Dachau:Patentrezept für bezahlbaren Wohnraum

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Bauträger und Investoren von Wohnanlagen wie hier die Stockmann-Gärten möchte die Stadt Dachau künftig in die Pflicht nehmen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Wie in München möchte auch die Stadt Dachau Richtlinien zur sozialgerechten Bodennutzung setzen. Danach müssen sich Grundbesitzer und Bauunternehmer an den Kosten für Straßen, Grünflächen, Schulen und Kindergärten beteiligen. Ein Überblick

Von Anna-Sophia Lang, Dachau

Mit der Ausweisung von Baugebieten gewinnt eine Stadt nicht nur Einwohner, sie muss für diese auch Straßen, Grünflächen, Schulen und Kindergärten schaffen. Damit eine Kommune auf den Kosten nicht sitzen bleibt, während Grundbesitzer und Bauunternehmer profitieren, haben sich viele Städte in Deutschland Richtlinien zur sozialgerechten Bodennutzung (Sobon) gegeben. In Dachau gibt es seit dem Jahr 2000 einen Grundsatzbeschluss dazu. Bisher blieb dieser jedoch weitgehend wirkungslos. Die Wende kam im Juli 2015. Einstimmig beschloss der Stadtrat die Einführung der "Dachauer Grundsätze zur Baulandentwicklung". Sie sind die Grundlage für ein Dachauer Sobon-Modell, das noch ausgearbeitet wird. Auf einem Themenabend, den die Partei Bündnis für Dachau veranstaltete, wurde deutlich, dass es nicht damit getan ist, das Münchner Modell zu übernehmen. Baujurist Helmut Parzefall sagte, derartige Verträge müssten auf die Bedürfnisse jeder Stadt zugeschnitten werden. Ein Überblick über ein schwieriges, wichtiges Thema:

Die sozialgerechte Bodennutzung

Basis der sozialgerechten Bodennutzung ist das Baugesetzbuch. In Paragraf 11 steht, dass "die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind" Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags sein können. Vor der Anwendung der Sobon muss überprüft werden, ob zwischen den entstehenden Kosten und dem Bauvorhaben ein konkreter Sachzusammenhang besteht. Außerdem muss ermittelt werden, wie viele Kosten dem Bauträger zugemutet werden können. Eine Sobon-Richtlinie muss auf alle städtebaulichen Planungen angewendet werden. Die Kommune kann je nach Bedarf entscheiden, ob die Beteiligung des Investors vor allem in Form von Flächenausgleich, Beteiligung an sozialer Infrastruktur oder sozialem Wohnungsbau geschehen soll.

Das Münchner Modell

In München gibt es eine Untergrenze für Projekte, die aus so wenigen Wohneinheiten bestehen, dass die Folgekosten vernachlässigbar sind. Bei allen anderen Projekten geht man davon aus, dass die Kostenbeteiligung des Bauinvestors angemessen ist, wenn ihm ein Drittel der Wertsteigerung bleibt, die durch die Bebauung entsteht. Er ist für den Ausbau der Erschließungsstraßen und Grünflächen verantwortlich, die Flächen muss er der Stadt unentgeltlich übereignen. 30 Prozent der neu entstehenden Wohnfläche müssen auf den geförderten Wohnungsbau entfallen. Zwei Drittel davon müssen Mietwohnungen sein, ein Drittel Eigentum mit staatlicher Förderung. Außerdem entfällt pro Quadratmeter ein Betrag von etwa 66 Euro für soziale Infrastruktur. Das Münchner Modell fokussiert sich auf Einrichtungen für Kinder unter zehn Jahren, also Kindertagesstätten und Grundschulen. Damit, sagte der Münchner Jurist Norbert Wendrich, seien die Folgekosten jedoch nicht abgedeckt. Er sieht die sozialgerechte Bodennutzung trotzdem als Erfolgsmodell. Investoren seien davon nicht abgeschreckt worden. Die Bodenwertsteigerung sei immer noch hoch genug. So seien in München seit 1994 etwa 40 000 Wohnungen entstanden, 11 000 davon gefördert.

Der Dachauer Entwurf

Mit Hilfe des Demografieberichts hat die Stadt eine Prognose über den Zuzug in den kommenden zehn bis 15 Jahren erstellt. Daraus wurden Folgekosten für soziale Infrastruktur ermittelt. Diese Kosten sollen anteilig auf neu entstehende Wohngebiete umgelegt werden, so dass wie im Münchner Modell ein fester Betrag pro Quadratmeter Geschossfläche herauskommt. Als soziale Infrastruktur sollen im Dachauer Modell neben Kindergärten, Horten und Grundschulen auch Mittelschulen zählen. Noch wird überprüft, ob Einrichtungen für Sport und Jugendbetreuung aufgenommen werden können. Zusätzlich sollen, wie Bündnis-Stadtrat Kai Kühnel erläuterte, Folgekosten des jeweiligen Baugebiets mit seiner Wertsteigerung verrechnet werden. Mit dem Betrag, den der Bauinvestor aus dieser Rechnung an die Stadt entrichten muss, könne man den verbleibenden, individuellen Bedarf an technischer oder sozialer Infrastruktur finanzieren. Das Bündnis für Dachau fordert zudem, dass mit der finanziellen Beteiligung des Bauinvestors nicht der Bau von Kindertagesstätten bestritten wird, sondern ihr Betrieb. Der sei die wahre Belastung für den Stadthaushalt, sagte Kühnel, für den Bau dagegen gebe es andere Zuschüsse vom Freistaat.

Als Anteil für geförderten Wohnungsbau hat der Stadtrat zunächst einen Korridor von 20 bis 30 Prozent festgelegt. Noch nicht klar ist, wie sich dieser in Miet- und Eigentumswohnungen aufteilen wird. Auch die Einkommensgrenze für Personen, die Anspruch auf diese Wohnungen haben werden, muss noch ermittelt werden. Kühnel geht davon aus, dass die Sobon für Dachau 2016 in Kraft tritt.

Was machen andere Städte?

Auch in Erding debattiert der Stadtrat noch über die Details der Sobon. Überlegt wird etwa, ob sie schon ab einer Geschossfläche von 500 Quadratmeter greifen soll. Für geförderten Wohnraum ist eine Quote von 30 Prozent geplant. Als nicht einfach, sagte Parzefall, habe sich die Festlegung der Einkommensgrenzen für den geförderten Wohnungsbau erwiesen. Diese sei zuerst zu niedrig angesetzt worden, woraufhin fast zwei Drittel der Bürger Anspruch auf eine solche Wohnung gehabt hätten. In Fürstenfeldbruck, berichtete Parzefall, müssten Bauinvestoren die tatsächlichen Kosten für Bauleitplanung, Erschließung, Ausgleichsflächen, Grünflächen, Wegeverbindungen und soziale Infrastruktur übernehmen. Dazu zählt die Stadt Kindergärten und Schulen. Die Kostenverteilung gelte als angemessen, wenn mindestens 40 Prozent des Wertzuwachses durch die Bebauung beim Bauinvestor verbleiben.

© SZ vom 18.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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