Panama Papers:Island bebt - Premier Gunnlaugsson bietet Rücktritt an

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Panama Papers: Islands Premierminister Sigmundur Gunnlaugsson hat seinen Rücktritt angeboten. (Foto: dpa)

Nach den größten Protesten, die das Land bisher erlebte, kündigt Islands Premier seinen Rücktritt an.

Analyse von Silke Bigalke, Reykjavík

Am Ende hat er sich dem Unausweichlichen gebeugt: Der Premierminister von Island hat am Dienstagabend seinen Rücktritt angeboten. Sigmundur Davíð Gunnlaugsson ist damit der erste Politiker, der aufgrund der Panama-Enthüllungen sein Amt aufgibt. Gleichzeitig war er vielleicht der letzte Mensch in Island, der bis zum Schluss nicht wahrhaben wollte, dass seine Zeit als Premier vorbei ist.

Premier Gunnlaugsson hat seinen Rücktritt gleich mit Vorschlägen für die Zukunft verbunden: Er möchte Vorsitzender der Fortschrittspartei bleiben. Neuer Premier soll der stellvertretende Parteichef werden, Sigurður Ingi Jóhannsson, bisher Minister für Fischerei und Landwirtschaft. Dem müsste allerdings der Koalitionspartner, die Unabhängigkeitspartei, zustimmen. Deren Chef und Finanzminister Bjarni Benediktsson hat angekündigt, dass er mit Jóhannsson reden werde.

Gunnlaugsson hatte den Tag damit verbracht, dem Rücktritt zu entgehen. Gleich am Morgen traf er seinen Finanzminister Bjarni Benediktsson. Ein Treffen also der beiden Koalitionspartner. Es war gleichzeitig ein Treffen der beiden prominentesten Isländer, die Anteile an einer Offshore-Firma besaßen. Der Finanzminister war erst am Morgen aus den USA zurückgekehrt. Man hatte spekuliert, dass er dem Premier wohl zum Rücktritt raten würde.

Doch Premierminister Gunnlaugsson hatte sich eine Strategie zurecht gelegt, um das zu verhindern. Auf seiner Facebook-Seite postete er, er werde umgehend das Parlament auflösen und Neuwahlen ausrufen, wenn die Partei des Finanzministers seine Koalition nicht unterstütze. Man konnte das durchaus als Drohung verstehen: Muss er gehen, muss die ganze Regierung gehen. "Ich bin stolz auf meine bisherige Arbeit als Politiker", war auf der Facebook-Seite zu lesen. Daher habe er keine Angst vor dem Urteil der Wähler. Und er sei stolz auf seine Frau, Anna Sigurlaug Pálsdóttir, auf ihre Ehrlichkeit und Aufopferung. Ihr gehört bis heute jene Firma auf den Jungferninseln, die sie sich zuvor mit ihm geteilt hatte.

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Die Strategie des Premiers ging nicht auf. Der Präsident, den er gleich danach traf, nahm seinen Antrag auf Neuwahlen nicht an. Er wollte zuvor die Zustimmung von Finanzminister Benediktsson und dessen Unabhängigkeitspartei einholen - von dem Mann also, dem der Premier quasi gedroht hatte, das Parlament aufzulösen.

Für Gunnlaugsson war es in den vergangenen Tagen immer enger geworden: Sonntagabend das peinliche Interview, als er vor laufender Kamera floh, anstatt seine Offshore-Firma Wintris Inc. zu erklären. Am Montag die immer gleichen Erklärungsversuche im Parlament, während in seinem Rücken viele Tausend Isländer seinen Rücktritt forderten, Eier und Klopapier an die Parlamentsmauern warfen und Bananen - für den Chef der Bananenrepublik Island. Die Opposition hatte da bereits ein Misstrauensvotum beantragt, fast 30 000 Isländer hatten eine Petition für seinen Rücktritt unterschrieben, seine Partei hatte aufgehört, ihn zu verteidigen.

"Der Premierminister erkennt offenbar nicht den Ernst der Sache", sagte Árni Páll Árnason, Chef der Sozialdemokraten, vor dem Rücktrittsangebot. "Das ist ein großer Test für Island, für Islands parlamentarische Demokratie. Wir sehen unseren Ruf in Gefahr." Ähnlich äußerten sich die anderen Oppositionsparteien.

Die Bürger sind wütend über Gunnlaugssons Geschäfte. Und darüber, dass er sie verschwieg

Viele Isländer sind zwar wütend, dass Gunnlaugsson Geld in einer Steueroase hatte, Anteile an einem Unternehmen, das Schuldpapiere an Islands Pleitebanken hielt. Noch viel wütender sind sie aber, weil er es verschwieg. Weil er es sogar noch verschwieg, als er ins Parlament gewählt wurde und es einen deutlichen Konflikt gab zwischen seiner politischen Arbeit und seinen persönlichen Interessen.

Gunnlaugsson versuchte, eine ganz andere Geschichte zu erzählen: Er habe nichts falsch gemacht, weil die Offshore-Firma ihm keine Steuern gespart habe, was noch nicht bewiesen ist. Er sagt, er habe daran gedacht, seine Anteile offenzulegen, sich aber dagegen entschieden, auch aus Rücksicht auf seine Frau. Das zeigt, wie sehr der Premier das Gespür fürs Volk verloren hat. Dafür, dass das, was man machen darf und was man machen sollte, unterschiedliche Dinge sind.

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Für viele Isländer sind die Offshore-Geschäfte ein Symbol der Arroganz einiger reicher Familien, die denken, dass Regeln für sie nicht gelten. Die oft in Positionen gelangt sind, wo sie die Regeln selbst machen konnten. Sie sind ein Symbol der Verhältnisse, die 2008 zur Bankenkrise führten. "Ein Zeichen dafür, wie wenig auch später dagegen getan wurde, wie wenig sich geändert hat", sagt Jón Ólafsson, Professor für politische Philosophie und Mitglied der Gagnsæi-Gesellschaft, das heißt "Transparenz".

Das Problem ist, dass die Panama-Papiere nicht nur Gunnlaugsson sondern auch andere hochrangige Politiker in Island in Bedrängnis bringen. Unter ihnen ist der Finanzminister, der eine entscheidende Rolle bei der Frage spielt, wie es weitergeht. "Es ist schwer sich ein Szenario vorzustellen, bei dem die Regierung diese Sache übersteht", so Ólafsson. Die Opposition hält an ihrem Misstrauensvotum gegen die Regierung fest. Am Dienstagabend demonstrierten gut tausend Isländer für Neuwahlen. Sigurður Ingi Jóhannsson als neuem Premier vertrauen sie nicht. Er hat Gunnlaugsson in den vergangenen Tagen stets verteidigt.

© SZ vom 06.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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