ARD-Krimi:Schwerer Aufschlag im Dresdner "Tatort"

Tatort: Auf einen Schlag; Tatort Dresden MDR Auf einen Schlag

Henni Sieland (l.) und Karin Gorniak sind eigentlich ein eingespieltes Team - wäre da nicht ihre übereifrige Praktikantin.

(Foto: MDR/Andreas Wünschirs)

In ihrem ersten Fall müssen die Dresdner "Tatort"-Ermittlerinnen einen Mord im Schlagermilieu aufklären - und einen Verlust verkraften.

Kolumne von Carolin Gasteiger

Darum geht es:

Auftakt in Dresden: Karin Hanczewski, Alwara Höfels und Jella Haase feiern ihren Tatort-Einstand mit einem Mord im Schlagermilieu. In den Kulissen einer Unterhaltungsshow wird Toni Derlinger von "Toni und Tina" erschlagen aufgefunden, ein Held für Fans sächsischer Volksmusik, zu denen auch Kommissariatsleiter Schnabel gehört. Die Kommissarinnen Gorniak und Sieland sowie Polizistenanwärterin Maria Mohr ermitteln in einer Welt aus schönem Schein und Profitgier - und müssen dabei gegen männliche Vorurteile ankämpfen.

Hier lesen Sie die Rezension von SZ-Tatort-Kritiker Holger Gertz:

Bezeichnender Dialog:

Maria Mohr hat von einem Pressefotografen sachdienliche Bilder besorgt. Aber mit ihren Alleingängen gefährdet sie nicht nur die Ermittlungen, sondern auch das Ansehen der Frauentruppe, wie ihr die Kolleginnen erläutern:

Sieland: Hey, das mit den Fotos war gute Arbeit, ja? Hast du gut gemacht.

Mohr: Danke. Ich meine, sonst hättet ihr jetzt gar nichts gegen ihn in der Hand.

Gorniak: Darum geht es aber nicht. Meinst du, daran wird sich noch einer erinnern? Aber an den Scheiß mit der Presse werden sich alle erinnern. Weißt du, wie schwer wir es hatten, in dem Laden, bis die halbwegs damit klar gekommen sind, dass Frauen den Job auch können? Wenn Schubert und Oddenewitz Scheiße bauen, dann haben Schubert und Oddenewitz Scheiße gebaut. Aber wenn du Scheiße baust, dann haben die Mädels Scheiße gebaut, wir alle. Dann ist das einfach nur ein Beweis dafür, dass die Frauen es nicht hinkriegen. Verstehst du das?

Sieland: Ich merke, dass du das gut machen willst ...

Mohr: Ja, will ich auch, wirklich.

Sieland: Und das ist halbe Miete. Aber Maria, du musst das hier (zeigt auf ihre Stirn) genau so einsetzen wie das (zeigt auf ihr Herz). Ja? Und glaub' mir, ich weiß, wovon ich rede.

Die besten Zuschauerkommentare:

Berührendste Szene:

Maria Mohr ist verschwunden. Gorniak und Sieland suchen sie in einem Kaufhaus, wo Mohr einen Verdächtigen treffen wollte. Die beiden Kommissarinnen folgen dem Handyklingeln ihrer Praktikantin und finden die junge Frau tot am Boden liegend, in ihrem eigenen Blut. Beide sind geschockt, müssen tief durchatmen. Als Sieland vor lauter Frust einen Computer vom Tisch fegt, nimmt Gorniak sie in den Arm. Und hält sie ganz fest.

Top:

Trotz ziemlich platter Sprüche ("Als nur Männer hier waren, da wurde aber mehr gelacht", sagt Schnabel, und Gorniak an einer anderen Stelle: "Mit Frauen haben sie es nicht so") und ziemlich vielen Kampfansagen (mit dem taffen Duo Gorniak und Sieland möchte sich niemand anlegen!) sind den Machern mit dem neuen Ermittlertrio drei fein gezeichnete Charaktere gelungen, die ebenso kantig wie amüsant sind. Auch wenn ihr Chef das anders sieht: Die machen das schon, die Mädels aus Dresden!

Flop:

Wenn im Tatort neue Figuren eingeführt werden, leidet darunter oft die Handlung. Auch in diesem Fall. Mord im Schlagermilieu, mit all seiner Fake-Fröhlichkeit und den Intrigen hinter den Kulissen, ist nicht gerade der originellste Plot. Da ist noch Luft nach oben.

Bester - und letzter - Auftritt:

Als Maria Mohr gibt sich Jella Haase, bekannt als Chantal aus "Fack ju Göhte", ebenso wissbegierig wie naiv. Und so überzeugend, dass ihr Tatort-Dienst nach nur einer Episode ein Ende findet. Verblüffend, brutal, aber stringent.

Das ist doch ...:

Ihnen kommt der schmierige Maik Pschorrek bekannt vor? Könnte sein, denn Andreas Guenther spielt im Rostocker Polizeiruf mit - und spielt dort den ebenso schmierigen Hilfssheriff Anton Pöschel.

Erkenntnis:

"Alles wird immer unübersichtlicher und anders: Männer heiraten Männer, überall gibt es Moscheen und Ausländer - da wollen die Leute wissen, dass es noch ein Eckchen gibt, wo sich nichts ändert", erklärt Schlagerqueen Tina Derlinger ihre heuchlerische Branche. Dass in diesem Tatort ständig Sachsen als heile Heimat besungen wird, macht die Erkenntnis umso bitterer.

Schlusspointe:

Pointe ist der falsche Ausdruck, das Ende des Falles fällt eher in die Kategorie "Zurück auf Los". Die Kommissarinnen Gorniak und Sieland kehren in ihr (problembehaftetes) Privatleben zurück, Dresden feiert seine Schlagerstars - und zur aufgesetzt fröhlichen Stimme von Sängerin Laura baumeln die Füße des wehmütigen Musikmanagers Rollo Marquardt in der Luft.

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