Lebensversicherer:Gefahr bei Pleite

Lebensversicherer: Genug ist da: Verteilung von Obst in München, das sonst weggeworfen worden wäre.

Genug ist da: Verteilung von Obst in München, das sonst weggeworfen worden wäre.

(Foto: Catherina Hess)

Ein Sicherungsfonds kann Verträge übernehmen, aber nur im Krisenfall kleiner Lebensversicherungen.

Von Anne-Christin Gröger

Als im Jahr 2008 Banken durch die Finanzkrise ins Straucheln kamen, fragten sich viele Verbraucher, wie sicher ihr Erspartes bei den Instituten ist. Damals versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Wir sagen allen Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind."

Auch an den Versicherern ist die Krise nicht spurlos vorbeigegangen. Vor allem die Lebensversicherer kämpfen mit den dauerhaft niedrigen Zinsen. Es fällt ihnen zunehmend schwer, die Rendite zu erwirtschaften, die sie ihren Kunden versprochen haben. Wenn sie die Garantien nicht anders bereitstellen können, müssen sie ihre Eigenmittel anzapfen. Eine mögliche Folge: die Insolvenz. Viele Kunden wissen nicht, was dann mit ihren Beiträgen passiert.

Wie wahrscheinlich ist es überhaupt, dass mein Versicherer pleitegeht?

Es sei naheliegend, dass der ein oder andere Anbieter in Schwierigkeiten gerät, sagt der Rechtsanwalt Thomas Leithoff von der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht. "Wenn die Zinsen noch fünf oder sechs Jahre so niedrig bleiben, wird eine ganze Reihe von Versicherern nicht mehr genug Zinseinnahmen und Reserven haben, um alle vertraglich zugesagten Leistungen zu decken", sagt er.

Was passiert in einem solchen Fall der Insolvenz mit den dort angesammelten Beiträgen und Überschüssen?

In Deutschland gibt es seit 2002 mit Protektor einen gesetzlichen Sicherungsfonds für die Lebensversicherung. Die Gesellschaft soll Kunden von Lebensversicherern vor den Folgen einer Insolvenz ihres Anbieters schützen. Strauchelt ein Unternehmen, übernimmt Protektor auf Anordnung der Finanzaufsicht Bafin die Verträge. Diese werden fortgeführt, die Leistungen für Altersvorsorge und Risikoschutz bleiben erhalten, ebenso wie die bereits gewährten Gewinnbeteiligungen. Die Verträge können nach erfolgreicher Sanierung an einen anderen Versicherer übertragen werden. Der marode Versicherer selbst wird von Protektor nicht saniert.

Welche Vertragsarten können von Protektor aufgefangen werden?

Geschützt sind Besitzer von kapitalbildenden Lebensversicherungen, Risikolebensversicherungen, privaten Rentenversicherungen und fondsgebundenen Lebenspolicen. Verträge von Pensionskassen, die Protektor freiwillig beigetreten sind, können ebenfalls vom Schutz profitieren. Er greift allerdings nur, wenn der Vertrag bei einem deutschen Lebensversicherer oder einer deutschen Niederlassung eines Versicherungsunternehmens innerhalb der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraumes geschlossen wurden. Für deutsche Kunden eines Versicherers außerhalb dieses Raumes ist Protektor nicht zuständig.

Wer steckt hinter Protektor?

Protektor wurde 2002 von den deutschen Lebensversicherern gegründet, um Bestände der kriselnden Mannheimer Leben zu übernehmen. Die Auffanggesellschaft übt ihre Aufgaben im Auftrag der Kreditanstalt für Wiederaufbau aus, die als staatliche Bank damit von der Bundesregierung beauftragt wurde. Bis heute ist die Mannheimer der einzige Sicherungsfall für die Gesellschaft geblieben. Das wird aber nicht so bleiben, sagt Anwalt Leithoff. "Ich glaube, dass der Mannheimer Bestand bei Protektor nicht alleine bleiben wird".

Wie funktioniert der Fonds?

Alle im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft organisierten Lebensversicherer zahlen nach Marktanteil in einen gemeinsamen Topf ein. Der wird im Ernstfall verwendet, um Kundenansprüche zu bedienen. Das Vermögen von Protektor betrug im Jahr 2014 knapp 818 Millionen Euro. Darüber hinaus gibt es eine gesetzliche Nachschusspflicht über denselben Betrag. "Wenn es Protektor mal schlecht ginge, müssten alle Versicherer noch mal Geld einzahlen", sagt Leithoff.

Und das reicht?

Bisher funktioniert der Sicherungsfonds. Aber alle Versicherer wissen: Eine kleine Gesellschaft wie die Mannheimer konnte Protektor gut auffangen. Kommen jedoch ein oder mehrere mittelgroße Versicherer in Schwierigkeiten, wäre es schon sehr schwierig, bei einem der größten fünf Lebensversicherer fast unmöglich. Auch der bei der Europäischen Zentralbank angesiedelte Europäische Ausschuss für Systemrisiken in Frankfurt warnte davor, dass die Leistungsfähigkeit von Protektor endlich sei. Nationale Sicherungssysteme wie Protektor seien nicht in der Lage, mit der möglichen Insolvenz großer Lebensversicherer oder der gleichzeitigen Insolvenz mehrerer kleinerer Lebensversicherer fertigzuwerden, schrieb das Gremium im vergangenen Sommer.

Was passiert in einem solchen Fall mit den Kundengeldern?

Darüber streiten sich derzeit die Experten. Dafür verantwortlich ist eine unklare Regelung im Versicherungsaufsichtsgesetz. Dort heißt es an einer Stelle, dass Kunden maximal fünf Prozent ihrer Ansprüche verlieren könnten. Weiter hinten im Gesetz findet sich jedoch eine Passage, dass die Aufsicht zeitweise alle Arten von Auszahlungen verbieten kann, um eine Sanierung des maroden Versicherers zu erreichen. Damit hätten Kunden zumindest temporär keinen Zugriff auf ihr Geld.

Die Fraktion der Grünen im Deutschen Bundestag um den Abgeordneten Gerhard Schick kritisiert diese widersprüchliche Regelung und fordert eine Änderung des Gesetzes. "Die Kunden werden in die Irre geführt", sagt Gerhard Schick. "Ihnen wird eine Garantie gegeben, die im Ernstfall Makulatur ist."

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