Erneuerbare Energien:Wie Wasserstoff zum Treibstoff werden kann

Spätzünder: Hersteller setzen wieder auf die Brennstoffzelle

Die ersten Serienautos mit Brennstoffzelle kommen gerade auf den Markt - Tankstellen für den Treibstoff gibt es bislang kaum.

(Foto: dpa-tmn)

Wasserstoff ist ein sauberer, aber hochexplosiver Energieträger. Nun speichert ein Start-Up den Stoff als ungefährliche Flüssigkeit. Das könnte ganz neue Anwendungen ermöglichen.

Von Christoph Behrens

Der Versuch ist aus dem Schulunterricht bekannt und nicht ungefährlich: Ein mit Wasserstoff gefüllter Ballon wird erhitzt. Dann folgt ein lauter Knall und die im Gas enthaltene Energie verpufft in einer Stichflamme. Es ist ein lautstarkes Zeugnis dafür, welche Kräfte in dem leichtesten chemischen Element des Universums stecken. Der Knall zeigt auch, wie schwer diese Kräfte zu beherrschen sind. Nur in Druckbehältern von mehreren Hundert Bar oder heruntergekühlt auf minus 253 Grad Celsius lässt sich der Energieträger Wasserstoff bislang problemlos transportieren oder lagern.

Bei Daniel Teichmann sieht das viel einfacher aus. Der Verfahrenstechniker steht in seinem Büro in Erlangen und schwenkt in jeder Hand ein Glas. Im linken schwappt eine leicht gelbliche Flüssigkeit, im rechten eine durchsichtige. Der gelbe Stoff ist ein handelsübliches Industrieöl. Die klare Flüssigkeit ist eine Erfindung. Sie enthält neben dem Öl einige Prozent verflüssigten Wasserstoff. Teichmann ist es gelungen, den Energieträger bei Raumtemperatur und normalem Druck zu speichern.

"Der Clou ist, Wasserstoff handhabbar zu machen, wie heute Benzin oder Heizöl", sagt Teichmann. Anstatt riesige Gasflaschen herumzuschleppen oder den Wasserstoff zu kühlen, "haben wir jetzt eine Flüssigkeit, die man bequem transportieren kann", sagt der 32-Jährige. Man kann diese Flüssigkeit in Heizöltanks lagern, oder mit Tanklastzügen herumfahren, "alles ganz trivial".

Die Flüssigkeit lässt sich mit Wasserstoff beladen und wird so zum klimafreundlichen Treibstoff

Im Prinzip ist Wasserstoff der perfekte Energieträger. Er lässt sich mithilfe von Strom aus Wasser gewinnen - verbrennt man Wasserstoff, entsteht wiederum nur Wasser. Weil keine Treibhausgase wie CO2 frei werden, ist der Kreislauf klimaneutral. Doch weil Wasserstoff so leicht, flüchtig und explosiv ist, lässt sich der Stoff bislang kaum in bestehende Energiesysteme einbinden. Genau das versucht Teichmann nun mit der von ihm gegründeten Firma Hydrogenious.

Der Trick ist, aus der Flüssigkeit in Teichmanns linker Hand die in seiner rechten zu machen. Wenn der Ingenieur aus seinem Büro in die Werkshalle des Start-ups blickt, sieht er ein klimaneutrales Energiesystem im Miniformat, vollständig auf Wasserstoff basierend. Auf dem Dach der Halle erzeugen einige Photovoltaik-Module Strom. Im Inneren der Halle spaltet der so erzeugte Strom Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff. Das Wasserstoff-Gas wird aufgefangen und in einen Container geleitet. In einem kleinen Reaktor wird der Wasserstoff an die Moleküle des Wärmeträgeröls Marlotherm angekettet.

Dieser Überträgerstoff, genannt "Liquid Organic Hydrogen Carrier" (LOHC), ist der Schlüssel. Er macht das flüchtige Gas zur Flüssigkeit und damit ähnlich einfach zu handhaben wie Benzin. Marlotherm ist in der Industrie seit gut 40 Jahren bekannt. Dass sich damit aber auch Wasserstoff speichern lässt, entdeckte Teichmann erst während seiner Doktorarbeit vor einigen Jahren. Dabei ist der neue Stoff ungiftig und brennt schlechter als Diesel. In einem anderen Container in Erlangen läuft derweil bereits der umgekehrte Prozess ab: Aus der Flüssigkeit wird der Wasserstoff entzogen, in einer Brennstoffzelle erzeugt er anschließend Strom. Das heißt, der Wasserstoff reagiert in der Zelle mit Sauerstoff, dabei schließt sich ein Stromkreis. Das einzige Abfallprodukt ist Wasser.

Umweltfreundlich erzeugter Wasserstoff kann in vielen Anwendungen eingesetzt werden

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Anstatt riesige Wasserstoff-Gasflaschen herumzuschleppen, "haben wir jetzt eine Flüssigkeit, die man bequem transportieren kann", so Daniel Teichmann.

(Foto: Stefan Sauer/dpa)

Was jetzt leicht aussieht, war ein mühsamer Weg für die beteiligten Wissenschaftler und Ingenieure. Lange experimentierten sie mit einer anderen Substanz, "N-Ethylcarbazol". Auch dieser Stoff vermag Wasserstoff an sich zu binden, ist jedoch deutlich instabiler. Unterhalb von 70 Grad Celsius wird er von der Flüssigkeit zu einem trockenen Pulver und dadurch schwer zu handhaben. "Das Finden des richtigen Trägers war der entscheidende Punkt", sagt Teichmann. Selbst damit sind aber noch nicht alle Schwierigkeiten beseitigt. So geht bislang beim Entladen des Wasserstoffträgers ein großer Teil der Energie in Form von Wärme verloren. Die Techniker haben dieses Problem in der Pilotanlage elegant gelöst, indem sie mit der Abwärme ein nahe gelegenes Schwimmbad beheizen. Allerdings dürfte nicht jeder potenzielle Anwender spontan eine Verwendung für die Hitze haben.

Dennoch könnten auf LOHC basierende Speicher-Technologien auf lange Sicht wichtiger werden. "Mit Wasserstoff als Energievektor können wir ein weitgehend CO₂-freies Energiesystem schaffen", sagt der Chemieingenieur Peter Wasserscheid, der an der Universität Nürnberg-Erlangen seit mehr als fünf Jahren an LOHC-Trägerflüssigkeiten forscht. Alle Bausteine für so ein System seien nun vorhanden, sowohl die Elektrolyse als auch die Brennstoffzelle seien marktreif. Man müsse diese Elemente nur mit leistungsfähigen und sicheren Speichern kombinieren.

Netz von Wasserstofftankstellen entsteht

Damit könnten zugleich Probleme der Energiewende angegangen werden. Bereits in zehn Jahren sollen in Deutschland mehr als 40 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Doch je mehr Solarmodule und Windräder ans Netz gehen, desto stärker schwankt die Stromproduktion. Bläst der Wind besonders stark, liefern die erneuerbaren teilweise mehr Strom, als verbraucht werden kann. Dieser Überschuss könnte mithilfe der LOHC-Flüssigkeiten gespeichert werden und bei Flaute den Netzbetreibern aushelfen.

Im Prinzip ließen sich aber auch ganz andere Dinge mit dem Stoff anstellen. So braucht etwa die Lebensmittelindustrie viel Wasserstoff, der bislang meist aus fossilen Quellen gewonnen wird. "Man kann Überschüsse aus erneuerbaren Energien gezielt in andere Anwendungen transferieren", sagt Teichmann. Als ersten Kunden wird Hydrogenious ein Fraunhofer-Institut in Stuttgart mit dem LOHC-Wasserstoff beliefern und vor Ort eine kleine Anlage errichten, um die Flüssigkeit zu Strom zu machen. Damit wollen die Stuttgarter einen Fuhrpark aus Elektroautos betanken.

Auch für die Versorgung von Autos, die mit reinem Wasserstoff fahren, sei die Technologie interessant, glaubt Frank Sreball von H2 Mobility. Das Konsortium will bis 2018 insgesamt 100 Wasserstofftankstellen in Deutschland betreiben und macht sich um deren Versorgung mit dem Treibstoff Gedanken. "Mit LOHC-Trägern lässt sich die fünffache Menge Wasserstoff auf einem Tanklastzug transportieren als bisher", sagt Sreball. Entsprechend preisgünstiger könnte die Logistik des Stoffs werden.

Die größte Hürde für die Technologie könnte in naher Zukunft jedoch der niedrige Ölpreis sein. Je weniger fossile Rohstoffe kosten, umso weniger attraktiv ist es, auf ein Wasserstoffauto umzusteigen.

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