CSU-Chef:Aus dem CSU-Seehofer wird der AfD-Horst

CSU-Chef Seehofer poltert öfter gegen die Bundeskanzlerin, doch mit der "Herrschaft des Unrechts" hat er sich verstiegen. Damit gefährdet er sogar das Profil seiner Partei.

Kommentar von Kurt Kister

Es fällt nicht besonders auf, dass die CSU den Politischen Aschermittwoch abgesagt hat. Ihr Parteivorsitzender Horst Seehofer ist seit geraumer Zeit so etwas wie der immerwährende, mobile Politische Aschermittwoch. Sein Satz, dass es hierzulande eine "Herrschaft des Unrechts" gebe, belegt einerseits, dass Seehofers Rhetorik ab und an zwischen Frauke Petry und Markus Söder irrlichtert. Das ist interessant, denn Seehofer fürchtet das, wofür Petry steht. Aber er fürchtet auch, dass Söder relativ bald die Zukunft der CSU sein könnte.

Andererseits begibt sich Seehofer mit solchen Aussagen auf eine politisch sehr abschüssige Bahn. Dass in Deutschland angeblich das Unrecht "herrscht", kann man auf jeder Pegida-Demonstration hören. Da wird, so wie es leider nun auch Seehofer getan hat, nicht differenziert, dass der politische Meinungsstreit auch rechtliche oder verfassungsrechtliche Aspekte hat.

Seehofer ist verbittert

Nein, da wird draufgehauen: Der Staat hat versagt, es herrscht das Unrecht, die Politiker sind Verräter. Der CSU-Vorsitzende hat sich eines Kampfbegriffs bedient. Er stammt aus dem Arsenal derer, die Merkel ins Gefängnis stecken wollen und die jene Demokratie, für die auch Horst Seehofer viel Gutes getan hat, pauschal ablehnen.

Seehofer ist verbittert, weil Merkel nicht auf ihn hört. Und er verrennt sich in seiner sonnenkönighaften Überzeugung, er müsse dem Volk seine Stimme geben, weil er schließlich der Ministerpräsident des Volkes sei. Er fährt nach Russland und tut so, als rede außer ihm kein anderer "Mainstream"-Politiker mit Putin. Er greift permanent die Bundesregierung an, in der seine eigene Partei sitzt. Und er verfährt häufiger nach dem Petry-Prinzip: Provokation ersetzt Argumentation. Da klingt er dann nicht wie der CSU-Seehofer, sondern wie der AfD-Horst. Eine Partei zu bekämpfen, indem man sie stellenweise imitiert, war noch nie eine gute Idee.

Don Quichotte oder Windmühle?

Und auch das ist typisch Seehofer: Er poltert laut, scheut aber die Konsequenz. Wenn ein Parteivorsitzender ernsthaft glaubt, die von ihm mitgetragene Regierung betreibe systematischen Rechtsbruch, dann muss er zuerst politisch reagieren und dies nicht auf das Verfassungsgericht abschieben.

Wenn also tatsächlich "das Unrecht" herrschen sollte, dann muss die CSU diese Bundesregierung verlassen. Dieser Vorwurf nämlich wiegt weit schwerer als die üblichen Differenzen in einer Koalitionsregierung. Es geht nicht um die Höhe des Mindestlohns, die Pkw-Maut oder das Betreuungsgeld. So wie Seehofer tönt, wirft er - was zum Beispiel auch die AfD gerne tut - der Bundeskanzlerin die Verletzung ihres Amtseids vor.

Vielleicht dreht Seehofer auch so hoch, weil er glaubt, er könne nur so die besondere Stellung der CSU in Bayern gegen die neue Rechte verteidigen. Seehofer-Versteher führen an, auch Strauß und Stoiber hätten im Notfall die CSU mit Invektiven gegen jedermann, auch die CDU, verteidigt. Mag sein, aber Seehofer hat mittlerweile ein Stadium erreicht, in dem man nicht mehr weiß, ob er Don Quichotte ist oder nicht vielleicht selbst eine Windmühle.

Die Art, in der Seehofer seinen kollaborierenden Widerstand gegen die Regierung Merkel auslebt, mag ihm kurzfristig in Teilen der CSU Beifall verschaffen. Allerdings gründet sich der Erfolg der CSU in Bayern auch darauf, dass sie konservativ-liberale Wähler ähnlich anspricht wie Bodenständige.

Die CSU ist immer eine große Koalition in sich selbst gewesen. Ein Parteichef, der Parolen des Gegners nachbetet und einen Privatkrieg gegen die CDU-Chefin führt, gefährdet mittelfristig auch das Profil der CSU. Und was die Partei tut, wenn sie das Gefühl hat, ihre Chefs heben ab, haben zuletzt Stoiber und Beckstein/Huber drastisch erfahren. Seehofer war selbst einmal einer der Putschisten.

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