Flüchtlingskrise:EU erwartet Einigung mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage

Flüchtlingskrise: Der türkische Premier Ahmet Davutoğlu beim Handshake mit EU-Ratspräsident Donald Tusk, umrahmt von François Hollande und Angela Merkel.

Der türkische Premier Ahmet Davutoğlu beim Handshake mit EU-Ratspräsident Donald Tusk, umrahmt von François Hollande und Angela Merkel.

(Foto: AP)
  • Beim Gipfeltreffen in Brüssel will die EU eine Einigung mit der Türkei erzielen, um die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen.
  • EU-Vertreter äußerten sich im Vorfeld zuversichtlich.
  • Doch einfach wird es nicht - Massenabschiebungen aus der EU würden gegen geltendes Recht verstoßen.
  • Am Abend wollen sich die Staats- und Regierungschefs der EU zunächst auf eine gemeinsame Linie verständigen. Am Freitag verhandeln sie mit dem türkischen Regierungschef Davutoğlu.

Von Daniel Brössler und Thomas Kirchner, Brüssel

Begleitet von Skepsis haben die entscheidenden Verhandlungen der Europäischen Union über ein historisches Abkommen mit der Türkei zur Entschärfung der Flüchtlingskrise begonnen. "Nur wenn wir alle koordiniert zusammenarbeiten und Ruhe bewahren, werden wir erfolgreich sein", warnte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Donnerstag. Die Staats- und Regierungschefs wollten beim EU-Gipfel am Abend zunächst eine gemeinsame Linie festlegen, um am Freitag mit dem türkischen Premier Ahmet Davutoğlu ein Abkommen besiegeln zu können.

"Ich bin vorsichtig optimistisch, aber offen gesagt mehr vorsichtig als optimistisch", sagte Tusk. Dieser Einschätzung schloss sich Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem Gespräch mit dem französischen Präsidenten François Hollande und dem griechischen Premierminister Alexis Tsipras ausdrücklich an. "Ich glaube, dass es in der Möglichkeit liegt, dass wir eine gemeinsame Position finden", sagte Merkel. Sie erwarte komplizierte Verhandlungen.

Auf dem Tisch lag das Angebot der Türkei, den Flüchtlingsstrom über die Ägäis zu stoppen. Zentraler Teil des Geschäftes wäre die Rücknahme aller neu aus der Türkei auf den griechischen Inseln ankommenden Flüchtlinge. Für jeden zurückgeschickten Syrer müsste die EU einen syrischen Flüchtling aus der Türkei auf legalem Wege aufnehmen. Mittelfristig sollen überdies Hunderttausende Flüchtlinge aus der Türkei in die EU ausgeflogen werden.

Die Türkei verlangt als Gegenleistung die Aussicht auf eine Visa-Liberalisierung von Juli an, die Eröffnung fünf neuer Kapitel in den Beitrittsverhandlungen mit der EU sowie die Verdoppelung der EU-Finanzhilfe für Flüchtlinge in der Türkei auf sechs Milliarden Euro im Jahr 2018.

Im Mittelpunkt stand am Donnerstag die Frage, ob der Deal überhaupt rechtlich haltbar ist. Eine Massenabschiebung von Flüchtlingen wäre weder mit internationalem noch mit EU-Recht vereinbar. Das internationale Recht und die Genfer Flüchtlingskonvention würden berücksichtigt, versicherte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Jeder Asylantrag werde individuell geprüft.

Tsipras fordert Hilfe

Aus einer Stellungnahme der EU-Kommission geht allerdings hervor, dass nach der Prüfung so gut wie alle Migranten zurück in die Türkei geschickt werden sollen. Möglich würde dies, wenn Griechenland die Türkei als "sicheren Drittstaat" anerkennt.

Kompliziert wurden die Verhandlungen durch die Verknüpfung mit den Beitrittsverhandlungen und dadurch mit dem Zypern-Konflikt. Die von der Türkei nicht anerkannte Regierung in Nikosia hatte die Beitrittsverhandlungen in der Vergangenheit immer wieder verzögert. "Es gibt Hindernisse", sagte Zyperns Präsident Nicos Anastasiades. Er hoffe aber auf einen Kompromiss. Die Verhandlungen zur Wiedervereinigung der in einen griechischen und türkischen Teil geteilten Insel gelten derzeit als Erfolg versprechend.

Griechenlands Premier Tsipras verlangte Hilfe, um der Lage im Grenzort Idomeni Herr zu werden. Die Sperrung der Balkanroute habe dort eine humanitäre Krise ausgelöst.

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