Israel:Deutschland muss mehr Kritik an Israel wagen

vor deutsch-israelischen Regierungskonsultationen

Eitel Sonnenschein: Kanzlerin Merkel mit Israels Premierminister Netanjahu.

(Foto: dpa)

Benjamin Netanjahu gefällt sich darin, immer mehr Verbündete zu Gegnern zu erklären, nur weil sie seine Palästinenserpolitik kritisieren. Deutschland sollte da nicht mitmachen.

Kommentar von Peter Münch

Wenn Deutschland und Israel über Zukunftsfragen reden, dann ist dies angesichts der historischen Belastung per se eine gute Nachricht. Zusammenarbeit beim Kampf gegen Cyberkriminalität, Digitalisierung, erneuerbare Energien - all das sind Themen bei den Regierungskonsultationen, zu denen Premierminister Benjamin Netanjahu an diesem Dienstag mit seinem halben Kabinett in Berlin weilt. Demonstriert wird, dass die Freundschaft gut gediehen ist in den fünf Jahrzehnten seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen. Sie sollte aber auch so gut sein, dass Unstimmigkeiten nicht weiterhin rituell unter den roten Teppich gekehrt werden.

Israels rechte Regierung hat sich in den vergangenen Jahren weit von dem entfernt, was in Deutschland und Europa immer noch hochgehalten wird: Im Kabinett sitzen erklärte Gegner einer Zwei-Staaten-Lösung, der völkerrechtswidrige Siedlungsbau wird vorangetrieben, Friedensgespräche mit den Palästinensern gibt es schon seit fast zwei Jahren nicht mehr. Das alles ist nicht neu; neu aber ist, dass die Jerusalemer Regierung mittlerweile jede Kritik an ihrem Kurs sofort bestraft.

So traf die EU vorübergehend ein Bannstrahl, weil Brüssel eine Kennzeichnungspflicht für Siedlerprodukte eingeführt hatte. Schwedens Außenministerin ist in Israel wegen unerwünschter Äußerungen zur Persona non grata erklärt worden, und regierungskritische israelische Menschenrechtsorganisationen werden als ausländische Agenten geschmäht, wenn sie Geld von fremden Regierungen annehmen, unter anderem auch von der deutschen.

Deutschland wird bei allen Rundumschlägen Israels explizit ausgenommen

Netanjahu scheint politisch gewinnen zu wollen, indem er auch immer mehr Verbündete zu Gegnern erklärt. Ein Freund kann aus seiner Sicht nur noch sein, wer bequem und unkritisch ist. Die Bundesregierung hat sich in seinen Augen wohl als ein solcher Freund bewährt und wird deshalb bei allen Rundumschlägen aus Jerusalem explizit ausgenommen. Die israelische Außenpolitik unterscheidet zwischen den guten und den bösen Europäern - und versucht so, einen Keil in die Nahost-Politik der EU zu treiben. Doch dafür sollte sich Berlin nicht hergeben.

Wenn EU-Institutionen oder EU-Kollegen abgestraft werden, dann sollte Berlin auch gegenüber Israel europäische Solidarität zeigen. Wenn Menschenrechtler wegen Zahlungen aus Deutschland in Kritik geraten, dann muss die Bundesregierung klarstellen, dass Finanzhilfe für die Zivilgesellschaft genauso Teil der Verantwortung gegenüber Israel ist wie Subventionen für U-Boote. Und wenn Israel die letzten Chancen zur Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung unter dem Beton des Siedlungsbaus begräbt, dann muss auch Berlin dies offen kritisieren.

Von einem früheren Besuch Netanjahus ist der Satz von Kanzlerin Angela Merkel in Erinnerung geblieben, dass man sich einig sei, nicht einig zu sein. 2012 hat sie das gesagt. Wenn aber solche Sätze unter Freunden reine Floskeln bleiben, dann steht die Freundschaft auf tönernen Füßen.

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