Bezahlkultur:So geben Sie das richtige Trinkgeld

Bezahlkultur: Illustration: Stefan Dimitrov

Illustration: Stefan Dimitrov

Trinkgeld ist einerseits selbstverständlich - andererseits immer Streitpunkt: Wie viel gibt man denn nun? Und kriegt der Friseur auch etwas?

Von Nora Kolhoff

Man kennt es aus Kneipen und Cafés, Friseursalons oder dem Taxi: Trinkgeld gehört fest zur Bezahlkultur in Deutschland. Im Restaurant sind zehn Prozent angemessen, bei Friseuren etwa fünf Prozent, sagt Vera Reich, die regelmäßig Knigge-Kurse gibt. In anderen Bereichen ist die Norm nicht so eindeutig. Generell sei Trinkgeld aber sowohl eine Motivation als auch eine Anerkennung und damit fast immer richtig, sagt Reich.

Dennoch, Trinkgeldgeben kann manchmal gönnerhaft wirken: Der eine gibt, der andere nimmt. Tatsächlich war es lange Zeit ein Symbol des Status. Die ersten Vorläufer gab es bereits in der Antike. Wirklich populär wurde es allerdings erst mit der Entwicklung der Dienstleistungsgesellschaft im 19. Jahrhundert, sagt Winfried Speitkamp, der ein Buch zu dem Thema geschrieben hat. Bürgerliche gaben den niedrigeren Klassen ein paar zusätzliche Groschen.

"Viele haben damals hauptsächlich vom Trinkgeld gelebt", sagt Speitkamp. Diese Abhängigkeit gefiel aber selbst den bürgerlichen Leuten nicht. Sie wollten das Trinkgeld um 1900 abschaffen, weil sie darin eine Art Prostitution sahen. Nach dem Motto: Guter Service nur gegen gutes Geld.

Dankeschön für eine gute Serviceleistung

Auch Gewerkschaften wehrten sich gegen die gängige Zahlmethode. Sie wollten lieber feste Einkommen durchsetzen, statt auf das Wohlwollen anderer angewiesen zu sein. Viele Bedienstete hingegen sahen es trotz unsicherer Arbeitslage als beste Möglichkeit, schnell an relativ viel Geld zu kommen.

Die Funktion des Trinkgelds hat sich über die Jahre gewandelt. Es ist heute ein Dankeschön für eine angenehme Serviceleistung. Trinkgeld darf vom Arbeitgeber nicht in den Lohn einberechnet werden. Rechtlich gesehen ist es eine freiwillige Zusatzleistung.

Nur fünf Prozent der Deutschen geben nie Trinkgeld, zeigt eine Studie der Marktforschungsplattform Mingle von 2014. Für Knigge-Trainerin Reich ist die Verweigerung von Trinkgeld im Restaurant ein klares Zeichen: Der Kunde ist mit dem Service unzufrieden. Sie plädiert dafür, zumindest kleinere Beiträge zu geben, als Ansporn, es das nächste Mal besser zu machen.

Schokolade zur Rechnung: Mehr Trinkgeld

Eine schöne Geste sei auch, einem Paketboten nach dem Schleppen ein kühles Getränk anzubieten. Für die eleganteste Lösung hält sie es, den Betrag direkt passend zu geben. Also das klassische: "Stimmt so!". Auf keinen Fall solle man das Trinkgeld unauffällig in die Hand des Kellners drücken.

Wie man Trinkgeld mit kleinen Tricks steigert, zeigen Psychologen der niederländischen Universität Nijmegen. Sie fanden heraus, dass Kellner fast doppelt so viel Trinkgeld wie Kollegen bekamen, wenn sie die Bestellung ihrer Kunden wörtlich wiederholten. Auch wer Kunden ein Stück Schokolade zur Rechnung legt, erhält mehr, erforschte der Psychologe David Strohmetz von der US-Universität Monmouth. Wer etwas geschenkt bekommt, will auch etwas zurückgeben, so die Logik.

Und wer Trinkgeld geschenkt bekommt, darf es auch behalten. Trotzdem komme es immer wieder vor, dass Arbeitgeber es rechtswidrig einkassieren, heißt es von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Eine Toilettenfrau in Oberhausen hatte gegen ihren Chef geklagt, weil sie das Trinkgeld abgeben musste. Sie bekam einen Teil des Gelds zurück.

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