WM 2006:FBI untersucht Sommermärchen

Fußball Weltmeisterschaft, 2006

Party mit Nachspiel: Nun ermitteln Behörden in Frankfurt, Bern und Washington.

(Foto: Regina Schmeken)
  • In den Ermittlungen um die Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 an Deutschland schaltet sich das FBI ein.
  • Die US-Ermittler stufen die Vorgänge um das Sommermärchen mit der dritthöchsten Priorität ein.
  • Im Kern geht es um eine Zahlung von zehn Millionen Franken im Jahr 2002 der WM-Organisatoren, um dafür 100 Millionen Franken von der Fifa zu bekommen.

Von Thomas Kistner

Am 26. Februar soll ein neuer Fifa-Präsident gewählt werden, als Nachfolger des gesperrten Sepp Blatter. Die Administration des Fußball-Weltverbandes hat bis dahin aber andere Sorgen. Sie muss beim Züricher Wahlkongress ein Reformpaket durchpauken, auch als Signal an die Strafbehörden. Bisher richten sich die Ermittlungen der US-Justiz ja nur gegen das kriminelle Treiben individueller Führungsfiguren - würde auch die Organisation Fifa selbst von der Geschädigten zur Beschuldigten, wäre das wohl ihr Untergang. Auch deshalb regieren in der Fifa amerikanische Anwälte mit - hart wird daran gearbeitet, Justizministerin Loretta Lynch milde zu stimmen.

Und dazu gehört neuerdings auch, den US-Ermittlern alles Material zur deutschen WM-2006-Affäre zu liefern. Das Sommermärchen: Es steht jetzt ebenfalls im Fokus der US-Bundespolizei FBI.

Zunächst haben sich nur die Schweizer für die DFB-Affäre interessiert

Dass die Amerikaner genau wissen wollen, wo die Millionen versickert sind, die 2005 vom damaligen WM-Organisationskomitee an die Fifa überwiesen wurden, erfuhr die SZ von Quellen, die nahe an der Fifa arbeiten. Zunächst hätten nur die Schweizer Bundesbehörden in der DFB-Affäre nachgehakt, mittlerweile, so heißt es, will auch das FBI wissen: "Was habt ihr dazu, was können wir alles kriegen?"

Die Absprachen der Fifa mit den US- Behörden regelt die US-Kanzlei Quinn Emanuel. Sie lässt bis zu 15 Mitarbeiter in Zürich an der Causa arbeiten, keiner sitzt direkt in der Fifa-Zentrale am Sonnenberg. Die Kanzlei reicht Wünsche und Anforderungen der Amerikaner und auch der Schweizer Ermittler an die Fifa-Rechtsabteilung weiter. Die zeigt sich kooperativ.

Das Sommermärchen läuft nun unter Kategorie drei

Die Vorwürfe sind schier unendlich. Doch für drei Vorgänge sollen sich die Fahnder besonders interessieren, heißt es in mit den Ermittlungen vertrauten Kreisen. Erstens geht es um jene zehn Millionen Dollar, welche die Organisatoren der Südafrika-WM 2010 im Jahr 2008 in die Taschen des Skandalfunktionärs Jack Warner gelenkt haben - über Konten der Fifa und des Karibik-Verbands CFU. Zweite Priorität habe Blatters 2005 besiegelter Dumping-Deal mit Warner, heißt es. Der Fifa-Chef schanzte seinem treuen Stimmenbeschaffer aus Trinidad & Tobago damals für 600 000 Dollar WM-TV-Rechte zu, aus deren Weiterverkauf Warner bis zu 20 Millionen Dollar erlöste.

Und Priorität drei: das Sommermärchen! Die deutsche Affäre zeigt viele Parallelen zur Südafrika-Affäre. Auch hier geht es um glatte zehn Millionen (in diesem Fall: Franken), auch sie wurden in einen WM-Organisationszuschuss der Fifa verpackt, auch hier führen Spuren in die Karibik. Richtig aktiv bei den Fifa-Anwälten soll die US-Justiz erst geworden sein, als die vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) eingesetzten Ermittler der Kanzlei Freshfields einen Vertrag im DFB-Archiv fanden, den Warner und der damalige Bewerberchef und spätere OK-Präsident Franz Beckenbauer unterschrieben hatten. Am 2. Juli 2000, vier Tage vor der WM-Vergabe. Darin ging es um DFB-Leistungen für den Nord- und Mittelamerika-Verband Concacaf, dem ebenfalls Warner vorsaß: Freundschaftsspiele, Ausrüstungen, Ausbildungshilfe; aber auch ein WM-Ticketkontingent für Warner persönlich - darunter 1000 Tickets der Topkategorie.

Die Fifa kann Überraschungen gerade nicht gebrauchen

Die aktuelle DFB-Spitze, die den Verband seit dem Rücktritt von Wolfgang Niersbach interimsweise führt, war geschockt, sie wertete das Papier als "Bestechungsversuch". Ob es in Kraft trat, ganz oder in Teilen, soll die Untersuchung zeigen. Mit deren Abschluss wird bis Ende Februar gerechnet, der DFB will bei der Präsidiumssitzung am 4. März Ergebnisse. Dabei wird noch immer mit Suchbegriffen durch Zigtausende E-Mails gesurft, und wichtige Akten liegen bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft. Die Fifa sieht dem Sommermärchen-Showdown Anfang März mit Unbehagen entgegen - weil Freshfields wenig Zeit für diese Recherche hatte und alles gleich publiziert werden soll, heißt es. Überdies war der Informationsaustausch zwischen Zürich und Frankfurt stets dünn, jede Seite fordert viel und gibt wenig. Und Überraschungen kann die Fifa gerade nicht brauchen.

Im Kern ist zu klären, warum die deutschen WM-Organisatoren 2002 zehn Millionen Franken an die Fifa zahlten. Um von dieser einen um 100 Millionen Franken höheren WM-Zuschuss zu erhalten, behaupten Beckenbauer und Niersbach, der Deal sei mit dem Fifa-Finanzkomitee ausgehandelt worden. Als Darlehensgeber sei Adidas-Eigner Robert Louis-Dreyfus eingesprungen. Zu der Story gibt es bisher nur Fragezeichen: An wen genau flossen 2002 die zehn Millionen? Auf regulären Fifa-Konten tauchten sie nicht auf, heißt es in Zürich. Wurde damit eine schwarze Kasse für Blatter gefüllt, der just 2002 einen schmutzigen Wahlkampf führte?

Ermittlungen laufen jetzt in Bern, Frankfurt und Washington

Und noch mehr Fragezeichen: Warum zahlten die Deutschen das Darlehen - 6,7 Millionen Euro - nicht an Louis-Dreyfus direkt zurück, als es dieser 2005 angeblich zurückgefordert hat? Stattdessen verschleierten sie das OK-Geld als Aufwendung für die WM-Eröffnungsgala (die es dann nie gab) und überwiesen es - wiederum an die Fifa. Ob diese es an Dreyfus weiterleitete, liegt ebenfalls im Dunkeln.

Aber wohl nicht mehr lange. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft hat über die Steuerproblematik, die sich aus mutmaßlich falsch deklarierten Betriebsausgaben des WM-OK ergibt, die Einstiegsluke in den Fall gefunden und die Schweiz um Rechtshilfe gebeten. Die Berner Bundesermittler haben Zugang zu allen Bankdaten, viele Schweizer Konten von verdächtigen Figuren und Firmen wurden bereits eingefroren. Nun teilten die Ermittler auf SZ-Anfrage mit: "Die Bundesanwaltschaft wird auf das Rechtshilfeersuchen eintreten und entsprechend dem Ersuchen bearbeiten." Grünes Licht für die Sommermärchen-Ermittlungen. In Frankfurt, Bern - und neuerdings auch in Washington.

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