Bundesliga:"Fairplay ist kein fester Bestandteil der Fußball-Regeln"

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Aufreger: Kölns Trainer Stöger (Mitte) und Manager Schmadtke (dahinter) reagieren auf den Ausgleich.

(Foto: Jan Hübner/imago)

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Nach dem am Ende turbulenten 1:1 zwischen der TSG Hoffenheim und dem 1. FC Köln zum Abschluss des 28. Bundesliga-Spieltages ist es angebracht, mit einer kleinen Regelkunde zu beginnen: Ein Schiedsrichter muss nach nationaler und internationaler Regelauslegung ein laufendes Spiel nur dann unterbrechen, wenn zwei Spieler mit den Köpfen zusammenprallen - oder der Verdacht auf eine schwere Verletzung bei einem Spieler besteht. Das ist deshalb wichtig zu wissen, weil dieser Spieltag durch zwei ähnlich gelagerte Fälle eine Fairplay-Debatte auslöste.

Am Sonntagabend blieb der Kölner Spieler Lukas Klünter nach einem Zweikampf mit Hoffenheims Eduardo Vargas am Boden liegen. Schiedsrichter Deniz Aytekin hätte dabei auf Foul entschieden müssen, was die Kölner anschließend aber nicht thematisierten. Es lief bereits die Nachspielzeit, Hoffenheim lag 0:1 zurück, eine Niederlage hätte einen herben Rückschlag im Kampf um den Klassenverbleib bedeutet.

Anstatt den Ball also ins Aus zu spielen, um Klünter eine Behandlung zu ermöglichen, startete Hoffenheims Stürmer Andrej Kramaric ein atemberaubendes Dribbling über den halben Platz. Der Kroate schoss schließlich schräg aufs Tor, und Kölns Torwart Timo Horn patschte den Ball mäßig gelungen Kevin Volland auf den Fuß. Hoffenheims Angreifer traf im Fallen zum wichtigen 1:1, durch den Ausgleich konnte die TSG erstmals seit einem halben Jahr die Abstiegsplätze verlassen.

Die Kölner sahen sich als Opfer der Unfairness

Die Kölner tobten. Die aus ihrer Sicht ätzende Unsportlichkeit der Hoffenheimer, trotz Klünters Blessur weiterzuspielen, führte zu wilden Protesten. Und weil am Freitag schon beim Spiel Leverkusen gegen Wolfsburg (3:0) eine ähnliche Szene zu einem Tor für Bayer 04 geführt hatte, erklärte der Kölner Manager Jörg Schmadtke kurz nach Spielschluss finster: "Wir beerdigen an diesem Wochenende den Fairplay-Gedanken in der Liga."

Die Kölner sahen sich als Opfer Hoffenheimer Unfairness und reagierten hoch emotional. Im Nachklang folgte am Montag aber die Pointe, dass sich nun ausgerechnet Schmadtke nach seinem Nachruf auf das Fairplay vor dem DFB-Kontrollausschuss erklären muss. Denn direkt nach dem Ausgleich waren Kölner und Hoffenheimer Offizielle sowie Spieler am Spielfeldrand wild gestikulierend aufeinander losgegangen.

Mittendrin: der Kölner Manager. Pech für Schmadtke: Fernsehbilder hielten fest, wie er seinen Kaugummi aus dem Mund nahm und zornig in Richtung der Hoffenheimer Coaching-Zone warf - und damit ironischerweise in Richtung des gerne selbst Kaugummi-kauenden Trainers Julian Nagelsmann.

Das war nun auch keine Fairplay-Geste von Schmadtke, der sich zwar noch am Abend bei seinem Hoffenheimer Kollegen Alexander Rosen telefonisch für diese Flegelei entschuldigte - der DFB ermittelt nun aber trotzdem gegen ihn.

Stöger macht einen Vorschlag

So waren nach diesem von Emotionen getriebenen Spielfinale irgendwie alle Verlierer: Herbert Fandel, der Vorsitzende der DFB-Schiedsrichter-Kommission, sieht durch die Ereignisse wieder einmal die "Vorbildfunktion des Profifußballs gefährdet", er mahnte am Montag einen "respektvolleren Umgang" der Akteure an. In einer idealen Welt wäre der Fairplay-Gedanke das höchste Gut im Spitzensport, doch im kapitalgetriebenen Profibetrieb ist dies: der Erfolg. Erst recht im Abstiegskampf.

Auch wenn die Kölner betonten, den Ball in vergleichbarer Situation stets ins Aus zu spielen (so sagte es zumindest Trainer Peter Stöger): Die Realität ist doch eine andere. Das weiß auch Schmadtke, der am Montag dem Express sagte: "Das ist gar nicht so sehr Wut, das ist einfach nur eine Feststellung: Fairplay ist kein fester Bestandteil der Fußball-Regeln, man muss es sich leisten können. Das heißt im Klartext: Wenn es sportlich passt, gilt Fairplay. Wer Punkte braucht, um sportliche Ziele zu erreichen, der verzichtet auf Fairplay. Das ist doch die Erkenntnis des Wochenendes."

Stöger schlug indessen vor, die Spieler von ihrer Verantwortung des Gentlemen Agreements zu entlasten und künftig ausschließlich den Schiedsrichter entscheiden zu lassen, wann ein Spiel in solchen Situationen unterbrochen wird und wann nicht. Dieser Vorschlag war, obwohl er mit Ironie vorgetragen wurde, so ziemlich das Konstruktivste, was im Nachklapp zu diesem Thema gesagt wurde.

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