Gesetzentwurf:Heiko Maas will TV-Kameras im Gerichtssaal erlauben

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Justizminister Heiko Maas will Urteilsverkündungen filmen lassen. (Foto: Getty Images)

Die Urteilsverkündungen der obersten Gerichte sollen bald im Fernsehen übertragen werden dürfen.

Von Robert Roßmann, Berlin

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will Fernsehübertragungen aus Gerichtssälen erlauben. Das sieht ein Referentenentwurf seines Hauses vor. Ein Sprecher des Ministeriums bestätigte am Freitag, dass der Entwurf praktisch fertig sei und bereits kurz vor der Ressortabstimmung mit den anderen Ministerien stehe.

Maas will demnach die Übertragung von Urteilsverkündungen an allen obersten Gerichtshöfen zulassen. Dabei handelt es sich um den Bundesgerichtshof, das Bundessozialgericht, das Bundesverwaltungsgericht, den Bundesfinanzhof und das Bundesarbeitsgericht. Das Verfahren vor der Urteilsverkündung sollen die Kameras allerdings auch weiterhin nicht übertragen dürfen.

In Deutschland wurden Übertragungen aus Gerichtssälen 1964 untersagt. Das Verbot ist seitdem in Paragraf 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) geregelt. Lediglich das Bundesverfassungsgericht macht für sich eine Ausnahme, seit 1998 dürfen dessen Urteilsverkündigungen übertragen werden.

Der Sinn des Verbots ist umstritten

Über den Sinn des ansonsten geltenden Verbotes wird bereits seit Jahrzehnten gestritten. Im Jahr 2001 wies das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde des Senders n-tv gegen die Vorschrift zurück. Durch Fernsehübertragungen könnten Verfahrensbeteiligte beeinträchtigt werden, hieß es in dem Urteil. Außerdem bestehe das Risiko "wirklichkeitsverzerrender Darstellungsweisen" in den Medien.

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Nach dem Debakel um den NSU-Prozess hat nun auch Karlsruhe ein Platzproblem: Für die Verhandlung über die Euro-Rettung musste das Verfassungsgericht selbst entscheiden, wie die wenigen Sitzplätze verteilt werden. Ganz überzeugend ist die Vergabe nicht - wobei diesmal statt der Presse eher das Publikum Grund zur Klage hat.

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Das Aufkommen des Fernsehens habe den Gesetzgeber in den Sechzigerjahren veranlasst, durch das Übertragungsverbot "die Öffentlichkeit auf die sogenannte Saalöffentlichkeit zu begrenzen", erklärten die Karlsruher Richter. Hierzu sei der Gesetzgeber zwar "nicht von Verfassung wegen verpflichtet, wohl aber berechtigt" gewesen. Bereits damals sprachen sich jedoch drei der acht Verfassungsrichter in einem Sondervotum dafür aus, das Filmverbot in bestimmten Fällen zu lockern.

Seit dieser Entscheidung haben sich die technischen Übertragungsmöglichkeiten noch einmal deutlich verbessert, im Jahr 2001 gab es etwa noch keine Livestreams von öffentlichen Veranstaltungen im Internet. Auch im Ausland hat sich einiges verändert. In England wurden Übertragungen aus dem Gerichtssaal erlaubt; in Frankreich gibt es inzwischen die Möglichkeit, Prozesse von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung durch Aufnahmen zu dokumentieren. In Ländern wie den USA oder Südafrika sind Fernsehübertragungen aus dem Gerichtssaal bereits seit Langem zulässig, wie die Verfahren gegen O. J. Simpson oder Oscar Pistorius gezeigt haben.

Beim NSU-Prozess passte nur ein Bruchteil der Journalisten in der Gerichtssaal

Im Frühjahr 2013 löste dann der Münchner NSU-Prozess sogar eine bundesweite Debatte über das Übertragungsverbot aus. Anlass war der beschränkte Platz in dem Gerichtssaal. Nur ein Bruchteil der interessierten Journalisten bekam Zugang zu dem Verfahren, dies führte zu heftigen Protesten. Die Justizminister-Konferenz setzte deshalb im Juni 2013 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur "zeitgemäßen Neufassung des Paragrafen 169 GVG" ein. Mitte 2015 stellte diese Arbeitsgruppe ihren Abschlussbericht vor, die wesentlichen Ergebnisse finden sich jetzt im Gesetzentwurf von Heiko Maas wieder.

Dazu gehören außer den Fernsehübertragungsrechten noch zwei weitere Neuerungen. Um Engpässe wie beim Münchner NSU-Prozess zu vermeiden, will Maas auch Arbeitsräume für Journalisten erlauben, in die der Ton aus der Gerichtsverhandlung übertragen wird. Außerdem sollen künftig Prozesse von besonderer zeitgeschichtlicher Bedeutung gefilmt werden dürfen. Diese Aufzeichnungen sollen allerdings ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken dienen und direkt an das jeweils zuständige Landes- oder Bundesarchiv übermittelt werden. Sie sind nicht für die Veröffentlichung bestimmt und sollen auch nicht für Wiederaufnahmeverfahren genutzt werden können.

An den Bundesgerichten sorgt die geplante Reform für erheblichen Unmut. Deren Präsidenten haben sich bereits in einem Brief an Maas dagegen ausgesprochen.

© SZ vom 26.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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