Nachruf:Kriegshäuptling

(Foto: J. Scott Applewhite/AP)

Joe Medicine Crow, der letzte große Indianerhäuptling vom Stamm der Absarokee, stirbt mit 102 Jahren in den USA.

Von Max Kranl, Washington/München

Als Kind musste Joe Medicine Crow kilometerweit barfuß durch den Schnee laufen und in eiskalten Flüssen baden. Es waren seine Großeltern, die ihm das antaten, sie waren überzeugt, dass nur ein abgehärteter Junge ein großer Indianerhäuptling werden würde. Und sie sollten Recht behalten. Denn der Stamm der Absarokee-Indianer kennt vier Kriterien, die ein Mitglied erfüllen muss, wenn es Anführer werden will: sich hinter die feindlichen Linien kämpfen, Pferde aus einem feindlichen Lager stehlen, einen Gegner entwaffnen und einen Feind berühren, ohne ihn zu töten. Crow, 102 Jahre alt, war der einzige lebende Indianer seines Stammes, der diesen Kodex erfüllte. Und er trug nie eine Schramme davon, wie er mal in einem Interview sagte.

Crows unmittelbaren Vorfahren kämpften in den Indianerkriegen im 19. Jahrhundert mit, auch an der Schlacht am Little Bighorn im Jahr 1876 waren sie beteiligt. Als Späher zog Crow selbst in den Zweiten Weltkrieg. Danach nutzte er nur noch seinen Verstand als Waffe. "Ich wollte den Menschen beweisen, dass auch ein Indianer ein guter Student sein kann", sagte der spätere Buchautor und promovierte Anthropologe. 2009 verlieh ihm US-Präsident Barack Obama die "Presidential Medal auf Freedom", die höchste Auszeichnung des Landes für Zivilisten. Steve Bullock, Gouverneur von Montana, nannte ihn eine "Inspiration" für alle Ureinwohner des Landes. Am Sonntag verstarb Joe Medicine Crow, der letzte große Kriegshäuptling der USA, im Alter von 102 Jahren in Billings, Montana.

© SZ vom 05.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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