Malta:Das zweite Island: Malta und die Panama Papers

Protestors hold posters reading 'Out' during a demonstration calling on Maltese Prime Minister Joseph Muscat to resign after two members of his government were named in the Panama Papers leak scandal, outside the office of the Prime Minister in Valletta

"Barra" - Raus: Tausende Bürger demonstrierten am Sonntag in Maltas Hauptstadt Valetta gegen ihre Regierung und deren Umgang mit den Enthüllungen aus den Panama Papers.

(Foto: REUTERS)

Mitglieder der Regierung sollen Geld versteckt haben. "Barra" ruft die Opposition, "raus!" Sie fordert den Rücktritt des Kabinetts. Selbst die größte Zeitung ist in die Affäre verstrickt.

Von Oliver Meiler

Im kleinen Malta braucht es nie viel, um die politischen Gemüter zu erregen. Manchmal reichen dazu schon Bagatellen und belanglose Zwiste. Dafür sorgen die beiden großen Parteien der Insel, die einander nichts schenken. Und dafür sorgt auch die mächtige katholische Kirche, die sich gern und oft einmischt. Jenseits der Landesgrenzen nimmt man diese Querelen selten wahr. Nun aber macht Malta mit einigen prominenten Erwähnungen in den Panama Papers auch international Schlagzeilen. Die Nennungen sind so prominent, dass manche von einem "zweiten Island" sprechen.

Am vergangenen Sonntag demonstrierten mehrere Tausend Malteser vor dem Sitz des Regierungschefs, der barocken "Auberge de Castille" in Valletta, und forderten den Rücktritt des sozialdemokratischen Premiers Joseph Muscat. "Barra!", stand auf den Transparenten, was auf Maltesisch "raus", "weg" heißt. Mobilisiert hatte die konservative Opposition. Gekommen waren aber nicht nur Parteigänger der Nationalist Party. Die englischsprachigen Zeitungen schreiben von "The Scandal", als habe es in der Geschichte des Landes nie einen größeren gegeben. Wobei hier gleich festgehalten werden muss: Gegen Joseph Muscat selber gibt es bisher kein belastendes Material - jedenfalls nicht gegen ihn persönlich.

Betroffen sind aber unter anderem zwei Vertraute, die ihm politisch derart nahestehen, dass nun die ganze Regierung wankt: Energie- und Gesundheitsminister Konrad Mizzi und Stabschef Keith Schembri sind Büronachbarn des Premiers. Den Politikern wird vorgeworfen, sie hätten über ein Geflecht von Firmen in Panama und Trusts in Neuseeland Geld vor dem maltesischen Finanzamt versteckt. Beraten wurden sie dafür von derselben maltesischen Bank, die auch mehreren Geschäftsleuten und dem Geschäftsführer von Allied Newspapers, dem Verlag der Times of Malta, der größten Zeitung im Land, beim Vertuschungsversuch geholfen haben soll. Der Zeitungsmann Adrian Hillman musste seinen Posten bereits abgeben.

Mizzi und Schembri haben mittlerweile bestätigt, dass sie die Firmen und Stiftungen besitzen. Sie beteuerten aber gleichzeitig, sie hätten nicht gewusst, dass sie dies in Malta den Behörden hätten melden müssen. Es gebe da zwar eine Regel im Kleingedruckten, die aber noch aus der Zeit stamme, als Malta die Lira führte. Mizzi sagt, Schembri habe ihn auf die Idee gebracht, das Privatvermögen seiner Familie so anzulegen. Zurücktreten mag er aber nicht. "Die Entscheidung", sagt Mizzi, "obliegt allein dem Premierminister." Und der will nun zunächst die interne Abklärung abwarten, bevor er entscheidet. Viel Zeit hat Muscat nicht. Der Druck wird immer größer, auch aus der Labour Party, seiner Partei.

"The Scandal" dauert nämlich schon eine ganze Weile an. Eine berühmte Bloggerin im Land, Daphne Caruana Galizia, hatte bereits vor zwei Monaten über Mizzis und Schembris Offshore-Operationen berichtet. Die Regierung reagierte zunächst gelassen, als handelte es sich wieder um eine dieser Bagatellen. Solange es den Anschein hatte, als könnte man den beiden Kabinettsmitgliedern nichts Konkretes vorwerfen, stützte der Premierminister seine Leute auch in der Öffentlichkeit mit schönen Worten. Die Partei verteidigte Mizzi, als wäre er das Opfer einer Verleumdungskampagne.

Premier Joseph Muscat galt vor Kurzem noch als Reformer. Was wusste er von den Geschäften?

Als nun die Panama Papers die Enthüllungen der Bloggerin bestätigten, wuchs der Ärger im Volk. "Der Zorn zwang Muscat zu einem Strategiewechsel", sagt Kurt Sansone, ein langjähriger Reporter der Times of Malta. Der Beschluss, mit einem Audit den Fall zu durchleuchten, kam jedoch für viele Bürger zu spät. "Das lange Zögern hat Muscat politisch geschadet", sagt Sansone. Im Volk verhandle man nun die Frage, ob es denn tatsächlich möglich sei, dass der Premierminister nichts gewusst habe von den Operationen seiner Vertrauten und ob er wirklich nichts damit zu tun habe. "Das sind nur Fragen, aber sie stehen nun mal im Raum."

Denkwürdig mutet auch der Zeitpunkt des Geschäfts an: Geschaffen wurden die Firmen und Trusts 2014 und 2015. Labour war 2013 an die Macht gelangt, nachdem sie davor fünfzehn Jahre lang in der Opposition hatte ausharren müssen.

Der junge Muscat, damals 39, galt als Hoffnungsträger, smart und beredt. Er beschrieb sich als Anhänger des Dritten Weges, sah sich selber also auf einer politischen Linie mit Bill Clinton, Tony Blair und Gerhard Schröder. Muscat liberalisierte und modernisierte das Land mit einigem Erfolg - auch gesellschaftspolitisch. Selbst sein streitbarer Entscheid, die maltesische Staatsbürgerschaft auch reichen Ausländern anzubieten, die bereit sind, dafür 650 000 Euro zu bezahlen, schadete seinem Ruf nicht. Nach drei Mandaten unter der Nationalist Party, gezeichnet von einer Reihe von Skandalen und Affären, galten der Neue und sein Kabinett zunächst einmal als Garanten für eine moralischere Regierungsführung.

Nun schwindet diese Vorstellung sehr rasch. Der frühere Parteichef von Labour, Ex-Premier Alfred Sant, den sie in Malta noch immer nur respektvoll "Doktor Sant" rufen, riet dem Energieminister am Montag über Facebook, er möge doch schnell eine ehrenwerte Entscheidung treffen und zurücktreten. Im andern Fall, so der Unterton des Appells, fegt "The Scandal" womöglich das gesamte Kabinett und vielleicht einen schönen Teil des maltesischen Establishments hinweg. Im Parlament liegt nun jedenfalls ein Misstrauensantrag der Opposition - gegen die ganze Regierung.

Island und die Panama Papers - lesen Sie die Reportage mit SZ plus:

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