SC Paderborn:Verletzung in der Intimsphäre

10 Sekunden? 20 Sekunden? Was hat Nick Proschwitz wie lange hergezeigt? Nach einer Bar-Affäre wird der Stürmer freigestellt.

Von Ulrich Hartmann, Paderborn/München

Paderborn/München - Der SC Paderborn ist der Öffentlichkeit seit Oktober besser bekannt als: "der Effenberg-Klub". In der Tabelle der zweiten Fußball-Bundesliga firmiert der Klub zwar weiter unter dem offiziellen Namen, doch medial wird das Interesse gern auf den neuen Trainer Stefan Effenberg fokussiert. Der 47-Jährige, der in seiner Profi-Zeit manchen Skandal auslöste, arbeitet erstmals als Trainer. Seit Effenberg in Paderborn ist, ist die Mannschaft vom viertletzten auf den drittletzten Tabellenplatz gerutscht, außerdem wurden vor Weihnachten drei Spieler aus nicht näher bekannten Gründen suspendiert.

Skandalös war an all dem so richtig nichts. Seit Sonntag aber macht "der Effenberg-Klub" nun wirklich von sich reden, obwohl die zweite Liga noch in der Winterpause steckt. Die Paderborner verbrachten die vergangene Woche in einem erstklassigen Hotel an der türkischen Mittelmeerküste, aber mehr als die Testspiele gegen den FC Biel (3:4), den FC Thun (0:0) und Ferencvaros Budapest (1:0) interessiert die Öffentlichkeit jetzt, ob alkoholisierte Paderborner Profis Mittwochnacht nach einem "Teamabend" wirklich grölend Blumentöpfe in den Hotelpool geschmissen haben sowie die Frage, wie umfänglich und wie lange der Stürmer Nick Proschwitz Samstagnacht in der Hotelbar vor einer jungen Frau die Trainingshose heruntergelassen hat. Trainer Stefan Effenberg hat mit diesen Vorkommnissen zunächst nichts zu tun, allerdings fordert sein Image offenbar europaweit Tribut. Das Algemeen Dagblad aus Rotterdam betitelte eine Meldung am Montag so: "Entblößter Penis kostet Effenberg möglicherweise den Job."

SC Paderborn 07 v Eintracht Braunschweig  - 2. Bundesliga

Seit Oktober in Paderborn - und nicht nur in der Tabelle mit großen Problemen: Trainer Stefan Effenberg, einst Europacup-Sieger mit dem FC Bayern.

(Foto: Lars Baron/Getty Images)

So weit kam es dann doch nicht. Effenberg bleibt im Amt.

Anders als Proschwitz. Ihm könnte an diesem Dienstag sogar fristlos gekündigt werden. Proschwitz, 29, spielt seit dem Sommer wieder in Paderborn, zum zweiten Mal. Es ist die 13. Station in seiner Laufbahn. Er hat in dieser Saison in 19 Zweitliga-Spielen fünf Tore erzielt und schoss Samstagnachmittag auch den 1:0-Siegtreffer im Test gegen Budapest. Samstagnacht gegen 0.30 Uhr soll er sich dann offenbar alkoholisiert in der Bar des Teamhotels vor der Mitarbeiterin jener Agentur entblößt haben, die dem SC Paderborn das Trainingslager organisiert hat. "Er hat sich in zwei Metern Entfernung kurz die Hose heruntergezogen, ich habe davon kaum Notiz genommen", beschwichtigte die Agentur-Repräsentantin am Montag und wollte von "sexueller Belästigung", wie Medien berichtet hatten, nichts wissen. Die Agentur "Match IQ" aus Hamburg organisiert Trainingslager und Testspiele für etliche deutsche Profiklubs. Zeugen des Vorfalls gaben hingegen an, die Hose habe mindestens 20 Sekunden lang heruntergehangen. Sogar die mitgereisten Reporter der Paderborner Lokalzeitungen wollen alles selbst beobachtet haben.

In einer Besprechung erörterten Effenberg, Sportdirektor Michael Born und Präsident Wilfried Finke am Montag die Situation, und gaben am Abend bekannt, dass Proschwitz mit sofortiger Wirkung suspendiert werde. "Mir ist völlig egal, wie tief die Hose hing", sagte Finke. Effenberg und Born hingegen bleiben im Amt. "Die Vorwürfe gegen die beiden haben sich im Gespräch aufgelöst", sagte Finke, fügte aber hinzu: "Es ist einer der dunkleren Tage der Vereinsgeschichte." Es hätten sich nur wenige Spieler danebenbenommen. Der entstandene Sachschaden sei von diesen beglichen worden. Ein Spieler habe drei Vasen beschädigt, im Pool sei aber keine gelandet.

SC Paderborn  - Team Presentation

Seit Sommer in Paderborn - und nicht nur auf dem Rasen mit großen Problemen: Es heißt, Nick Proschwitz habe öffentlich die Hose herunter gelassen.

(Foto: Thomas Starke/Getty Images)

Effenberg, der sich am 1. April vor dem Münchner Amtsgericht wegen einer Alkoholfahrt (1,4 Promille) während der Oktoberfestzeit 2015 verantworten muss, hat mit dem SC Paderborn seit Oktober zehn Punkte aus zehn Spielen geholt. Er hatte die ersten beiden Partien nach der Amtsübernahme 2:0 gewonnen, danach aber acht Spiele ohne jeglichen weiteren Sieg anschauen müssen. 9:23 Tore in diesen acht Spielen sind eine mäßige Bilanz, zuletzt schoss das Team zwei Mal gar kein Tor mehr, was den Umstand besonders prekär macht, dass nun Proschwitz als letzter verbliebene Stürmer im Team suspendiert wurde. Denn bereits im Dezember, nach einem 0:4 in Bochum, hatte Effenberg mit dem Abwehrmann Daniel Brückner sowie den Stürmern Mahir Saglik und Srdjan Lakic drei Fußballer suspendiert - aus Gründen, die offenbar nicht einmal der Mannschaft mitgeteilt worden waren. Glücklicherweise haben die Paderborner den Stürmer Jakub Sylvestr für ein halbes Jahr vom 1. FC Nürnberg ausgeliehen.

"Wenn sich keiner mehr schwer verletzt, werden wir nichts mehr unternehmen", hatte Effenberg am Samstagabend vor dem Rückflug nach Paderborn gesagt. Und obwohl die einzige Verletzung seither die einer Intimsphäre war, sieht sich der Klub bis zum Wochenende nun doch noch mal auf dem Spielermarkt nach einem Stürmer um. Ulrich Hartmann

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