Impulsgeber:Wenn der Kunde dem Konzern hilft

Impulsgeber: Thomas Dapp entwickelt Ideen, wie man als traditioneller Konzern digitaler wird - so, wie es Fintechs vormachen.

Thomas Dapp entwickelt Ideen, wie man als traditioneller Konzern digitaler wird - so, wie es Fintechs vormachen.

(Foto: Mario Andreya/PR)

Thomas Dapp glaubt: Die Deutsche Bank sollte mithilfe der Daten Angebote entwickeln.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Komplizierte Zusammenhänge in einfachen Worten verständlich zu machen, lag dem 2012 verstorbenen Norbert Walter. Er war Chef der Denkfabrik DB Research, die in der Deutschen Bank einen Sonderstatus genießt. Walter war zeitweise der prominenteste Konzernmitarbeiter neben den jeweiligen Vorstandschefs; kaum eine Wirtschaftssendung im Fernsehen kam ohne den eloquenten Bartträger aus.

Sein Nachfolger Thomas Mayer provozierte in der Eurokrise mit dem Vorschlag, Parallelwährungen einzuführen - auch im eigenen Haus. Und der jetzige Research-Chef David Folkerts-Landau äußert sich gern mit deutlichen Thesen zu Wort, etwa zur Flüchtlingspolitik: "Eine einmalige Chance für Deutschland."

Unterhalb der Chefebene ist es inzwischen vor allem das große Thema Digitalisierung, das die DB-Research-Denker umtreibt. Allen voran gilt das für Thomas Dapp. Der Volkswirt, ein jungenhafter Typ mit Meckifrisur, verschmitztem Lächeln und badischem Zungenschlag, hat sich zu einer konzerneigenen Instanz in Sachen Fintech entwickelt; nichts beschäftigt ihn derzeit mehr als die jungen Finanz-Firmen, die neue Ideen entwickeln und sich damit ins Geschäft traditioneller Banken einmischen. Zwar kooperieren fast alle Banken und Sparkassen inzwischen mit Fintechs oder verfolgen eigene Digital-Projekte: im Zahlungsverkehr, bei der Kontoführung oder der Geldanlage. Das aber reicht nicht, meint Dapp. "Viele Entscheidungsträger unterschätzen immer noch die ökonomische Kraft des Internets." Fintech sei kein vorrübergehender Zeitgeist-Hype, auch wenn viele Start-ups scheitern sollten. Schlössen sich zum Beispiel Anbieter mit erfolgreichen Geschäftsmodellen zusammen oder stiegen Konzerne wie Google und Facebook, die Dapp "digitale Ökosysteme" nennt, mit Wucht ins Bankgeschäft ein, könnte es rasch ungemütlich werden.

Die Gefahr sei real, denn: "Viele Unternehmensgründer sind ehemalige Banker oder haben Banken beraten und kennen die Schwachstellen der traditionellen Institute ganz genau." Auch die Deutsche Bank tut sich mit den kleinen Konkurrenten schwer. Dapps erste große Fintech-Studie ("Die digitale (R)evolution im Finanzsektor") von 2014 fand intern kaum Gehör. Dafür interessierten sich andere für den Report: Deutsche-Bank-Konkurrenten, Hochschulen, Bundesministerien, die EU-Kommission. Seit der Publikation führt er Gespräche zum Thema, hält Vorträge und veranstaltet Workshops. "Normalerweise schreibt man eine Studie, lässt sie ein paar Monate wirken, arbeitet parallel an neuen Themen und veröffentlicht irgendwann. Das war dieses Mal anders. Die Resonanz war und ist extrem groß."

Inzwischen ist der gelernte Bankkaufmann, der seit 1999 mit Unterbrechungen im Deutsche-Bank-Konzern arbeitet, auch im Haus ein gefragter Experte. Vor allem seine Folgestudie hinterlässt Spuren in zahlreichen internen Projekten. "Die ungezähmte Macht" dreht sich um Big Data und die Frage, wie Banken den Schatz an Kundendaten nutzen. Dapp sieht im Datenthema ein großes Risiko. Einerseits. Datenschutz werde von vielen in der Wirtschaft nicht ernst genug genommen. Er selbst ist vorsichtig bei der Preisgabe sensibler Informationen: Sein genaues Alter verschweigt er und veröffentlicht kaum private Informationen. "Wir haben die Hoheit über unsere Daten längst verloren." Andererseits böten die Daten der Banken, seriös ausgewertet, gewaltige Geschäftschancen. Schließlich wissen Banken über den Zahlungsverkehr sehr viel über ihre Kunden - und mehr, als zum Beispiel Einzelhändler oder Internetkonzerne, die mithilfe von Treuekarten oder Spuren im Netz Daten sammeln müssen. Doch was nützt es, wenn die Informationen nutzlos auf den Servern in den Rechenzentren der Banken liegen? Warum nicht einen Kunden darauf aufmerksam machen, dass er zu viel für die Haftpflichtversicherung zahlt, jedenfalls deutlich mehr als vergleichbare Kunden? Warum sollte die Bank nicht passgenaue Tipps geben, wie die Kunden ihr Geld besser anlegen?

Die Institute jedenfalls könnten die Informationen mit dem Einverständnis ihrer Kunden viel besser nutzen, sagt Dapp. Andernfalls liefen sie Gefahr, den Kontakt zum Kunden zu verlieren und zum Produktlieferanten zu verkümmern. "Und das", sagt Dapp, "wäre fatal."

Wir beschäftigen uns in den kommenden Wochen immer montags mit den Menschen, die die Debatte im digitalen Bankgeschäft bestimmen.

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