Volksentscheid in Berlin:Initiative fordert Grüne Welle für Radfahrer

Radfahrer in Berlin

Radfahren in Berlin: Den Initiatoren des "Volksentscheides Fahrrad" zufolge ist das für viele eine zu gefährliche Angelegenheit.

(Foto: dpa)
  • Die Initiative "Volksentscheid Fahrrad" strebt eine fahrradfreundlichere Politik des Berliner Senats an.
  • Heute hat sie einen zehn Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog vorgestellt.
  • Darin fordern die Initiatoren unter anderem mehr Fahrradstraßen, eine grüne Welle für Radfahrer, von Busspuren getrennte Fahrradwege und Radschnellwege für Berufspendler.

Von Jens Schneider

Berlins Kurfürstendamm würde anders aussehen. Auf dem Einkaufsboulevard hätten Radfahrer künftig viel mehr Platz. Die Ampelschaltung würde für sie als Grüne Welle bei einem Durchschnittstempo von 20 km/h geschaltet. Eine Fahrradstaffel der Polizei würde aufpassen, dass keine Autos die Fahrradspur blockieren. So soll die Zukunft des Kudamms aussehen, wenn in der Hauptstadt der "Volksentscheid Fahrrad" eine Mehrheit finden würde. An diesem Dienstag haben dessen Initiatoren ihr Projekt vorgestellt, das in der Berliner Politik in den nächsten Monaten für viel Wirbel sorgen dürfte.

Zehn zentrale Forderungen umfasst der Entwurf für ein Berliner Radverkehrsgesetz, das in der Hauptstadt "den Weg für deutlich mehr Radverkehr frei machen soll", wie Heinrich Strößenreuther, einer der Köpfe hinter dem Volksentscheid, sagt. "Wir brauchen eine sichere und attraktive Infrastruktur, damit mehr Leute aufs Fahrrad umsteigen." Viele Menschen würden gern das Rad in der Stadt täglich nutzen, hätten aber Angst, sagt er.

Volksentscheid zur Bundestagswahl 2017?

Der Entwurf ist mit Hilfe von Fahrrad-Aktivisten, Juristen und Verwaltungsfachleuten entstanden, die in den letzten Wochen ein Bündel von Zielen zusammengefasst haben. Er werde nun ins Netz gestellt, damit Interessierte ihn diskutieren und Änderungen vorschlagen können, so Strößenreuther. "Wir erwarten, dass uns Experten aus dem Bundesgebiet und Insider aus Verwaltungen unterstützen." Der Inhalt soll so noch weiter entwickelt werden.

Voraussichtlich im Mai soll die Sammlung der ersten 20 000 Unterschriften beginnen, die in Berlin erforderlich sind, um zunächst ein Volksbegehren zu starten, die erste Stufe zum Volksentscheid. Danach braucht es nochmal mindestens 170 000 Stimmen. Gelingt das, müsste entweder das Berliner Abgeordnetenhaus das Fahrradgesetz beschließen, oder es kommt tatsächlich zum Volksentscheid. Als Termin für einen Entscheid schwebt den Initiatoren der Tag der Bundestagswahl im Herbst 2017 vor.

Der Gesetzentwurf sieht in seinen zehn Punkten unter anderem vor, in der Stadt Fahrradstraßen im Umfang von 350 Kilometern, die fünf Meter breit sein sollen und auf denen Fahrräder Vorfahrt hätten, zu schaffen. An jeder Berliner Hauptstraße soll es zwei Meter breite Radverkehrsanlagen geben, die dann getrennt von Busspuren einzurichten wären. Strößenreuther erklärte es am Beispiel des Kudamms, wo nach seinen Vorstellungen künftig ein Gleichgewicht herrschen soll. Derzeit gebe es dort für Autos je eine Spur zum Parken, Halten und Fahren. Dagegen bleibe Radfahrern und Bussen nur eine gemeinsame Spur. Die Initiative fordert nun, diese zu trennen.

Radschnellwege für Berufspendler

Der Gesetzentwurf sieht auch vor, dass deutlich mehr Stellen in den Verwaltungen mit zentralen Fachabteilungen für Radverkehr geschaffen werden sollen. Für den Pendelverkehr nach Berlin hinein fordert die Initiative bis zum Jahr 2025 hundert Kilometer an Radschnellwegen (die Rede ist von "Hochgeschwindigkeitstrassen"), auf denen Radler kreuzungsfrei durch und um die Stadt fahren können.

Strößenreuther und seine Mitstreiter werfen dem rot-schwarzen Berliner Senat vor, dass er entgegen seiner eigenen Zielvorgaben seit Jahren zu wenig für den Fahrradverkehr getan habe. Die Stadt gebe im internationalen Vergleich zu wenig dafür aus, zudem seien über Jahre im Haushalt eingeplante Mittel verfallen, weil in den Ämtern das Personal gefehlt habe, die Projekte umzusetzen.

Berlin ist im internationalen Vergleich zurückgefallen

"Im internationalen Vergleich geht es erst mal darum, gegenüber anderen Städten wieder aufzuholen", sagte Peter Feldkamp, ein zweiter Sprecher der Initiative, an der sich nach seinen Angaben bereits rund hundert Bürger beteiligen. "Wir waren in Berlin europaweit vor zehn Jahren noch so etwas wie eine Avantgarde", sagte Feldkamp, inzwischen sei zu wenig getan worden, andere Städte wie Madrid, Oslo oder London seien Berlin voraus.

Tatsächlich hat sich das Land Berlin schon vor Jahren als "Fahrradstadt" ausgerufen und der Senat eine Radverkehrsstrategie vorgelegt. Allerdings kritisierten Fahrrad-Verbände wie der ADFC, dass die darin formulierten Ziele nicht konsequent umgesetzt würden. Berlin gilt international schon lange als eine Stadt, in der ein besonders hoher Anteil der Bürger vor allem im Zentrum das Fahrrad nutzt und auf Autos verzichtet. Der Senat betont deshalb auch, wie wichtig es ihm sei, mehr für die Radfahrer zu tun.

Auf die Initiative für einen Volksentscheid reagierten Vertreter des Senats indes bisher ausdrücklich kritisch. So warnte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) davor, andere Verkehrsarten zugunsten des Radverkehrs zu benachteiligen. Zudem habe Berlin etwa im vergangenen Jahr erheblich in den Radverkehr investiert. Auch der Staatssekretär für Verkehr und Umwelt, Christian Gaebler, hält wenig von den Plänen: "Verkehrsplanung per Gesetz ist der falsche Weg", sagt der SPD-Politiker. Schon eine erste grobe Durchsicht des Gesetzestextes zeige, dass viele Vorschläge nichts mit einer sorgfältigen Abwägung der unterschiedlichen Anforderungen an das Verkehrssystem zu tun haben. "Maximalforderungen aufzustellen, die nicht umgesetzt werden können, hilft niemandem", so Gaebler.

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