Equal-Care-Day:Karriere im Reißverschluss-Verfahren

Die meisten Eltern wollen sich alles gleichberechtigt aufteilen - und scheitern. Vier Paare erzählen, wie es doch klappen kann.

Von Barbara Vorsamer

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Laura und Sebastian Weisenburger:Ganz gerecht aufgeteilt

50/50-Paare, die sich die Zeit, die sie aufs Kind aufpassen aufteilen: Laura und Sebastian Weisenburger

Quelle: Florian Peljak

"Etwas anderes als alles ganz gerecht aufzuteilen kam für uns nie in Frage", sagt Laura. Sie ist Chirurgin an einer Münchner Klinik, ihr Mann Sebastian macht Öffentlichkeitsarbeit für ein Forschungsprojekt an der Universität. Ihre Tochter Leonore wird bald zwei Jahre alt. Schon die Elternzeit haben die beiden sich aufgeteilt. Laura war acht Monate zu Hause, Sebastian sechs. Seitdem arbeiten sie beide Teilzeit.

Wie klappt das? "Einer muss flexibel sein", sagt Laura - und das ist Sebastian. "Die Kita ruft eher ihn an, wenn etwas ist. Ich bin während einer Operation nicht erreichbar." Zudem stehen ihre Dienstzeiten weit im Voraus fest, regelmäßig muss sie 24-Stunden-Schichten schieben. Spontane Änderungen seien quasi unmöglich.

Sebastians Problem ist der lange Arbeitsweg. Weil er Leonore meistens in die Krippe bringt und abholt, schafft er es nur knapp, seine vertragliche Arbeitszeit von 32 Stunden in der Woche im Büro zu sein. "Ich setze mich oft dann abends noch für zwei Stunden hin", sagt er. Sein Arbeitgeber sei von dieser Variante anfangs nicht angetan gewesen. Auch die Reaktion auf seinen Elternzeitantrag sei erstmal kritisch gewesen.

Bei Laura war es ähnlich. "Als Chirurgin ein Kind zu bekommen, ist eine Karrierebremse", sagt sie. Sie sei nach Leonores Geburt eine Dienstgruppe nach unten gestuft worden und habe fast ein Jahr kaum im Operationssaal gestanden. Sebastian hat zwar schon vor Leonores Geburt Teilzeit gearbeitet, war aber außerdem ehrenamtlich engagiert als Vorsitzender der Münchner Grünen. Dieses zeitintensive Amt mit vielen Abendterminen hat er dem 50/50-Modell geopfert.

Eine Putzfrau erledigt alle zwei Wochen den Großputz, den Rest der Hausarbeit teilen sich Laura und Sebastian auf. Trotz aller Nachteile sind beide glücklich mit ihrem Modell - und würden sich immer wieder dafür entscheiden.

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Tina und Ben:"Was fehlt, ist Zeit zu dritt"

50/50-Paare, die sich die Zeit, die sie aufs Kind aufpassen aufteilen: Tina und Ben Eder vor der Maria-Hilf-Kirche

Quelle: Florian Peljak

"Tina hält mir den Rücken frei", sagt Ben, und das hört sich absurd an. Schließlich arbeiten beide Vollzeit, was in ihren Positionen - Tina ist Hoteldirektorin, Ben leitet den gastronomischen Bereich eines anderen Hotels - nicht selten einer 50-Stunden-Woche entspricht. Doch beiden erscheint das sinnvoll. Tina ist bereits oben angekommen. "So viel mehr als Direktorin kann ich nicht mehr werden", sagt sie. Ben steht das noch bevor, und um dieser Karriere nicht im Weg zu stehen, steckt Tina bei Terminkollisionen eher mal zurück. Doch Ben ist sich noch nicht sicher, ob wirklich zwei hohe Führungspositionen in einer Familie erstrebenswert sind. Sein Vater sei fast nie da gewesen, als er klein war, sagt Ben. Und dass er es eigentlich anders machen will.

Tina und Ben haben einen fünfjährigen Sohn. Paul geht zwar ganztags in den Kindergarten, doch um ihr Pensum zu schaffen, müssen Tina und Ben aneinander vorbei arbeiten. Ben bringt seinen Sohn morgens hin und arbeitet dann lange. Tina beginnt gegen sieben Uhr morgens und versucht, Paul um 17 Uhr abzuholen - was oft nicht klappt, dann springen Nachbarn und befreundete Eltern ein. "Ein gemeinsames Abendessen zu dritt kommt vielleicht fünfmal im Jahr vor", sagt Tina. Auch gemeinsame Wochenenden sind die Ausnahme, Wochenenddienste die Regel.

Wer macht den Haushalt? "Wir beide", sagen beide sofort, ein Ungleichgewicht gebe es nicht. "Wir sind beide extrem pedantisch und räumen immer alles sofort auf", erzählen sie, das komme durch die Arbeit in der Hotelbranche. Keiner gehe aus dem Haus, ohne vorher das Bett zu machen, niemand ins Bett, bevor die Küche glänzt. Addieren sie Kinderbetreuung, Haus- und Erwerbsarbeit, kommt locker ein 15-Stunden-Tag für jeden zusammen.

Was beiden fehlt, ist entspannte Zeit zu dritt. "Unsere zwei Wochen Sommerurlaub sind mir deshalb sehr wichtig", sagt Tina. Sie ist zufrieden mit ihrem anstrengenden Modell und würde auch dann nicht weniger arbeiten wollen, wenn es finanziell drin wäre. Ben hat seine Zweifel und kann sich eine Position mit weniger Stunden und vor allem weniger Wochenendarbeit durchaus vorstellen.

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Günes und Hauke Seyfarth:"Der Alltag läuft nebenbei"

50/50-Paare, die sich die Zeit, die sie aufs Kind aufpassen aufteilen: Günes und Hauke Seyfarth

Quelle: Florian Peljak

Eine Trennung zwischen Job und Freizeit lässt sich für Günes und Hauke Seyfarth kaum realisieren. Sie sind beide selbständig, er als Fotograf, sie als Projektleitung für das Second-Hand-Portal Mamikreisel. Ihre Arbeitszeiten können sie sich größtenteils selbst einteilen. "Deswegen arbeiten wir eigentlich immer", sagt Günes Seyfarth. Ihr Mann fügt hinzu: "Und haben gleichzeitig die Möglichkeit, Haushalt und Kinder nebenbei mitlaufen zu lassen."

Wenn er vormittags zu Hause ist, sich um Kundenakquise kümmert oder Shootings plant, laufe gleichzeitig die Waschmaschine. Günes Seyfarth erzählt, wie sie im Kopf Konzepte entwickelt, während sie Marmelade einkocht. "Wenn ich mich dann an den Rechner setze, dauert das Aufschreiben nur noch eine Viertelstunde", sagt sie. Ihre drei Söhne (sechs, vier und zwei Jahre alt) sind oft einfach dabei. Alle drei besuchen zwar ganztags Krippe beziehungsweise Kindergarten, doch wenn Teamsitzungen oder Fototermine außerhalb der Öffnungszeiten stattfinden, nehmen die beiden ihre Kinder mit.

So richtig frei haben sie also nie, aber das macht ihnen nichts aus. "Wenn etwas Spaß macht, kann ich es auch die ganze Zeit machen", sagt die Projektleiterin. Viel Energie geht allerdings für Absprachen drauf. Da keiner der beiden einen festen Arbeitsrhythmus hat, werde jeden Abend der kommende Tag besprochen: Wer bringt die Kinder weg, wer holt sie ab, wer kümmert sich ums Abendessen?

Tagsüber schicken sich Günes und Hauke Seyfahrt zahlreiche Erinnerungen per Whatsapp. Termine, die nicht flexibel sind, müssen im Vorhinein in einen Zwei-Wochen-Plan eingetragen werden, um Überschneidungen zu vermeiden. Diese ganze Organisation liegt komplett in Günes' Hand. Haukes Zuständigkeit ist es, dafür zu sorgen, dass nichts ausgeht, seien es Kindersocken oder Joghurt. Sie leben ihr 50/50-Modell - und das rund um die Uhr.

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Daniel und Julia:Karriere auf der Wippe

Young doctor in hospital looking at computer screen model released Symbolfoto property released PUBL

Quelle: imago/Westend61

"Wir wünschen uns beide viel Zeit für die Familie, doch dafür haben wir den falschen Beruf gewählt", konstatiert Julia trocken. Sie und ihr Mann Daniel arbeiten als Assistenzärzte an einer Münchner Universitätsklinik und müssten sich eigentlich voll auf Krankenhaus, Labor und Weiterbildung konzentrieren. Tochter Lena (zwei Jahre alt) zuliebe tun sie das nicht und leben stattdessen ein Modell, das US-Autorin Hanna Rosin als Wipp-Ehe bezeichnet: Erst arbeitete Julia Teilzeit, um Daniel für seine Karriere den Rücken frei zu halten, dann reduzierte er für eineinhalb Jahre seine Stunden. Begeistert ist der Arbeitgeber von den ständigen Elternzeit- und Teilzeitanträgen nicht. Weil ihre Arbeitsverträge befristet sind, heißen die drei eigentlich anders und sind nicht im Bild zu sehen.

Funktioniert der Rollenwechsel denn? Im Alltag super, finden beide. Die Aufgaben seien klar verteilt. Der, der gerade in Teilzeit ist, ist zu Hause für alles zuständig. Der andere hilft nur mit. Da Julia und Daniel beide Rollen kennen, empfinden sie das nicht als ungerecht. Ein Problem ist die Wipp-Ehe auf lange Sicht: "In der Medizin musst du bis zum Alter von 40 Jahren deine Karriere gemacht haben", sagt Daniel (35). Doch Teilzeitmitarbeiter stünden auf dem Abstellgleis. Vor allem für Julia (39) ist das ein Problem - ein doppeltes. "Für ein zweites Kind gilt ebenfalls: Jetzt oder nicht", sagt Julia.

Wie und ob sie weiter die Rollen tauschen, wollen die beiden daher pragmatisch entscheiden, je nachdem, wie ihre Familienplanung läuft und für wen sich beruflich die besseren Chancen auftun. Sowohl Julia als auch Daniel können sich vorstellen, ganz oder teilweise zu Hause zu bleiben, beide würden auch gerne Vollzeit arbeiten. Nur gleichzeitig Vollzeit ist ausgeschlossen. "Dafür ist uns Familie zu wichtig."

© SZ.de/bavo/sks
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