Bildband "Dichter im Hotel":Wo die Fantasie zu Gast ist

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Hotels schmücken sich mit ihren kreativen Gästen und deren Geschichten, auch zum Vorteil der Dichter: Oscar Wilde etwa hätte die Rechnung in Paris nie zahlen können.

Von Harald Eggebrecht

Hotels haben eine magnetische Anziehungskraft, sei es in ihrer Luxusversion als Grand Hotel, sei es als kleines verschwiegenes Gasthaus - von Stundenhotelreizen ganz zu schweigen. In manchen Hotels leben Gäste gleich ganz, man denke nur an Udo Lindenberg und das Hamburger Atlantic. Schriftsteller müssen auf Lesereisen Hotels regelmäßig frequentieren, wohl oder übel in allen Kategorien von der billigen Absteige bis eben zum Prachtbau.

Manche Häuser werden von reisenden Dichtern bevorzugt, weil sie mit Ruhe und Geborgenheit locken oder inspirierende Ausblicke aufs Meer bieten oder durch großartige Bergpanoramen beeindrucken. Manche Aura strahlt womöglich deshalb, weil in diesem oder jenem Haus ein Berühmter gerne logierte, ein verehrtes Vorbild Stammgast war. Womöglich ist in diversen Fällen die Diskretion des Hauses so groß, dass man dort Licht scheuende Geschäfte abwickeln oder ungestört ein Rendezvous erleben kann.

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Eines dieser ominösen Gasthäuser ist L'Hôtel in der Pariser Rue des Beaux-Arts, das einst Hôtel d'Alsace hieß und sehr bescheiden war. Dort starb am 30. November 1900 der große Oscar Wilde. Er war aus England nach seiner verbüßten Zuchthausstrafe geflohen vor der gesellschaftlichen Schmach, und lebte, obwohl verarmt, auch in Paris so, dass er spöttisch kommentierte: "Ich sterbe über meine Verhältnisse."

Mit mehr als 4000 Francs war er am Ende verschuldet, nach heutigem Maßstab etwa 14 000 Euro. Zum Glück trieb der Hotelier, Jean Dupoirier, bei Wilde, den er sehr schätzte, niemals die offenen Logierkosten von 2643,40 Francs ein.

Die heutige Pracht des kleinsten Pariser 5-Sterne-Hotels ist dem Innenarchitekten Jacques Garcia zu verdanken, der das einst so schäbige Etablissement, das etliche Besitzerwechsel erlebte, 2000 zu einem Miniaturpalast gemacht hat mit Marmor, Brokat, Seide und anderen Üppigkeiten. Der Blick in das sechsstöckige Atrium, das die Wendeltreppe geschickt kaschiert, wirkt so nobel wie prächtig. Jedenfalls hat dieses Haus neben Wilde seinen Verehrer Jorge Luis Borges genauso beherbergt wie Serge Gainsbourg und Jane Birkin, Salvador Dalí oder Frank Sinatra, Liz Taylor und Richard Burton, Barbra Streisand, Mick Jagger und Salman Rushdie.

Nachts drang das Wellenrauschen ins Zimmer, Simone de Beauvoir fühlte sich wie auf hoher See

All das und noch viel mehr kann man aus dem dekorativen Bildband erfahren, den Rainer Moritz und der Fotograf Andreas Licht zusammengestellt haben über europäische Hotels und ihre illustren Gäste ( Der schönste Aufenthalt der Welt. Dichter im Hotel. Knesebeck Verlag, München 2016. 224 Seiten, 34, 95 Euro).

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Moritz schildert knapp und informativ, wie gern etwa Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre im Château Le Cagnard in Cagnes-sur-Mer an der Cote d'Azur eine Zeit lang wohnten: "Nachts drang das Rauschen der Wellen in mein Zimmer herein, und ich fühlte mich wie auf hoher See", schrieb Beauvoir. Auch jene edlen Schweizer Herbergen sind vertreten, in denen Friedrich Nietzsche (in Sils Maria) oder Friedrich Dürrenmatt (in Vulpera) weilten, oder das durch den G-7-Gipfel weltbekannte Elmau.

Beim Weimarer Elefanten, in dem im 19. Jahrhundert viele abstiegen, um Goethe zu huldigen, bleibt allerdings der übelste Gast - Adolf Hitler - eine Art immerwährende Hypothek.

© SZ vom 29.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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