Nahaufnahme:Eine Kiste fürs Back-up

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"Ich war genervt von dem riesigen Aufwand und dem Papierkram, den man als Student für seinen Bafög-Antrag bewältigen muss." Marius Gerwinn (Foto: oh)

Marius Gerwinn will den Weg ins papierlose Büro ebnen. Eine App soll etwa die Nerven all der Menschen schonen, die sich mit ihrer Steuererklärung herumschlagen.

Von Varinia Bernau

Für Aufmerksamkeit sorgen nur die wirklich verrückten Ideen. Um damit am Ende aber auch Erfolg zu haben, braucht es aber ein Gespür für die Widrigkeiten der Wirklichkeit. Deshalb wirkt das Ding, mit dem Marius Gerwinn, 28, nun in Produktion gehen will, längst nicht so spektakulär wie das, was er noch vor ein paar Jahren beim Pitch um Investoren skizzierte.

Damals knallte der studierte Wirtschaftsinformatiker gerne mal einen Aktenordner auf den Boden - und sagte wie zur Begrüßung: "Das ist mein Papierkram." Dann erklärte er, wie er den Leuten das Leben erleichtern will: Belege sammeln, sortieren, suchen. All das hat er mit zwei Studienfreunden von der Universität Münster einem Algorithmus beigebracht. Eine App namens Fileee soll die Nerven all der Menschen schonen, die sich mit ihrer Steuererklärung herumschlagen. Doch nach und nach stellte Gerwinn fest, dass sich die Menschen gar nicht so leicht von ihren Aktenordnern trennen wollen. Manchmal auch nicht trennen können. Das Finanzamt schreibt Aufbewahrungsfristen für den analogen Papierkram vor. Händler wollen gern den Kaufbeleg sehen, ehe sie den kaputten Fernseher als Garantieleistung zurücknehmen.

Deshalb hat Gerwinn nun also mit seinen Mitstreitern etwas entwickelt, das wie ein Schuhkarton mit überdimensioniertem Pappdach aussieht. Seine Dokumente legt man in die Mitte, das Smartphone oben drauf. Dazwischen sorgen kleine LED-Lämpchen dafür, dass Rechnungen, Belege und sonstiger Papierkram beim Abfotografieren optimal digitalisiert werden. Die Dokumente kommen in die Kiste. "Als analoges Back-up", wie Gerwinn sagt. Braucht man etwas im Original, kann man in der App mit einem Stichwort danach suchen. Sie zeigt einem dann an, auf welcher Höhe das Dokument in der Box liegt. Noch bis Mitte April nimmt Fileee Vorbestellungen an. 2000 müssen zusammenkommen, damit die Produktion starten kann. Knapp 45 Euro soll die Fileee-Box kosten.

Entstanden ist die Idee vor fünf Jahren an der Uni. "Ich war genervt von dem riesigen Aufwand und dem Papierkram, den man als Student für seinen Bafög-Antrag bewältigen muss", erinnert sich Gerwinn. Auch Start-ups wie etwa Doo oder Dropscan wollen mit ähnlichen Diensten den Weg zum papierlosen Büro ebnen. Behaupten, so glaubt Gerwinn, könne sich Fileee gegen diese vor allem, weil sie sich bereits eifrig Gedanken über neue Erlöse machen. Sie wollen nicht nur davon abhängig sein, dass der Privatmann gegen eine gewisse Gebühr einen besseren Service bei der App bekommt, auf die Dokumente auch ohne Internetverbindung zugreifen, mehr hochladen und Rechnungen aus der App heraus bezahlen kann. Fileee will auch um Geschäftskunden buhlen. Nicht nur um deren Papierkram, sondern deren Kontakt zum Kunden zu digitalisieren.

Auch deshalb ist das inzwischen 15 Mann starke Start-up vor drei Jahren als Tochterfirma beim Kölner Mittelständler Ityx untergeschlüpft. Der entwickelt Software für Unternehmen, die etwa erkennt, ob eine eingehende E-Mail eine Beschwerde, eine Adressänderung oder eine Frage ist - und diese automatisch weiterleitet oder gleich beantwortet. Fileee profitiert von Ityx' Kundenstamm und dem Knowhow um Geschäftssoftware, Ityx wiederum von Fileees Gespür für eine App, die auch bei Verbrauchern ankommt. Wenn der Kunde einer Versicherung etwa einen Schadenfall melden will, könnte er das über Fileees App tun, in der bereits sein Versicherungsvertrag liegt. Die Versicherung könnte ihm zügig helfen, statt ihn in der Warteschleife hängen zu lassen - und das, so glauben Gerwinn und seine Mitstreiter, werden sich Unternehmen in Zukunft etwas kosten lassen.

© SZ vom 29.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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