Lippenstift wird 125:Zum Küssen schön

Rote Lippen soll man Küssen, denn zum Küssen sind sie da! Leider sind rote Lippen meist kein Werk der Natur, sondern das des Lippenstifts. Und das schon seit 125 Jahren.

Dass blutrote Lippen nicht überall und jederzeit die richtige Make-up-Wahl sind, musste Schockrocker Marilyn Manson vor den verschlossenen Toren des Kölner Doms erfahren. "Wahrscheinlich, weil ich Lippenstift draufhatte", versuchte der Sänger mit Hang zur Grusel-Schminke im vergangenen Sommer die Zugangssperre zu erklären.

lipstick, ddp

Kaum zu glauben, dass der Lippenstift schon 125 Jahre auf dem Buckel hat.

(Foto: Foto: ddp)

Für seine Ex-Gattin, Striptease-Künstlerin Dita von Teese, und Frauen weltweit kann ein perfekt geschminkter Mund hingegen eine unübersehbare Visitenkarte sein. Auf die mag kaum eine deutsche Frau verzichten: 87 Prozent aller Frauen verwenden laut dem VKE-Kosmetikverband den hierzulande meistverkauften Make-up-Artikel. Und der wird in diesem Jahr 125 Jahre alt.

Als Geburtsstunde des modernen Lippenstifts gilt das Jahr 1883. Auf der am 1. Mai eröffneten Weltausstellung in Amsterdam hatten Pariser Parfümeure eine neuartige Lippenfarbe vorgestellt. Die Geschichte des Lippenrots zeichnet nun eine Ausstellung im Edelkaufhaus Galeries Lafayette Berlin nach.

Während die legendäre Schauspielerin Sarah Bernhardt das Produkt 1883 als "Stylo d'Amour" ("Liebesstift") anpries, sprachen Zeitgenossen angesichts der damals noch in Papier gewickelten Farbrolle lieber wenig verlockend vom "Würstchen". In Wahrheit reicht die Geschichte ders Lippenfarbe allerdings viele Jahrtausende zurück und spiegelte stets auch den Umgang der Obrigkeiten mit Sinnesfreuden und der Stellung der Frau wider.

Während die altägyptische Herrscherin Nofretete um 1340 vor Christus ihre sagenhafte Schönheit auch ihrem makellosen Make-up verdankt haben dürfte, galten rot geschminkte Lippen in den Jahrhunderten vor der Zeitenwende in Griechenland als Erkennungszeichen für Halbweltdamen. Die englische Regentin Elisabeth I. wiederum zelebrierte mit einem extremen Make-up ihren Status als makellose Jungfrau. Ihre Nachfahrin Victoria hingegen lehnte 300 Jahre später im puritanischen England gefärbte Lippen als zu verrucht ab.

Spätestens ab den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde der Lippenstift dank Stummfilmstars und Kosmetikkonzernen endgültig salonfähig. Heute benutzen laut dem VKE-Kosmetikverband 16 Millionen deutsche Frauen zwischen 14 und 64 Jahren täglich Lippenstift. Die beliebteste Farbe ist laut VKE-Geschäftsführer Martin Ruppmann ein knalliges Rot, auf Platz zwei liegen farblose beziehungsweise durchsichtige Lippenstifte. Danach wählen Frauen am häufigsten Braun-oder Beigetöne.

Bei der Lieblingsfarbe der deutschen Frauen rät der Visagist Boris Entrup jedoch zur Vorsicht. "Wer den Fokus auf den Mund legt, sollte wissen, dass die Zähne schön weiß sein sollten", sagte der Make-up-Artist, den wir aus Heidi Klums Castingshow "Germany's Next Topmodel" kennen, anlässlich des Jubiläums des Lippenstifts. Bei schmalen Lippen sollten Frauen ebenfalls lieber auf intensive Farben verzichten.

Im Allgemeinen plädiert der 29-Jährige jedoch dringend für mehr Mut beim Griff zum Lippenstift. Eine Lieblingsfarbe für jeden Tag und jede Gelegenheit ist ihm ein Graus. "Frauen, die immer denselben Lippenstift nehmen, machen sich keine Gedanken darüber, welcher Lippenstift zum Beispiel zum eigenen Hauttyp passt, zum Outfit oder was gerade Trend ist", sagte Entrup.

Marilyn Mansons Vorliebe für Make-up sieht der Visagist dennoch nicht als Vorbild für Männer im Allgemeinen. Dass in 50 Jahren Männer ganz selbstverständliche Lippenstift auftragen, hält Entrup weder für erstrebenswert noch für wahrscheinlich: "Rote Lippen sind Attribute, die zu einer Frau gehören."

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