Buchvorstellung:Selbstversuch: Mit der Kippa in die Öffentlichkeit

Buchvorstellung: Terry Swartzberg hat ein Buch über seine Kippa-Erfahrungen geschrieben.

Terry Swartzberg hat ein Buch über seine Kippa-Erfahrungen geschrieben.

(Foto: ales)

Terry Swartzberg hat keine Angst, seine Identität zu zeigen. Viele andere Juden aber schon, sagt er. Nun hat der 62-Jährige ein Buch über sein Kippa-Projekt geschrieben.

Von Wolfgang Görl

Selbstverständlich hat Terry Swartzberg auch an diesem Abend eine Kippa auf dem Kopf. Der 62-Jährige, aus Norwalk bei New York stammende Wahlmünchner, der sich in der liberalen jüdischen Gemeinde Beth Shalom engagiert, steht am Samstag vor dem Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke in der Maxvorstadt und begrüßt mit dem ihm eigenen Enthusiasmus die Gäste.

Das Gebäude, in das er geladen hat, beherbergte zur NS-Zeit die Parteiverwaltung der NSDAP. Und genau in diesem Bau will Swartzberg sein jüngstes Werk vorstellen, das Buch mit dem Titel "Mit Chutzpah und Kippah!". Im Dezember 2012 hatte sich Terry Swartzberg entschlossen, in der Öffentlichkeit stets die Kippa aufzusetzen, egal, ob er in München, in Berlin, in Zwickau oder in Mittenwald unterwegs war.

Es sollte ein "Reality Check" sein, ein Test, ob der Antisemitismus in Deutschland noch immer verbreitet ist. Über seine Erfahrungen hat er das Buch geschrieben - eines, das bis heute nur als E-Book existiert. Einen deutschen Verlag, der den Text auf Papier druckt, hat er bislang nicht gefunden.

"Ich gehe hin, wo es weh tut."

Es ist eine ungewöhnliche Lesung: Die Kopien der antiken Statuen haben Kippas und turbanartige Gebilde auf dem Haupt, welche die Modemacher des Projekts "Out of Fabric" kreiert haben. Ehe Swartzberg loslegt, hallt noch ein jüdisches Friedensgebet durch den monumentalen Ausstellungsraum.

Swartzberg erzählt erst einmal von dem Zwiespalt, in dem viele Juden in Deutschland leben: Innerhalb ihrer Gemeinde feiern sie stolz ihre Traditionen, "außerhalb dieses Ghettos verstecken wir uns". Das bedeutet auch: Nicht mit der Kippa unter Leute zu gehen, sich nicht als Jude kenntlich zu machen. Es ist, als herrschte noch immer Angst.

Swartzberg aber "will nicht in einem Land leben, in dem ich Angst haben muss, meine Identität zu zeigen". Also startete er den Selbstversuch. Die ersten Erfahrungen waren unspektakulär: Kinder wollten wissen, was er da für eine komische Mütze auf dem Kopf trage; Deutsche, die schon mal in Israel waren, brachten ihre Kenntnis an den Mann; und auf Empfängen musste er gelegentlich die Frage beantworten, warum die Kippa auf dem Kopf bleibt und nicht herunterfällt. Und sonst: Nichts ist passiert. Keine Pöbeleien, keine Gewaltattacken, kein dummes Gerede.

Swartzberg erzählt seine Geschichten mit leichter Hand und voller Witz, und vielleicht ist es das, was Verlage abschreckt: Dass er ein ernstes Thema mit Humor behandelt. Und dass es, zynisch gesagt, für den Verkauf eines Buch besser wäre, enthielte es allerlei dramatische und furchtbare Begebenheiten.

Neulich, erzählt Swartzberg, wurde er gefragt, ob er sich mit der Kippa auch nach Dresden wagen würde. Er brauchte nicht lange überlegen: "Ich gehe hin, wo es weh tut." Im Sommer will er sich auf den Weg machen.

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