Berlin:"Jetzt machst du hier wegen Kartoffelsalat einen bewaffneten Raubüberfall"

Berlin: Gabriela S., 56, arbeitet seit vier Jahren bei "Curry-Paule" in Berlin-Neukölln. Es ist das erste Mal, dass sie überfallen wurde.

Gabriela S., 56, arbeitet seit vier Jahren bei "Curry-Paule" in Berlin-Neukölln. Es ist das erste Mal, dass sie überfallen wurde.

(Foto: OH)

Nachts in der Neuköllner Imbissbude "Curry Paule": Ein Mann mit Messer will Geld - doch er bekommt etwas anderes.

Interview von Maximilian Kranl

Es war schon späte Nacht, als ein Ganove mit gezogenem Messer vor dem Tresen bei "Curry-Paule" am Britzer Damm im Berliner Stadtteil Neukölln stand. Inhaber Andreas Kämpf, 51, bietet dort und an zwei weiteren Ständen seit zehn Jahren normale und gefüllte Currywürste, Soßen und Bouletten-Burger an. Hinterm Tresen stand an dem Abend aber nicht Kämpf, sondern seine Angestellte Gabriela S., 56, und ein weiterer Kollege. Allerdings hatten sie weder Geld in der Kasse noch warme Speisen übrig - dafür aber die Ruhe weg.

SZ: Am Montag wurden Meldungen mit der Überschrift "Kartoffelsalat als Beute" veröffentlicht - erzählen Sie doch mal bitte, was da passiert ist.

Gabriela S.: Wir wollten Feierabend machen. Ich bin raus aus dem Laden, mein Kollege stand noch drin. Dann kam so ein Typ, zu dem hab' ich gesagt: Hier gibt's nichts mehr zu essen. Dann hat der ein Messer gezogen und gesagt, er will auch nichts essen, sondern Geld. Da hab' ich ihm erklärt, dass der Chef das Geld schon zur Bank gebracht hat. Der Kollege hat ihm die leere Kasse gezeigt, ich hab' ihm sogar meine Handtasche und mein Handy angeboten. Wollte er aber nicht.

Und dann?

Irgendwann hat er gesagt, er ist arbeitslos und hat Hunger. Da hab' ich gesagt: Die Fritteusen sind schon aus, hier gibt's nichts Warmes mehr. Also habe ich ihm einen Kartoffelsalat angeboten. Den hat er genommen. Und Bier wollte er. Wir schenken aber keines aus. Das ging hin und her, dann habe ich ihm noch zwei Energydrinks gegeben. Da sagt er auf einmal, er weiß, dass er aufgenommen wird. Ich habe mich zu ihm rübergebeugt und gesagt: "Du bist ja vielleicht bekloppt. Jetzt machst du hier wegen einem Kartoffelsalat einen bewaffneten Raubüberfall. Das geht doch an die Polizei!" Erst dann habe ich den zweiten Typen hinter ihm gesehen. Der hat aber keine Anstalten gemacht, und die zwei sind mit dem Rad abgehauen.

Hatten Sie denn keine Angst?

Schwer zu sagen. Ich war so geladen, weil ich an dem Tag einspringen und bis halb eins arbeiten musste. Als der Typ mit dem Messer kam, dachte ich: Na fein, das auch noch. Ich glaube, der Mut kam mit der Wut. Nach ein paar Minuten war ich auch der Ansicht: Der benutzt das Messer bestimmt nicht.

Aber die Polizei haben Sie schon alarmiert, oder?

Ich hab' ja erst nach vier Minuten bemerkt, dass der Typ die Piepe in der Hand hatte. Dann habe ich so ein bisschen verschummelt den Alarm ausgelöst. Das hat er nicht gemerkt.

Sie hätten ihn ja beim Essen noch in ein Gespräch verwickeln können - bis die Polizei da ist.

Mir war das gar nicht so unlieb, dass die Polizei nicht rechtzeitig da war. Immerhin stand der mit dem Messer neben mir. Was hätte der gemacht, wenn die Polizei vorfährt? Das kann man ja nicht wissen. Mir war's ganz recht so. Der Polizei wahrscheinlich nicht. Aber das ist ja alles auf Band und kommt zur Kriminalpolizei.

Was wäre denn gewesen, wenn Sie keinen Kartoffelsalat mehr da gehabt hätten?

Ach, dann hätte ich eben in der Not noch mal die Fritteuse angeworfen und ihm zwei Currywürste gemacht, wenn er darauf bestanden hätte.

Und jetzt? Haben Sie kein mulmiges Gefühl beim Arbeiten?

Im Moment hab' ich zum Glück Frühdienst. Erst beim nächsten Spätdienst werde ich sehen, was das mit mir gemacht hat. Der ist erst nächste Woche.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: