Europäische Zentralbank:EZB-Direktor deutet neue Schritte gegen Mini-Inflation an

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EZB-Direktor Benoît Cœuré weist die Kritik der Banken an der Strafzinspolitik der Notenbank zurück - und gibt Hinweise auf anstehende Entscheidungen.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Benoît Cœuré gibt dann doch noch einen deutlichen Hinweis, was der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) bei seiner kommenden Sitzung am 10. März beschließen könnte. "Die Euro-Zone erholt sich immer noch von einer Wirtschafts- und Finanzkrise, wie sie nur einmal in einer Generation passiert, und die schlimme Narben hinterlassen hat", sagte der EZB-Direktor beim SZ-Finanztag in Frankfurt. "Wir brauchen dringend mehr Wachstum und müssen die Inflationsrate erhöhen, um unser Ziel der Preisstabilität zu erreichen."

Notenbanker reden gerne verschwurbelt. Die zitierten Sätze waren die letzten in Cœurés Rede, die er als Stimmungstöter begonnen hatte, weil er sagte, er werde zur kommenden EZB-Sitzung nichts sagen. Doch seine Worte unterstreichen, dass die EZB bald noch mehr tun wird.

Im Kern geht es um folgendes: Die EZB möchte eine Inflation von zwei Prozent erreichen. Zum einen, weil steigende Preise ein Ausweis von Nachfrage und Wachstum wären. Zum anderen, um genügend Puffer zu haben zur Null-Linie, wo nach Ansicht der EZB die gefährliche Deflation beginnt. Das Problem: Die Teuerung in der Euro-Zone liegt unter Null. Im Februar sind die Preise um 0,2 Prozent gefallen. Der Hauptgrund ist der niedrige Ölpreis.

Die neue Zentrale der EZB im Frankfurter Ostend: Die Notenbank plant neue Maßnahmen, um die Wirtschaft anzukurbeln: mit niedrigen Zinsen und Anleihekäufen. (Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Für viele Verbraucher erschließt sich das Risiko sinkender Preise nicht. Doch die EZB befürchtet, Konsumenten und Unternehmen würden bei stetig sinkenden Preisen ihre Einkäufe und Investitionen zeitlich immer weiter nach hinten schieben. Die Folge wäre eine Rezession.

Die internationalen Finanzmärkte rechnen daher mit neuen Maßnahmen der EZB. So könnte der Strafzins für Bankeinlagen bei der EZB auf 0,4 Prozent steigen. Banken sollen zur Kreditvergabe gezwungen werden. Gleichzeitig wird eine Ausweitung des Anleihekaufprogramms diskutiert. Schon jetzt plant die EZB, bis März 2017 etwa 1,5 Billionen Euro ins Finanzsystem zu pumpen. Knapp die Hälfte ist bereits geflossen. Das neue Geld befeuert den Aufschwung an den Börsen und reduziert die Kreditkosten für Euro-Staaten.

Die EZB steckt in der Bredouille, weil die Maßnahmen weitgehend verpuffen. Die Wirtschaft der Euro-Zone kommt nicht so in Gang, wie man es angesichts der lockeren Geldpolitik erwarten könnte. Besonders der Strafzins ist umstritten. Alle Banken haben ihre Girokonten bei der Zentralbank. Die Banken können die vielen Kundeneinlagen auf ihren Konten nicht verleihen, es fehlt die Nachfrage. Daher müssen sie auf den Betrag an die EZB Strafzinsen zahlen. In Dänemark und Schweden führte der Negativzins dazu, dass die Banken die Strafgebühr auf die Kunden umgelegt haben - Kredite wurden daher teurer, was niemand wollte.

EZB-Direktor Cœuré wies die Kritik am Mittwoch zurück. Die Banken hätten die ultralockere Geldpolitik bislang gut verkraftet. Viele Institute hätten sinkende Einnahmen aus dem Zinsgeschäft mehr als wettmachen können. Er wies auf zwei Probleme der Branche hin, die aus seiner Sicht nichts mit der Zentralbank zu tun haben. So säßen in manchen Ländern Banken auf zu hohen Beständen an faulen Krediten. Zudem verfolgten viele Institute Geschäftsmodelle, die längerfristig nicht tragbar seien. Gewinnschwache Institute müssten Wege finden, Einnahmen zu steigern, die nicht aus dem Zinsgeschäft stammen und wenn möglich ihre Betriebskosten weiter senken.

Die EZB ist neben der Geldpolitik auch für die Bankenaufsicht zuständig. Die Bankenprüfer überprüfen auch das Geschäftsmodell der Institute. Häufig geht es um die Frage, wie eine Bank mehr Profite machen kann. Höhere Zinsen würden da helfen, doch Europas Banken können nicht damit rechnen, dass die EZB Rücksicht auf die Branche nimmt.

Notenbank-Präsident Mario Draghi hat deutlich gemacht, dass die EZB auf mögliche weitere geldpolitische Schritte schon jetzt vorbereitet ist. Die EZB könne dadurch "alle zur Verfügung stehenden Optionen nutzen", schrieb Draghi in einem Brief an einen Europa-Abgeordneten. "Es gibt keine Grenzen, wie weit wir gewillt sind, mit unseren Instrumenten innerhalb unseres Mandats zu gehen."

Es gibt keine Grenzen für das, was die EZB innerhalb des Mandats machen kann

Die EZB hält die Lage in der Euro-Zone offenbar für äußerst gefährlich, denn Draghi rekurriert mit diesen Worten auf sein Versprechen von 2012, die EZB werde "alles tun", um den Euro zu retten.

Das Jammern der Banken verhallt in dieser Situation ungehört. "Diejenigen, die nach einer weniger konjunkturfördernden Geldpolitik rufen, sollten sich fragen, welche Folgen es unter anderem für die Kreditvergabe der Banken habe, wenn die Produktion stagniere und die Preise fielen", sagte Cœuré. Die Bankenbranche sei stark anfällig, wenn sich die Konjunkturaussichten eintrübten. Das habe die jüngste Verkaufswelle bei Bankenaktien gezeigt. "Die Entschlossenheit der EZB, für Preisstabilität zu sorgen, ist daher entscheidend."

© SZ vom 03.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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