Bamberg:Pegida-Aktivist als Trauerredner

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Sie wollten einfach nur einen Trauerredner für ihren verstorbenen Freund - und engagierten einen politischen Scharfmacher.

Von Olaf Przybilla, Bamberg

Peter Braun war einer der profilierten Intellektuellen in Nordbayern. Ende Januar ist der Schriftsteller im Alter von 55 Jahren gestorben, in seiner Heimatstadt Bamberg hat der plötzliche Tod große Bestürzung ausgelöst. Bei der Trauerfeier am Sonntag würdigte der von Freunden engagierte Trauerredner den Autor als "einen unangepassten und unbequemen Streiter für die Kultur".

Die Künstlerin Christiane Toewe, eine enge Freundin Brauns, kann das so bestätigen. Trotzdem ist sie zwei Tage nach der Beisetzung "total schockiert". Denn der Trauerredner, Ernst Cran, ist in Nürnberg als profilierter Redner auf Pegida-Veranstaltungen bekannt. Die Organisatoren der Feier hätten das nicht gewusst, versichert Toewe. Nach dem plötzlichen Tod ihres Freundes Braun treffe sie diese Nachricht wie ein zweiter Schlag.

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Gänsehaut beim Gedanken, wer der Trauerredner war

Toewe hat erst am Dienstag erfahren, wo Trauerredner Cran ebenfalls vor Publikum auftritt. Und sie hat sich die Internetfilme angeschaut, wie Cran die Menge in Nürnberg angeheizt hat, und das auch schon in Dresden getan hat. Sie bekomme "eine Gänsehaut nach der anderen" beim Gedanken, wer da als Trauerredner engagiert wurde. "Man kann nicht Hass predigen", sagt sie, "und auf der anderen Seite Trost spenden wollen."

Braun hätte zu Lebzeiten mit Bewegungen wie Pegida nichts zu tun haben wollen. "Pegida ist Lichtjahre von dem entfernt, wie Peter war", sagt auch seine Lebensgefährtin Andrea Hochmuth. Cran sei ihr von einem Bekannten empfohlen worden, sie habe nicht selbst reden können. Und habe dann schnell gehandelt, ohne im Netz zu recherchieren.

Bernd Regenauer, Kabarettist aus Nürnberg, kennt die Situation. Er hatte Cran als Redner bei der Trauerfeier für seinen Bruder engagiert. Und sei "völlig fassungslos" gewesen, als er später den "unsäglichen Auftritt dieses Mannes" in Dresden gesehen habe. Sein Bruder sei ein weltoffener Mann gewesen, anderen Kulturen extrem aufgeschlossen. Dieser hätte "einen Pegida-Aktivisten niemals auf seiner Trauerfeier als Redner wissen" wollen, sagt er.

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Regenauer hat sich im Januar, etwa drei Monate nach dem Tod seines Bruders, an den Berufsverband der Trauerredner gewandt. Nach heftiger Kritik bot der freiberuflich tätige Cran dem Verband seinen Rücktritt als Vorstand an. Er wurde vom Amt enthoben, darüber wurde auch berichtet.

Crans Ziel: Vor der "Islamisierung des Abendlandes" warnen

Insofern hätte man Bescheid wissen müssen, wenn man ihn engagiere, sagt der studierte Theologe Cran. Davon sei er ausgegangen. "Was soll ich denn machen?", fragt er, "'Vorsicht Pegida' auf eine Fahne schreiben?" Es sei möglich, dass er bei Pegida-Auftritten in Nürnberg auch vor Neonazis rede. "Aber mir ist scheißegal, wer da zuhört." Sein Ziel sei es, vor "der Islamisierung des Abendlandes" zu warnen. Es werde "von der Lügenpresse falsch über Pegida informiert", das sage er ganz bewusst.

Er sehe Pegida "als Bürgerinitiative" und wolle auf die Bevormundung mit religiösen Dogmen hinweisen. Seine Auftritte bei Pegida seien dafür ein Kanal, für den er eine andere Sprache gefunden habe als bei seinen Auftritten als Trauerredner.

Cran räumt aber ein, dass "es nun sehr deftig" für Angehörige Brauns sein müsse, wenn sie nichts von seinen Aktivitäten gewusst hätten - und also für den Verstorbenen einen Trauerredner engagiert hätten, der im Leben eine vollkommen andere Haltung an den Tag gelegt hätte als der Redner am Grab. Hätte Cran auf seine Aktivitäten hinweisen müssen? "Man fragt den Notarzt kurz vor dem Eingriff auch nicht, welcher Gesinnung er ist", sagt Cran. "Das ist ein Riesenunterschied", antwortet die Künstlerin Toewe, "wir fühlen uns total hintergangen."

Regenauer glaubt, das zu kennen. Für die Vorbereitung der Trauerrede habe er lange mit Cran darüber gesprochen, was sein Bruder für ein Mensch gewesen sei. Spätestens da hätte Cran ihn darauf aufmerksam machen müssen, "dass das nicht geht".

© SZ vom 10.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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