Vorwahlen in den USA:Florida: Wo die wütenden Republikaner wohnen

Presidential Candidate Marco Rubio Holds Florida Campaign Stops

Gewinnt Trump auch die Vorwahl in Florida - in dem Wechselwählerstaat ist alles möglich.

(Foto: Bloomberg)

Die Vorwahlen in dem Bundesstaat werden über die Zukunft von Trump entscheiden. Wie konnte er zum Massenphänomen werden? Spurensuche bei der Parteibasis.

Von Johannes Kuhn und Beate Wild, Tampa/Sun City Center/Fort Walton Beach, Florida

Alle vier Jahre wird Florida brutal politisch: Im Wechselwählerstaat wurden nicht nur Präsidenten gemacht, sondern sogar Weltgeschichte. Denn wie würde die Welt aussehen, hätte im Jahr 2000 nicht George W. Bush, sondern Al Gore den Staat und damit das Weiße Haus gewonnen?

Vor allem aber ist Florida ein kurioses Stück Zivilisation, ausgerollt über ein Sumpfgebiet. Ständiger Sonnenschein, bunte Hemden und eine Bevölkerung irgendwo zwischen Konföderiertem-Flair im Norden und Strand-Hedonismus im Süden, zwischen christlicher Strenge und Latino-Coolness. Es ist kurz vor den Vorwahlen ein guter Ort, der republikanischen Basis zuzuhören, um eine Frage zu beantworten: Wie konnte die Partei so radikal werden und der Kampf um die Präsidentschaft derart entgleiten?

Sun City Center: Nichts ist mehr wie früher

Wer Sun City Center besucht, glaubt sich auf einer Teststrecke für Golfcarts. Überall auf den Straßen der Kleinstadt kurven braun gebrannte Senioren auf den kleinen Fahrzeugen herum, auf dem Weg zum Einkaufen, ins Restaurant oder zum Frisör. Willkommen in Sun City Center, dem ältesten Rentner-Ort der Welt.

Der Takt des Lebens schlägt hier an der Golfküsten-Mitte Floridas ruhiger, die 19 000 Einwohner pflegen ihre Vorgärten gut und bringen die Tage im Sonnenschein ohne größere Vorkommnisse hinter sich. Der Altersschnitt liegt bei 72 Jahren, was auch daran liegt, dass man hier unter 55 gar nicht herziehen darf. Neben ihrem Ruhestand verbinden die Bewohner vor allem zwei Eigenschaften: Sie sind weiß und erzkonservativ.

In einem Hinterzimmer der örtlichen Handelskammer - ein putzig wirkender Flachbau im Vergleich zum gewaltigen Bestattungszentrum nebenan - hat sich der Klub der Republikaner versammelt. Die Sympathien der meisten Anwesenden gehören Marco Rubio: Der Senator hat den Ort schon mehrmals besucht . Dass nun statt seiner Donald Trump Erfolge feiert, dafür hat die Runde eine einfache Erklärung: Wut. Wut, die die Pensionäre auch selber spüren. "Wir und unsere Kinder haben hart gearbeitet und jetzt wirft uns dieser Mann im Haus zurück und verteilt alles um", sagt die 82-Jährige Eileen Robbins. Obama heißt hier nur "dieser Mann im Haus", "dieser Präsident", oder "der große schwarze Mann mit dem Veto-Stift".

Fehlende Jobs, schwache Außenpolitik, ein dysfunktionales Washington - die Liste der Kritik ist lang und aus konservativer Perspektive durchaus nachvollziehbar. Vor allem aber ist es die gefühlte Umverteilung, die den Senioren manche Stunde ihres Lebensabends eintrübt: Wahlgeschenke, Sozialprogramme oder die Einbürgerung von illegal eingereisten Einwanderern - das alles hat nichts mit den Vereinigten Staaten zu tun, die sie kennen, sagen die Anwesenden. Natürlich würden Migranten aus Mittelamerika viele nützliche Jobs wie Erntehelfer oder Bauarbeiter erledigen, für die sich keine Einheimischen finden: Aber warum kehren sie nicht wie vor 30 Jahren nach der Erdbeerernte nach Hause zurück? Warum wollen sie bleiben, wo sie doch nicht hierher gehören?

In Sun City Center ist das Leben noch so, wie es in den Sechzigern war. Außer, dass jeder der republikanischen Senioren einen Facebook-Account hat. Doch jenseits der Rentnerenklave hat sich das Leben geändert. Fast jeder vierte Einwohner Floridas hat inzwischen hispanische Wurzeln, gerade weiter östlich Richtung Orlando wächst die Zahl ständig. Und die Jungen, nicht nur aus der Latino-Community, wenden sich mehrheitlich den Demokraten zu - sie kennen sich einfach nicht genug aus, lautet die schlichte Erklärung aus der Runde: "Wenn die jungen Leute so schlecht gebildet sind, warum dürfen sie überhaupt wählen?", fragt die 82-Jährige Joyce Sawyer. Und die Vorsitzende Dee Williams, mit 87 die Chefin des Klubs, stimmt ihr freudig zu: "Genau - lasst die Menschen erst einmal bis 30 die Welt kennenlernen."

Die Runde mag Trump zwar nicht besonders - es ist vor allem sein unseriöses Auftreten und die schlechten Manieren, die die Rentner stören. Doch die politischen Fronten vermag dieses Unbehagen nicht verrücken. Sie sind das Ergebnis jahrelanger Ideologisierung: Die Demokraten verhindern Kompromisse und die Republikaner in Washington sind zu weich, um dem Verfassungsbrecher im Weißen Haus das Handwerk zu legen. So sehen es die Rentner von Sun City Center. Sie hoffen auf einen Präsidenten, der das Land wieder vereint. Hinter republikanischen Werten, versteht sich. Könnte das Donald Trump sein? Von den zehn in der Runde schließt nur eine Einzige aus, für den Unternehmer zu stimmen.

Tampa: Wo die politische Mechanik noch funktioniert

Der Nebenraum des Burgergrills ist gut gefüllt: Im wohlhabenden Süden Tampas treffen sich etwa 20 Republikaner aus der Gegend zum monatlichen Klub-Abend. Hier, wo die Business-Kleider teuer und die Lebenswelten urbaner sind, geht es auch darum, dabei zu sein und Status zu gewinnen.

"Die ganze Welt blickt auf uns, das sollten wir nicht vergessen!", sagt April Schiff. Sie ist schon lange im Geschäft und hat als Politikberaterin ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Wie viele Anwesende ist sie zwar streng konservativ aber auch ein bisschen wütend auf die eigene Partei:

Politik ist in Tampa nicht nur eine Frage der Prinzipien, sondern auch des Machbaren: Wer sind die Kandidaten für die Schulaufsichtsbehörde? Was können wir gegen Marihuana-Legalisierung tun? "Wollt ihr vielleicht einen Shop für Drogensüchtige in eurer Nachbarschaft haben?", warnt eine Teilnehmerin ihre Tischnachbarn.

Nach dem Treueschwur unter der Flagge und einem kurzen Gebet zeigt sich schnell, dass die Frauen und wenigen Männer Politik aber auch strategisch sehen: Eine Volksabstimmung über die Legalisierung von Marihuana wäre im November - und wenn dann die Kiffer zur Wahl gehen, erhalten die Demokraten für die Präsidentschaftswahl einen ganzen Schwung von Sympathisanten. So sehen das die Teilnehmer des Klub-Abends.

Die politische Mechanik in den USA funktioniert seit jeher bis zur lokalsten Ebene so, dass nicht nur Prinzipien eine Rolle spielen, sondern auch die strategische Schwächung der anderen Seite. Das Zweiparteiensystem hat Demokraten und Republikaner aneinandergekettet, das Ziehen und Drücken war mal ernst, mal symbolisch, manches Mal auch schlicht sportlich. Ein bisschen von diesem Sportsgeist ist hier in Tampa noch zu spüren, wo die Demokraten noch als Gegner, nicht als Feinde gelten. Hier ist es auch, wo Donald Trump und seine Botschaft am wenigsten verfängt.

In der Ecke sitzt Ron Thatcher und versteht seine Partei nicht mehr. Der Finanzberater trägt einen "Marco Rubio"-Sticker und seufzt: "Moralisch schwierig und planlos" sei Donald Trump, der in dessen Biografie beschriebener Lebensstil sei nicht gesund. "Schwer zu glauben, dass er führt." Doch er sagt auch: "Ich mag ihn zwar persönlich nicht, aber alles ist besser für das Land als Hillary oder Bernie." Egal ob Demokraten nur Gegner oder schon Feinde sind: Ein Republikaner hat keine andere Wahl.

Fort Walton Beach: Hat die Tea Party gewonnen?

Die Sonne scheint, unten am Strand weht ein lauer Wind und doch ist hier im Nordwesten Floridas alles zum Verzweifeln. "Ich habe es satt, dass die Regierung nicht der Verfassung der USA folgt", sagt Marvin Honeycutt. Keiner widerspricht dem Rentner: In einem Büfett-Schnellrestaurant in Fort Walton Beach haben sich nicht Floridas Optimisten, sondern Mitglieder der Panhandle Patriots versammelt

Die Gruppe gehört zum losen Aktivistenverbund der Tea Party. Was Donald Trump nun erntet, hat die Tea Party gesät - mit Hilfe republikanischer Politiker, rechter Medien und einer Unzufriedenheit all jener, die die Wahl Barack Obamas 2008 als Aufforderung zum Aufstand sahen. Die beiden Präsidentschaftskandidaten Ted Cruz und Marco Rubio wären ohne Unterstützung der Tea Party nicht einmal Senatoren geworden.

Gerade Floridas Tea Party, die hier im Nordwesten mit etwa 2000 Mitgliedern ihren Schwerpunkt hat, ist inzwischen unter republikanischen Politikern umworben wie gefürchtet: Ihr eilt der Ruf voraus, Königsmacher und -mörder zu spielen. Die Runde am Tisch ist allerdings weniger furchteinflößend als weiß, christlich, fast durchgehend weißhaarig und pensioniert.

Und sie sieht sich von unsichtbaren Feinden umzingelt. Mit Amerika geht es rasend schnell bergab, ist sich das halbe Dutzend Mitglieder einig, das "Andere" hat das Ruder übernommen. Nicht nur die Anwesendheit illegaler Einwanderer, auch die verbreitete Gottlosigkeit des modernen Amerikas macht den Ruheständlern, die wie viele im Norden Floridas sehr gläubig sind, schwer zu schaffen. Ein wertkonservativer Präsident wie Ted Cruz könnte das ändern und gegen den Unbill und die Verrohung der Sitten vorgehen.

Und auch Donald Trump hat hier einen guten Stand: Der hängt zwar wenig weniger pedantisch an der Verfassung als die Tea Party gerne hätte, weiß aber dafür, seinen Willen durchzusetzen. Der fehlende republikanische Stallgeruch? Für die Panhandle Patriots ein entscheidender Pluspunkt. "Er ist der Einzige, der dem Parteisystem nicht verpflichtet ist. Er ist gut qualifiziert, er ist ein Geschäftsmann, er ist erfolgreich", sagt Bob Rettie.

Zur Wut kommt hier noch ein weiterer Faktor, der in Tampa und Sun City Center nicht so stark war, der aber auch zum Trump-Repertoire gehört: Verachtung. Für Politiker, die gängigen politischen Prozesse und all ihre Resultate, die am Ende doch nur ein Possenspiel sind, hinter dem sich ein kaputtes System der Vorteilnahme verbirgt. In der Kritik an Sozialhilfeprogrammen für Arme und Schwarze liegt ein verhohlenes Gefühl weißer Überlegenheit. Eine Dame warnt zudem, dass der Islam aus "politischer Korrektheit" in Schulbüchern mehr und mehr Platz erhalte.

Die Brachial-Botschaften des extremen rechten Flügels der Republikaner stoßen im Wahlkampf 2016 auch beim Rest der konservativen Wählerschaft auf offene Ohren: Die große Mehrheit erscheint wütend, sauer, verärgert, weil Amerika in ihren Augen nicht mehr die Vorzeigenation von einst ist.

Eigentlich müssten die Aktivisten der Tea Party zufrieden sein, dass ihre Botschaft nun im Land die Runde macht. Doch sie klagen darüber, dass ihre Bewegung ihre besten Tage hinter sich hat. "Die Tea Party ist zu einem Förderverein verkommen", sagt Pete Blome. Politiker würden sich das Siegel holen und alle Prinzipien über Bord werfen, sobald sie im Amt seien - so wie Marco Rubio, seitdem er als Senator in Washington sitzt. Warum also nicht gleich Donald Trump wählen? Für feste Prinzipien ist der Immobilien-Milliardär immerhin nicht bekannt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: