München:Herrmannsdorfer Landwerkstätten: Kritik an der Tierhaltung

München: Tierschützer kritisieren die Kastenstände als nicht artgerecht.

Tierschützer kritisieren die Kastenstände als nicht artgerecht.

(Foto: privat)
  • Die Herrmannsdorfer Landwerkstätten gelten als der Beweis dafür, dass die heile Bio-Welt möglich ist.
  • Doch auf dem Landgut wurden Säue in umstrittenen Kastenständen gehalten.
  • Tierschützer Friedrich Mülln will zeigen, dass es auch in Bio-Ställen höchst umstrittene Haltungsformen gibt.

Von Christian Sebald

Es ist ein verstörendes Bild: Eine Muttersau liegt eingekeilt in einem Kastenstand. An den Zitzen machen sich drei Ferkel zu schaffen. Auf dem Stallboden aus Beton liegt nur ganz wenig Stroh. Im Vordergrund steht ein Plastikeimer mit blutigen Überresten der Nachgeburt. Unter dem Hinterteil der Muttersau erkennt man eine Blutlache. Das Schlimmste für den Tierschützer Friedrich Mülln aber ist: Das Foto stammt aus den Herrmannsdorfer Landwerkstätten (Kreis Ebersberg), dem Öko-Vorzeigebetrieb schlechthin in der Region, der berühmt ist für artgerechte Tierhaltung. Dabei sind Kastenstände selbst in der konventionellen Schweine-Haltung höchst umstritten.

Für Mülln ist die Sache klar. "Die Kunden von Herrmannsdorfer glauben an die heile Welt der Öko-Tierhaltung, in denen sich die Schweine wohl fühlen", sagt er. "Die Realität sieht anders aus."

Am Beispiel der Landwerkstätten will Mülln dokumentieren, dass es auch in Bio-Ställen höchst umstrittene Haltungsformen wie Kastenstände gibt. Dass auch Bio-Bauern ihre Tiere mit Antibiotika behandeln. Und dass sich auch in Bio-Ställen die Tiere gegenseitig verletzen, dass sie mitunter an heftigen Wunden und Geschwüren leiden. Außerdem zeigen die Papiere, die Mülln jetzt in der ARD präsentiert hat, dass in den Herrmannsdorfer Ställen zeitweise extrem hohe Sterblichkeitsraten herrschten - im ersten Halbjahr 2015 waren es 30 Prozent, plus zehn Prozent Totgeburten.

Die Geschichte einer Bekehrung

Ausgerechnet die Herrmannsdorfer Landwerkstätten. Das Landgut gilt weit über die Öko-Szene hinaus als der Beweis dafür, dass die heile Bio-Welt möglich ist. Die Familie Schweisfurth mästet nahe Glonn nicht nur mehr als 600 Bio-Schweine in Freilandhaltung und treibt Öko-Ackerbau. Sie verarbeitet das Fleisch und die anderen landwirtschaftlichen Erzeugnisse auch in der eigenen Metzgerei und Bäckerei.

Außerdem gibt es auf dem Gut eine Käserei, eine Brauerei, eine Wirtschaft und einen Hofladen. Die Herrmannsdorfer-Produkte, die alle sehr teuer sind, werden auch über etliche Läden in München vertrieben. Das ist es aber nicht alleine, warum die Landwerkstätten so bekannt sind.

Die Landwerkstätten sind auch die Geschichte einer Bekehrung - von der industriellen Fleischproduktion zur artgerechten Haltung. Herrmannsdorfer-Gründer Karl Ludwig Schweisfurth war einst Inhaber von Herta-Wurst, einer der größten Fleischwarenfabriken Europas. 1984 stieg er abrupt aus dem Massengeschäft aus. Zuvor hätten ihn und seine Familie jahrelang Zweifel an der industriellen Tierhaltung geplagt. 1986 eröffnete Schweisfurth senior die Landwerkstätten. Seit 1996 führt Sohn Karl die Geschäfte.

Schweisfurth steht zum Antibiotika-Einsatz

Karl Schweisfurth räumt offen ein, dass 2015 viele Ferkel in den Ställen gestorben sind. Der Grund: Die Muttersauen hätten ungewöhnlich viele Junge geworfen. Deshalb seien viele Ferkel von Anbeginn schwach gewesen, sie hätten kaum Überlebenschancen gehabt.

Inzwischen habe sich die Mortalität in den Ställen normalisiert. Auch zum Antibiotika-Einsatz steht Schweisfurth. Man setzte die Medikamente streng nach den Bio-Vorgaben ein, wenn alternative Heilmittel versagten.

Die engen Kastenstände für die Muttersauen sind laut Schweisfurth seit Kurzem Vergangenheit. "Wir haben jetzt ein anderes System", sagt er, "die Tiere können sich frei bewegen." Gleichwohl verteidigt er die höchst umstrittene Haltungsform. "Das ist eine Sache der Abwägung", sagt er. "Denken Sie an die Ferkel, es passiert schnell, dass so eine Sau ihre Neugeborenen erdrückt." Als man 2000 den Stall gebaut habe, "waren Kastenstände das sicherste Mittel dagegen, dass Ferkel von der Mutter erdrückt werden".

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