US-Serie "Flesh and Bone":Ballett kann so grausam sein

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Claire (Sarah Hay) muss sich ihren Platz im New Yorker Ensemble von Paul Grayson (Ben Daniels) erst ertanzen. (Foto: 2015 Starz Entertainment,LLC)

Zehennägel, Nase, Handflächen -immer blutet irgendwas. Die Amazon-Serie "Flesh and Bone" erzählt von einer problembehafteten Tänzerin. Aber mit Erfolg.

TV-Kritik von Karoline Meta Beisel

Ein Mädchen vom Land schafft es beim Vortanzen in eine angesehene Kompanie, wo es auf essgestörte Konkurrentinnen, einen Sadisten als Lehrer und lüsterne Mäzene trifft. So weit, so Nullachtfuffzehn-Tanzfilm. Die achtteilige Miniserie Flesh and Bone dreht aber noch ein paar Pirouetten mehr. Auch Claire muss in New York zwar erst einmal ihren Platz im Ensemble finden. Viel größer sind aber die Probleme, die sie von zu Hause mitgebracht hat. "Es war nicht möglich zu tanzen", sagt sie einem Journalisten, der den neuen Star des Hauses nach einer Lücke im Lebenslauf fragt. "Warum nicht?", will der wissen. "Weil es gewisse Umstände gegeben hat", sagt Claire.

Huiuiui, "Umstände"!

Huiuiui, "Umstände", das kann im US-Fernsehen eigentlich nur eines bedeuten: Schwangerschaft! Tatsächlich ist Claires Leben noch aus anderen Gründen ganz schön verkorkst. Flesh and Bone, in Deutschland bei Amazon zu sehen, ist eine düstere Geschichte über Macht und ihre Auswüchse, über Misshandlung und Unterwerfung. Das unterscheidet die Serie vom Kinoerfolg Black Swan mit Natalie Portman, in dem es ja vor allem um die inneren Dämonen ging.

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Zuerst fließen in Darren Aronofskys Ballett-Thriller "Black Swan" Schweiß und Tränen, dann Blut. Denn Natalie Portman verfällt als Tänzerin dem Wahn der Perfektion. Und Mädchen im Tutu werden in Zukunft sehr gemischte Gefühle hervorrufen.

Rainer Gansera

Rein optisch aber sind die beiden eng verwandt. In Flesh and Bone scheint niemals die Sonne, die Bilder sehen aus wie durch eine blaue Scheibe gefilmt. Die WG, die Claire mit einer promisken Kollegin teilt, ist so spärlich ausgeleuchtet, dass man die Ecken kaum ausmachen kann. Ein sicherer Rückzugsort sieht anders aus, was sich bestätigt, als Claires geheimnisvoller Bruder zu einem unangekündigten Besuch auftaucht (Josh Helman aus X-Men und Mad Max: Fury Road). Als Zuschauer muss man sich einige Folgen gedulden, bis klar wird, was es mit diesem Besuch auf sich hat. Noch dazu blutet ständig irgendetwas: abgerissene Zehennägel, eine Nase, eine Handfläche, in die sich Fingernägel zu tief gegraben haben. Mit Blut kann man sich auch die Lippen anmalen. In einer Szene kotzt Claire irgendwas Halbverdautes auf eine edle Bettdecke.

Dass sie Blut zu Fernseherfolgen verarbeiten kann, hat Serienerfinderin Moira Walley-Beckett schon vorher bewiesen: Seit der zweiten Staffel gehörte sie zum Autorenteam von Breaking Bad. Für die Episode "Ozymandias" aus der letzten Staffel, die als eine der besten Fernsehfolgen aller Zeiten gilt, bekam sie 2013 einen Emmy. Für Flesh and Bone war sie für einen Golden Globe nominiert, genau wie Hauptdarstellerin Sarah Hay.

In Black Swan spielte Hay noch als Statistin mit. In Flesh and Bone darf sie die Solistin sein, die sie an der Dresdner Semperoper längst ist. Seit 2010 gehört die 28-Jährige aus New Jersey dort zum Ensemble. Fast alle Schauspieler in Flesh and Bone sind echte Tänzer, bisweilen hat man tatsächlich den Eindruck, bei einer Probe zuzuschauen. Andererseits: Wer darauf im echten Leben keine Lust hätte, der wird vermutlich auch an Flesh and Bone wenig Spaß haben.

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Von Karoline Meta Beisel

Flesh and Bone , bei Amazon Prime.

© SZ vom 04.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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