Erdweg:Glück liegt in der Verantwortung

Reinhard Kardinal Marx

Kardinal Reinhard Marx hält den Festgottesdient in der Basilika auf dem Petersberg. "In jedem steckt die Gabe, etwas zu bewegen", sagt er.

(Foto: Lukas Barth)

Teilnehmer aus ganz Bayern kommen zur 50. Landesversammlung der Katholischen Landvolkbewegung auf dem Petersberg.

Von Anna-Sophia Lang, Erdweg

An der Wand im großen Saal der Katholischen Landvolkshochschule am Petersberg hängt ein Banner. "Es bewegt sich was . . . " steht darauf. Nach Bewegung sehen die Menschen im Saal nicht gerade aus. Kein Wunder: Sie haben an diesem Nachmittag schon gewählt, über Satzungsänderungen diskutiert und eine Unmenge Berichte gehört. Aus ganz Bayern sind sie nach Erdweg gekommen zur 50. Landesversammlung der Katholischen Landvolkbewegung (KLB). Es ist Alois Glück, der sie wachrüttelt. Eine Spezialität des CSU-Politikers und ehemaligen Landtagspräsidenten. Am nächsten Tag wird Anneliese Bayer, die im Beirat des Dachauer KLB-Kreisverbandes sitzt, sagen: "Er nimmt kein Blatt vor den Mund."

Glück, der, wie er sagt, auch durch seine jahrelange Mitgliedschaft in der Jugendorganisation der KLB zu dem geworden ist, der er ist, scheut sich nicht, Konflikte anzusprechen und unpopuläre Positionen zu vertreten. Selbst wenn er damit Schwächen der Kirche oder der eigenen Partei offen legt. Das tut er auch an diesem Abend, und gibt damit ganz ungeplant den roten Faden für das Wochenende vor: Mit seiner Rede über Verantwortung.

"Unsere Art zu leben ist nicht zukunftsfähig"

"Wir müssen mehr Zukunftsverantwortung übernehmen", sagt er und meint damit nicht nur Verantwortung für die nächsten Generationen, sondern auch für Menschen in weniger privilegierten Regionen. "Unsere Art zu leben ist nicht zukunftsfähig", sagt er. Handeln dürfe man deshalb nicht nur nach dem Maßstab "was gut für uns ist, sondern auch für andere".

Die Welt, sagt Glück, befinde sich in einer Zeit epochaler Veränderungen, die Kirche und Gesellschaft gleichermaßen treffen. Jetzt sei die Zeit, Undenkbares denkbar zu machen. Wirklich Neues habe oft mit Außenseitern begonnen, sagt Glück, und verweist als jahrzehntelanger CSU-Landtagsabgeordneter ausgerechnet auf das Beispiel der Grünen-Partei. "Engagierte Minderheiten prägen die Entwicklung", sagt Glück. In der Minderheit sind die Katholiken in Europa nicht gerade. Trotzdem müssen sie um ihre Stellung kämpfen. Die Kirche müsse sich fragen, wie sie sich den Menschen von heute verständlich machen könne, um weiter eine Rolle in deren Leben zu spielen. "Wir müssen vom Machtanspruch zum Dienstverständnis kommen." Gerade in Zeiten des Wandels sei es wichtig, Werte zu vermitteln. Man könne die Menschen aber nur erreichen, wenn man ihnen Inhalte bietet, die wichtig für ihr Leben sind. "Mit Wertappellen allein verändern wir gar nichts", sagt Glück, "in gut und böse zu sortieren, bringt nur Polarisierung und Entmutigung."

Glück warnt vor dramatischen Untertönen in der Flüchtlingsdiskussion

Glück meint dabei auch den Umgang mit Flüchtlingen. Artikel 1 des Grundgesetzes, in dem steht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, entspreche im Prinzip dem obersten christlichen Maßstab. "Dieser Satz darf nicht zur Disposition stehen." Er müsse für jeden gelten, ungeachtet der Rasse, Herkunft, Leistungsfähigkeit oder der Frage, ob ein Flüchtling in Deutschland bleiben darf oder nicht. Glück warnt vor "dramatischen Untertönen" in Deutschland. "Wir müssen wachsam sein."

Auch Kardinal Reinhard Marx, der den Festgottesdienst in der Basilika auf dem Petersberg hält, stellt die Fähigkeit, etwas zu verändern, in den Mittelpunkt seiner kurzen Predigt. Der letzte Begriff im Namen der Katholischen Landvolkbewegung sei der wichtigste. "In jedem steckt die Gabe, etwas zu bewegen." Später am Abend, als er vor dem Essen ein Grußwort spricht, nimmt er Bezug auf die globale Verantwortung der Europäer. An diesem Abend erneuert die KLB ihren Partnerschaftsvertrag mit der Landvolkbewegung in Senegal. Sie besteht seit vielen Jahren und soll neu belebt werden. Viele Flüchtlinge, die in den vergangenen Monaten in Deutschland Schutz gesucht haben, kommen aus dem überwiegend muslimisch geprägten Senegal. Durch die landwirtschaftliche Zusammenarbeit trage die KLB ihren Teil dazu bei, dass die Menschen in ihren Heimatländern bleiben können, sagt Marx. "Das globale Miteinander ist außerordentlich wichtig. Dazu leistet die Partnerschaft einen Beitrag."

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