uefa mit 53 Voten, hinter Blatter. Das verriet Uefa-Chef Michel Platini im März 2011 - und niemand wusste, dass er im Monat zuvor auf Veranlassung Blatters zwei Millionen Franken von der Fifa kassiert hatte. Über diese Zahlung stolperten beide jüngst; sie bezeichnen den Geldtransfer als letzte Rate für eine frühere Beratertätigkeit Platinis in der Fifa. Die Ethiker des Weltverbands sahen die Erklärung nirgendwo belegt, dafür aber einen Zusammenhang der Zahlung mit der Wahl. Sie sperrten das Duo für acht Jahre.

In jenem Frühjahr 2011 richtete sich das Augenmerk der Wahlkämpfer auf die Concacaf mit ihrem 35-Stimmen-Paket. Traditionell zählte der von Skandalfunktionär Jack Warner (Trinidad/Tobago) beherrschte Kontinentalverband zu Blatters Block. Doch 2011 wollte Warner den Wechsel und wandte sich Bin Hammam zu. Im Mai 2011, vier Wochen vor der Kür, verlor Bin Hammam plötzlich die Nerven: Er hatte erfahren, dass Blatter ganz diskret - und vorbei am Fifa-Vorstand - eine Million Dollar an den Concacaf verschenkt hatte. Als das öffentlich wurde, war Bin Hammam selbst schon durch Fifa-Gremien gesperrt: Er hatte eilig selbst eine Million verteilt, ebenfalls an Warners karibische Freunde. In einem Hotel auf Trinidad ließ sein Kompagnon Warner den Reibach an 25 Delegierte ausreichen - und wurde dabei gefilmt.

Webb, der als Blatters Erbe galt, ist jetzt mit Fußfessel unterwegs

Blatter indes deklarierte seine Millionen-Gabe, die der unter Druck geratene Warner prompt verraten hatte, eilig als Geschenk zum 50. Concacaf-Jubiläum: natürlich als Geschenk der Fifa, nicht des Wahlkämpfers Blatter. Tags darauf applaudierte ihn der Kongress wieder ins Amt, der Herausforderer war schon ausgeschaltet.

In ähnlichem Kontext könnte nun der Vorgang rund um Webb stehen. Angeblich können die US-Behörden anhand von Bankunterlagen nachzeichnen, wie Webb 2011 Gelder aus dem Finanzhilfeprogramm (FAP) und dem Entwicklungshilfeprogramm (Goal) der Fifa veruntreute. Webb war damals Verbandschef der Kaiman-Inseln (Cifa). Und er gehörte nicht zu den Concacaf-Delegierten, die sich von Warner beschenken ließen.

Insgesamt 550 000 Dollar an FAP-Geldern überwies Blatters Fifa im Lauf des Jahres 2011 an die Cifa. 250 000 Dollar sind das übliche Budget pro Jahr und Mitgliedsverband; Ende März gab es jedoch noch einen "Bonus" von 300 000 Dollar aufs Cifa-Konto. Von dort soll das komplette Geld über Umwege auf einem Konto bei einer karibischen Bank gelandet sein, bei der Webb eine hohe Position bekleidete.

Dazu gibt es eine weitere, vorgeblich für die Cifa bestimmte Transaktion, bei der die US-Behörden überzeugt sind, dass Webb Zehntausende Dollar veruntreut habe: Im Februar 2011 habe die Fifa ein Goal-Programm genehmigt, um dem Verband ein weiteres Fußballfeld zu finanzieren. Als Bauunternehmer für das 500 000 Dollar-Projekt sei die Firma von Webbs Stiefvater erwählt worden. Das Geld floss in der zweiten Hälfte 2011 ebenfalls auf ein Konto bei Webbs Bank. Nach Ansicht der Ermittler bediente sich der Funktionär dort zum Beispiel, um seine Kreditkarte auszugleichen; aber auch, um Projekte an seinem Haus in Atlanta/Georgia zu finanzieren.

Webb sind diese und andere Transaktionen zum Verhängnis geworden. In New York ist er mit Fußfessel und schweren Auflagen unterwegs, eine Millionenkaution ist hinterlegt; Objekte wie das im schönen Georgia wurden verpfändet. Der Mann, der als Blatters Nachfolger galt, muss beim Distriktgericht Brooklyn regelmäßig zum Verhör kommen. Beim ersten plädierte er auf nicht schuldig. Doch Eingeweihte glauben, Webb werde auspacken. Dann käme auch Licht in die geballte Fifa-Hilfsleistung 2011: für ein Palminselchen, dessen Fußball auf Fifa-Rang 195 dümpelt - dessen Funktionär aber die Macht besaß, wichtige Stimmen in einem schmutzigen Wahlkampf zu organisieren.

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