Konzert-Tour:Die Auschwitz-Überlebende, die gegen rechts rappt

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Esther Bejarano, hier 2013 in Dachau, spielte Akkordeon im Mädchenorchester in Auschwitz. Sie überlebte, wanderte nach Israel aus, kehrte aber mit Mann und Kindern nach Deutschland zurück. (Foto: Toni Heigl)

Esther Bejarano ist 91 und mit der "Microphone Mafia" auf Tour: Sie singt, sie liest aus ihrer Biografie, erzählt vom Mädchenorchester in Auschwitz - und warnt vor neuen rechten Tönen.

Von Dirk Wagner, Regensburg

Die wenigen erhaltenen Fotos dokumentieren zu Beginn von Esther Bejaranos Autobiografie "Erinnerungen. Vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Rap-Band gegen rechts" eine glückliche Kindheit. Ihre Jugend verbrachte die Jüdin indes in Konzentrationslagern, wo ihr die Nummer 41948 in den linken Arm geritzt wurde. "Namen waren damit abgeschafft. Wir waren nur noch Nummern", sagt Bejarano, die im Vernichtungslager Auschwitz das Akkordeon im dortigen Mädchenorchester spielte. Als sie dann erkrankte, rettete ausgerechnet der sadistische Arbeitsführer Moll, der andere Frauen von seinen Hunden zerfleischen ließ, ihr Leben.

Erst ließ er sie von der jüdischen Krankenstation, wo niemand geheilt wurde, auf die christliche legen. Dann drohte er der dortigen Ärztin, sie zu erschießen, wenn die Akkordeonspielerin nicht gesund würde. Denn Medikamente gab die Ärztin gewöhnlich nur den Insassen, die sie unter der Hand dafür bezahlten, erzählt Bejarano. Weil ihre Großmutter väterlicherseits Christin war, wurde Bejarano letztlich mit Hilfe des Internationalen Roten Kreuzes als sogenannter Mischling, für den andere Regelungen galten, aus dem Vernichtungslager in ein anderes Konzentrationslager überstellt.

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"Dass die anderen Juden ermordet wurden, schien die wenig zu interessieren", empört sich Bejarano heute noch. Ebenso darüber, dass eine jüdische Gemeinde in der Schweiz ihren Vater als Kantor abgelehnt hatte, weil er eine christliche Mutter hatte. Kurze Zeit später wurden Bejaranos Eltern von den Nazis ermordet. Auch heute würden Menschen aus nichtigen Gründen in den Tod oder zumindest in ihr Verderben zurückgeschickt, das sollte man sich immer bewusst machen, wenn man im Zusammenhang mit der Flüchtlings-Debatte von Obergrenzen spräche.

Mobilisierung gegen neue rechte Töne

Die 91-Jährige geht trotz ihres hohen Alters noch immer in Schulen, um als Zeitzeugin von den Nazi-Verbrechen zu berichten. Die Schüler ermahnt sie dabei: "Ihr seid nicht schuld an dem, was damals geschah. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr über diese schrecklichen Verbrechen nichts wissen wollt."

Bajarano ist auf Tour, sie war zuletzt in Regensburg, bald tritt sie in Rosenheim auf. Dabei liest sie erst aus ihrer Autobiografie, dann singt sie mit der Kölner Rap-Formation Microphone Mafia und ihrem bald 64-jährigen Sohn Joram am Bass jüdische Partisanenlieder und Songs von Brecht und Eisler, Boris Vian oder auch den Höhner. Drei Generationen und drei Religionen vereint dieses Projekt, das seit 2009 mit mittlerweile zwei CDs und über 200 gemeinsame Konzerte nicht nur die Jugend anspricht.

Noch immer amüsiert sich Krümel, wie Bejarano ob ihrer körperlichen Größe auch genannt wurde, geradezu spitzbübisch über den leicht chaotischen, aber stets pointierten Humor, der die Zwiegespräche des italienischen Rappers Signore Rossi und des türkischen Rappers Kutlu Yurtseven prägt . "Irgendwann habe ich begriffen: für Rossi ist alles Folkmusik. U2 ist irische Folkmusik", sagt der Türke zum Beispiel, der es scheinbar noch nicht fassen kann, dass der Italiener das Arbeiterkampflied "Avanti Popolo", das Kutlu Rossis Mama einst singen hörte, auf dessen Frage hin als Folklore abtat. Ganz unrecht hat Rossi damit nicht. Immerhin stammt die Melodie von zwei lombardischen Volksliedern. Zusammen mit Bejarano und ihrem Sohn machen die beiden nun eine Art Hip Hop-Folklore daraus, die auch gegen neue rechte Töne mobilisiert.

"Eine Entnazifizierung hat nach dem zweiten Weltkrieg ja auch nicht stattgefunden. Da wurde den Mördern stattdessen sogar bei der Flucht geholfen, damit sie nicht belangt wurden", schimpft Bejarano.

Esther Bejarano mit der Microphone Mafia Fr., 18. März, Black Box Rosenheim, Rathausstr. 24, 20 Uhr

© SZ vom 07.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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