Hasskommentare:Warum Hetze im Netz so oft folgenlos bleibt

Heiko Maas

Bundesjustizminister Heiko Maas will das "Gewaltmonopol des Staates" durchsetzen - auch im Netz.

(Foto: dpa)
  • Die Justizminister beraten, wie sich Hasskommentare im Netz wirksamer bekämpfen lassen.
  • Für Politikerinnen und Politiker sind Beleididungen und Bedrohungen Alltag.
  • Viele Anzeigen bleiben folgenlos, weil Facebook keinen Rechtsbeistand leisten will und Ermittler oft nicht hartnäckig genug vorgehen.

Von Lena Kampf und Klaus Ott

Wenn die Justizminister der Länder am Donnerstag zur Besprechung ins Bundesjustizministerium kommen, wird es dort um die viel beschworene Härte des Rechtsstaats gehen. Alle politisch Verantwortlichen seien gefordert, das "Gewaltmonopol des Staates durchzusetzen", schreibt Bundesminister Heiko Maas in der Einladung. Es sei "Aufgabe der Justiz, Hass und Extremismus wirksam entgegen zu treten".

Selbst Juristen räumen ein, dass viele übers Internet begangene Taten weitestgehend straflos bleiben - auch wegen einer gewissen Laxheit der Ermittlungsbehörden. Die Bundesregierung will nun eine entschiedenere Verfolgung von Hassdelikten im Netz erreichen. Wenn sich erst einmal der Eindruck festsetze, dass man sich im Netz unbehelligt austoben dürfe, würde das Phänomen schnell noch größere Ausmaße annehmen, so die Vermutung.

Zahlen darüber, wie viele übers Internet begangene Beleidigungen oder Bedrohungen, Volksverhetzung oder rassistische Parolen angezeigt, verfolgt und aufgeklärt werden, gibt es bisher nicht. Zwar führt das Bundesamt für Justiz eine Statistik zu rechtsextremen Straftaten, doch würde diese mit erheblicher Zeitverzögerung erstellt, kritisieren Oppositionspolitiker.

Claudia Roth "könnte jeden Tag eine Anzeige machen"

Spricht man mit Bundestagsabgeordneten in Berlin über das, was ihnen tagtäglich an Ablehnung auf ihre Facebook-Seiten und in ihre E-Mail-Postfächer gespült wird, ziehen einige dicke Ordner mit Anzeigen aus ihren Regalen.

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) zum Beispiel meldet jede Woche drei oder vier Vorgänge der Berliner Staatsanwaltschaft. "Eigentlich könnte ich jeden Tag eine Anzeige machen", sagt sie. Als "widerliche Made" wird sie in E-Mails bezeichnet, und dass man "sie standrechtlich erschießen, oder besser aufhängen sollte". "Seit den Vorfällen in der Kölner Silvesternacht ist der Hass im Netz noch einmal eskaliert", sagt Roth.

Die meisten ihrer Anzeigen laufen ins Leere. Dutzende knapper Einstellungsverfügungen hat Roth in dem Ordner gesammelt, die Täter seien "nicht ermittelbar", heißt es in vielen Antworten der Staatsanwaltschaft Berlin. Bei Facebook oder Twitter bestehe "keine Bereitschaft, entsprechende Ermittlungen durchzuführen". Rechtshilfeersuchen hätten bei den Konzernen in Kalifornien erfahrungsgemäß keinen Erfolg, heißt es da. Und selbst bei einem Nutzer mit Klarnamen sei der "tatsächliche Verfasser" laut Staatsanwaltschaft Berlin nicht zu ermitteln - obwohl der Mann auf seiner Seite sogar seinen Wohnort angibt.

Nicht alle Hasskommentare sind strafbar

In einigen Äußerungen sehen die Ermittler keine Straftat: "Wenn die Tötung eines Menschen straffrei wäre, gäbe es nur eine Person, welche ich mit Vergnügen ins Jenseits befördern würde" sei "an der Grenze der strafrechtlichen Relevanz". Die Äußerung "die ganze Politikerkaste kannste gegen die Mauer stellen und einfach nur schießen" sei "Ausdruck einer persönlichen Frustration", sie lasse "ernst gemeintes Vorbringen vermissen".

Eine Anzeige wurde eingestellt, weil der Beschuldigte B. zwar ermittelt werden konnte, die Polizei vor Ort jedoch angab, "dass eine derartige Ausdrucksweise für Herrn B. sehr untypisch und charakterfremd sei. Herr B. sei ein angesehenes Gemeindemitglied und Führungskraft in einer großen Firma". Es bestünde kein hinreichender Tatverdacht, dass B. die Mail geschrieben habe, obwohl diese von einer auf seinen Namen lautenden E-Mail-Adresse verschickt wurde. Auf Nachfrage der SZ wollte die Anklagebehörde keine weitere Stellungnahme abgeben.

Die Täter müssen ihren Computer abgeben - das tut mehr weh als eine Geldstrafe

Firmen wie Facebook fürchten eine Flut von Anfragen zur Übermittlung von Nutzerdaten durch Strafverfolgungsbehörden weltweit. Erfahrungen der Staatsanwaltschaft München zeigen allerdings, dass so eine Anfrage oft gar nicht nötig ist, um Nutzer ausfindig zu machen.

Findet sich bei der Suche im sozialen Netz selbst bei anonym auftretenden Personen nicht auch einmal ein Klarname oder ein Foto? In München werden diese dann mit den Passbildern aus dem Einwohnermeldeamt verglichen. Das führe oft zum Erfolg, sagt Thomas Steinkraus-Koch, der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die Konsequenz seien Durchsuchungen und oftmals die Einziehung von Tatwerkzeugen wie Computern oder Smartphones. "Das tut oft mehr weh als eine Geldstrafe. Da wollen wir ein deutliches Signal setzen", sagt er.

Selten bekommt auch Claudia Roth Nachrichten über erfolgreiche Ermittlungen. Ein Hetzer, der einen Strafbefehl erhielt, schrieb der Staatsanwaltschaft Berlin, er sei "sichtlich geknickt". Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass Frau Roth diese Mail "ernst und sich die Sache so zu Herzen nimmt". Ein anderer hingegen schrieb nach einem Strafbefehl gleich fünf weitere Drohmails. "Börek Tussie, jetzt hast du einen Feind", stand darin und dass er es sich "tausendfach" zurückholen werde. Von einer erneuten Anzeige hat die Politikerin abgesehen.

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