Ebersberg:Ringen ums Niveau

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Vorsitzende des Ebersberger Kunstvereins wollen Mitgliederausstellung extern begleiten lassen. An der Basis stößt dieser Vorschlag allerdings auf geteilte Meinungen

Von Anja Blum, Ebersberg

Das Team des Ebersberger Kunstvereins ist - nach dem Rücktritt seiner Vorsitzenden Karin Dohrmann wegen Unstimmigkeiten im vergangenen Herbst - wieder komplett. Ihn zu führen allerdings ist nach wie vor eine nicht ganz einfache Angelegenheit, wie eine Versammlung am Montagabend zeigte. Eine erste Schwierigkeit dabei ist das mäßige Interesse: Lediglich zehn Prozent der etwa 250 Mitglieder waren gekommen. "Meine 26 Helden" nannte der bisherige Vize und nun neue Vorsitzende Andreas Mitterer die Anwesenden im "Studio an der Rampe". Ob eine so geringe Anzahl den Verein jedoch zu repräsentieren vermag, ist durchaus fraglich.

Vielleicht aber doch - denn klar wurde an dem Abend auch, dass selbst in einer so vergleichsweise kleinen Gruppe alles andere als Einigkeit herrscht: Die Mitglieder diskutierten lange und höchst kontrovers, und zwar über einen Vorschlag des Vorstands, die Mitgliederausstellung in ein neues Procedere einzubetten. Geplant ist, ihre Entstehung von einer Kunsthistorikerin konzeptionell begleiten zu lassen.

Die Mitgliederausstellung, eine traditionelle, jährliche Schau, ist laut Mitterer "die Visitenkarte" des Vereins, schließlich soll sie einen Querschnitt durch das Schaffen seiner Mitglieder zeigen. Deshalb ist sie unjuriert: Jedes Mitglied kann ein Werk seiner Wahl einreichen, das dann auch gezeigt wird. Unter einem Motto steht die Schau nur alle zwei Jahre, von ihrem Recht, Themaverfehlungen abzulehnen, machen die jeweiligen Hängekommissionen allerdings in der Praxis keinen Gebrauch - auch wenn die inhaltlichen Vorgaben immer wieder ignoriert würden, wie es am Montag hieß.

Im "Studio an der Rampe" über dem Klosterbauhof wird am Montagabend bei der Mitgliederversammlung des Ebersberger Kunstvereins lebhaft debattiert. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

So liegt es wohl in der Natur der Sache, dass die Mitgliederausstellungen oft an Konzeptlosigkeit leiden. Einen "Krautverhau" nannte Mitterer ihr Erscheinungsbild. Und nicht nur das: Auch ihr Niveau entspricht nicht den Vorstellungen, die viele Aktive im Kunstverein hegen. Das wiederum liege daran, dass viele etablierte Künstler die unjurierte Mitgliederausstellung mieden, hieß es, weil sie sich lieber an renommierteren Schauen beteiligten. "Die Profis winken da ab." Und so wurde die Mitgliederausstellung zum "Schmuddelkind" des Vereins - ein Trend, gegen den sich Vorstand und Beirat nun stemmen wollen.

Die Idee: Ein externer Experte, in diesem Fall die Münchner Kunsthistorikerin Tinatin Ghughunishvili-Brück, soll gemeinsam mit allen Aktiven eine themenbezogene Mitgliederausstellung realisieren - ohne dass die Schau dabei ihren offenen Charakter einbüßt. Ziel ist laut Ghughunishvili-Brück eine "aktive, konstruktive Interaktion" unter den Mitgliedern, ein interdisziplinärer Diskurs. "Wir wollen nicht nur einzelne Kunstwerke ausstellen, sondern die Ausstellung selbst zu einem Gesamtkunstwerk und zu einem Erfahrungsort machen", schreibt sie in ihrem Konzept - eine Erneuerung, die das überregionale Renommee des Vereins steigern und somit auch zum Erfolg einzelner Künstler beitragen könne.

Die neue Spitze des Ebersberger Kunstvereins: der Vorsitzende Andreas Mitterer und seine Stellvertreterin Geraldine Frisch. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

In einem ersten Schritt würde die "Gastkuratorin" alle Mitglieder anschreiben und zur Teilnahme einladen. Damit verbunden wären zwei Themenvorschläge, über die dann alle Interessierten abstimmen könnten. Ghughunishvili-Brück nennt hier einmal einen Essay von Susan Sontag aus dem Jahr 1964, in dem es um die Befreiung der Kunst vom Interpretationszwang gehe. Daraus lasse sich die kontroverse Fragestellung "Gegen Interpretation?" ableiten, die die Mitglieder diskutieren und künstlerisch bearbeiten könnten. Das zweite Thema, das die Kunsthistorikerin vorschlägt, lautet "Rituale" - ein etwas konkreterer Ansatz, der aufgrund einer Flut an Assoziationen in der Umsetzung jedoch etwas anspruchsvoller sei.

Nach einer Abstimmung über die beiden Vorschläge würde Ghughunishvili-Brück die Einreichung begleiten. Jedes Mitglied dürfte bis zu drei Werke, die es "als themenrelevant erachtet", vorschlagen, bedeutet: Fotografien derselben mit genauen Angaben zu Medium, Maßen, Entstehungsjahr und Titel an die Gastkuratorin zu senden. Diese tritt dann mit dem Künstler in einen Dialog - und trifft letztlich die Auswahl. Unter dem Strich könnte also nach wie vor jedes Mitglied eine Arbeit einreichen, es würde, wie es am Montagabend hieß, "nicht aussortiert, sondern nur ein bisschen gelenkt". Kostenpunkt für das Projekt: etwa 600 Euro.

Bei den Teilnehmern der Versammlung am Montagabend löste dieses Konzept allerdings reichlich kontroverse Reaktionen aus. Viele sahen es positiv, es war die Rede von einem "interessanten Experiment", von einer Bereicherung, einem sinnvollen Angebot und einer "Investition in die Mitglieder". Doch es wurde auch deutliche Kritik geäußert: Ein solches Procedere gehe in Richtung Jurierung, "das sollten wir den Mitgliedern auf keinen Fall antun", sagte einer und prophezeite, dass diesen "Service" sicher nur wenige annehmen würden. Auch die Wahl der externen Beraterin wurde in Zweifel gezogen: "Wir sind Künstler, sie ist eine reine Theoretikerin - ich glaube, wir würden ungeheuer streiten." Oder anders, noch bissiger: "Vielleicht wäre ein Psychiater dafür besser geeignet?" Und auch das Vorgehen der Vorsitzenden kritisierten mehrere Künstler: Man hätte sich gewünscht, das Konzept wäre bereits vor dem Treffen an alle Mitglieder verschickt worden, hieß es, auch eine Teilnahme der Kunsthistorikerin vermisste mancher. "Ich hätte ihr jetzt gerne ein paar Fragen gestellt." Mitterer rechtfertigte die Entscheidung, sie nicht eingeladen zu haben, damit, dass man das Thema erst einmal völlig offen zur Diskussion habe stellen wollen. Trotzdem äußerte der ein oder andere das Gefühl, "überfahren" worden zu sein. Fazit: Für die diesjährige Mitgliederausstellung, die Ende August stattfindet, sei das alles viel zu kurzfristig.

Im Protokoll festgehalten wurde schließlich, dass der Kunstverein erstens die Idee befürworte, zweitens die Diskussion fortsetzen wolle, unter anderem bei einer Präsentation des Konzepts durch seine Urheberin, und drittens eine Umsetzung für 2017 anstrebe.

Um einiges weniger spektakulär als diese Diskussion verliefen die Wahlen: Aus dem bisherigen Vize Andreas Mitterer, Künstler und Grafiker aus Ebersberg, wurde Vorsitzender, zu seiner Stellvertreterin wählten die Mitglieder Geraldine Frisch, Architektin aus Isen, die in den Bereichen Foto und Malerei künstlerisch tätig ist. Kassier Wout Wolters und Schriftführer Heiko Pulcher blieben in ihren Ämtern. Zum achtköpfigen Beirat stieß der Grafinger Künstler Franz Wörle hinzu.

© SZ vom 16.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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