Grüne:Kretschmann fordert Kompromisse

Kleiner Parteitag der Grünen

Die Bundesvorsitzende Simone Peter, Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit je einem Beitrag zum Klimaschutz.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)
  • Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann wirbt beim Länderrat der Grünen für Kompromissbereitschaft.
  • Viele Linke in der Partei befürchten, dass die Realos zu viel Einfluss bekommen könnten.
  • Reinhard Bütikofer, Chef der europäischen Grünen, ruft dazu auf, die Rolle als Klientelpartei aufzugeben.

Von Stefan Braun

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat die Bundesgrünen dazu aufgerufen, bei den Menschen zuallererst um Vertrauen zu werben. Dies gehe nur mit klarer Kompromissbereitschaft, gerade auch dann, wenn es schwerfalle. "Grundsätze sind gut und wichtig, Dogmen sind es nicht", sagte Kretschmann vor den knapp einhundert Delegierten des Länderrats, eines kleinen Parteitags der Grünen. Er war bewusst nach den Landtagswahlen angesetzt worden, um über die Folgen zu beraten. Kretschmann betonte, die Grünen müssten "klar sein in den Zielen, aber offen in den Wegen". Ziele seien wichtig und unverzichtbar. Aber sie könnten auch über Umwege erreicht werden.

In seiner Analyse der Gründe für den Erfolg im Südwesten sagte Kretschmann, die CDU habe dort verloren, "weil sich das Land an der CDU vorbei entwickelt" habe. Viele grüne Themen seien längst keine Randthemen mehr, sondern würden die Menschen in der Mitte der Gesellschaft bewegen. "Unser Land ist viel grüner, moderner, weltoffener, als die CDU es wahrgenommen hat", betonte der Ministerpräsident, der derzeit in Stuttgart mit der CDU als Juniorpartner über eine neue Koalition verhandelt. Er hob hervor, dass kein Land die Energiewende entschlossener vorantreibe als Deutschland und kein Land in der Flüchtlingskrise ein freundlicheres Gesicht gezeigt habe. Dies sei für die Grünen auch eine Frage der Selbstwahrnehmung. Die gesellschaftlichen Mehrheiten für die Themen seien da, auch bei Großunternehmen und Mittelständlern. Deshalb dürfe man diesen Mehrheiten und Verbündeten nicht mehr "hinterherbellen", sondern müsse die vorhandenen Möglichkeiten ergreifen. Einen "Automatismus" für diese guten Voraussetzungen nämlich gebe es nicht. Also gelte es, Bündnisse zu schmieden und keine Angst vor Kompromissen zu haben, "dann können wir auch politisch wachsen und die Republik auf Dauer prägen", so Kretschmann.

Schon fürchten die Linken, dass die Realos zu viel Einfluss in der Partei bekommen könnten

Zuvor hatte die Co-Vorsitzende der Bündnisgrünen, Simone Peter, noch einmal harsche Kritik geübt - an der Flüchtlingspolitik der EU, die "inhuman und zynisch" sei; an dem Erstarken der Rechtsradikalen von der Alternative für Deutschland (AfD), die man "in den kommenden Monaten stellen" werde. Mit Blick auf die Terroranschläge von Brüssel kritisierte sie die "Überwachungsfantasien" der Sicherheitsbehörden und den Zustand der Kernkraftwerke, die einer neuen Sicherheitsüberprüfung bedürften. Peter betonte, der Wahlerfolg in Baden-Württemberg gebe großen Rückenwind. Sie sagte aber auch, dass die unterschiedlichen Konzepte der Parteien erkennbar bleiben müssten. Letzteres gilt als Hinweis auf die Befürchtung vieler Linken, mit dem Wahlsieg Kretschmanns könnten die Realos an Einfluss gewinnen.

Peters Co-Vorsitzender in der Partei, Cem Özdemir, betonte, die Grünen müssten sich eigenständiger aufstellen als früher. Sonst sei die Gefahr groß, dass sie in Duellen zwischen starken Spitzenkandidaten von CDU und SPD zerrieben würden. Mit Blick auf Kretschmanns Erfolg sagte Özdemir, den Ministerpräsidenten könne man nicht klonen, aber von der Geschlossenheit und vom Zugehen auf die Gesellschaft lasse sich viel lernen. "Es gibt viele Menschen, die längst grün handeln, denken und einkaufen, aber nicht alle von ihnen wählen grün. Unser Job ist, dafür zu sorgen, dass wir deren Heimat werden." Der frühere Parteichef Reinhard Bütikofer, heute Vorsitzender der europäischen Grünen, rief die Partei auf, die Rolle als Klientelpartei aufzugeben. Angesichts der Schwäche der Volksparteien sei es heute an den Grünen, den Menschen in der Mitte der Gesellschaft Orientierung zu geben. Dazu seien weder die Sozialdemokraten noch die Union in der Lage. "Wir können uns nicht aussuchen, ob wir glauben, dass wir dieser Orientierungsfunktion gewachsen sind", sagte Bütikofer. "Entweder wir stellen uns dieser Herausforderung oder wir ducken uns weg."

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