Zweckentfremdung:Warum illegale Vermietungen über Airbnb so schwer zu unterbinden sind

Zweckentfremdung: Über Portale wie Airbnb werden zahlreiche Wohnungen in München angeboten, die eigentlich als Wohnraum gebraucht würden. Illustration: Dennis Schmidt

Über Portale wie Airbnb werden zahlreiche Wohnungen in München angeboten, die eigentlich als Wohnraum gebraucht würden. Illustration: Dennis Schmidt

  • Immer mehr Wohnungen werden in München an Touristen vermietet.
  • Das ist zwar nicht erlaubt, doch für viele Vermieter ein gutes Geschäft - dafür nehmen sie auch die Gefahr eines hohen Bußgeldes in Kauf.
  • Die Stadt kommt den Vermietern nur schwer auf die Schliche.

Von Benjamin Moscovici, Judith Freese, Marion Härtel und Anna-Lena Ripperger

Ein Städtetrip nach München, ein bisschen Sightseeing in der Innenstadt und dann noch die Berge außen herum. Die Stadt wirbt aktiv um Touristen, allerdings hätte sie lieber, dass die Besucher ganz klassisch in Hotels übernachten. Die Preise für Wohnraum in München steigen seit Jahren, wer da Wohnungen als Ferienwohnungen vermietet, der verknappt den Platz noch zusätzlich, den eigentlich Münchner für ein Dach über dem Kopf bräuchten.

Die Verwaltung versucht deshalb, den Trend zur illegalen Vermietung von Wohnraum als Ferienwohnungen über Internetportale zu stoppen - ist dabei aber nicht so erfolgreich, wie sie es sich wünscht.

Ein Mehrfamilienhaus aus den 1930er Jahren am Münchner Stadtrand: Hanne Müller (Name geändert) steht an einem der Fenster im ersten Stock, am Ohr ihr Smartphone. "Can you see me? I can see you, I'm waving", sagt sie akzentfrei ins Telefon. Auch ihre russischen Gäste, drei Pärchen aus Moskau, haben sie entdeckt und parken das silberfarbene Mietauto in der Einfahrt. Müller läuft die Treppe hinunter und geht ihnen durch den Garten entgegen. Seit 2013 verdient sie so ihr Geld, seitdem bietet die 50-Jährige komfortabel ausgestattete Apartments über verschiedene Internetportale an - und zwar illegal. Denn Hanne Müller hat für ihre Ferienwohnungen nie eine Genehmigung beantragt.

Touristen gegen Einwohner?

Weil die Lage auf dem Wohnungsmarkt so angespannt ist - jährlich ziehen 25 000 Menschen nach München - will die Stadt jeden Quadratmeter Wohnfläche erhalten. Wer Wohnungen trotzdem leerstehen lässt, sie in Büros umwandelt oder eben an Touristen vermietet, muss mit einem Bußgeld von bis zu 50 000 Euro rechnen. Denn er verstößt gegen das Verbot der Wohnraumzweckentfremdung.

Dass sie genau das tut, weiß Hanne Müller. Aber wenn sie ihre Wohnungen Geschäftsleuten und Touristen überlässt, kann sie viel mehr Geld verdienen als mit festen Mietparteien. Keine Wohnung ist günstiger als 139 Euro pro Nacht, manche deutlich teurer. Wie viel Geld sie verdient, will Müller nicht sagen. Nur so viel: "Ich kann gut davon leben." Sie brauche das Geld auch, um Kredite zurückzuzahlen, sagt Müller. Die Sanierung ihres Mehrfamilienhauses habe viel Geld verschlungen. "Ich wollte das Haus erhalten, in dem ich geboren bin."

Müller hofft darauf, dass sie trotz Zweckentfremdung kein Bußgeld zahlen müsste - weil sie so viel Geld in Wohnraum investiert habe. Dass die Stadt sie tatsächlich schonen würde, ist unwahrscheinlich. Bisher aber hat sie Müllers Geschäft noch nicht einmal entdeckt - obwohl die 50-Jährige ihre Wohnungen nicht nur auf Airbnb und booking.com anbietet, sondern auch über eine eigene Internetseite, mit vollem Namen und Adresse. Im vergangenen Jahr hat die Stadt 51 illegale Ferienwohnungen entdeckt, Müllers Apartments waren nicht darunter.

Nur wenige Zweckentfremdungen werden geahndet

Die Zahl der aufgedeckten Fälle ist sehr klein, verglichen mit den Angeboten auf dem Internetportal Airbnb: In München können Touristen aus etwa 6100 Angeboten eine Unterkunft auswählen, wie das Studentenforschungsprojekt "Airbnb vs. Berlin" recherchiert hat. Genaue Zahlen, wie viele Ferienwohnungen in München illegal sind, kennt niemand. Aber wer die Angebote bei Airbnb analysiert, sieht: Allein die zehn Gastgeber mit den meisten Wohnungen bieten zusammen mehr als 100 Wohnungen an; viele dürften gegen das Verbot der Zweckentfremdung verstoßen.

Einer dieser zehn ist Alex Gay Cabrera, er aber vermietet seine Wohnungen legal, wie er beteuert. 2007 kaufte er sich sein erstes Apartment und vermietete es an Feriengäste. Die Stadt verpflichtete ihn, 35 000 Euro zu zahlen, um die Wohnung in Gewerberaum umzuwandeln. Seitdem achte er beim Kauf einer Wohnung darauf, dass sie zu Gewerbezwecken genutzt werden dürfe, sagt Cabrera.

Inzwischen vermietet er acht Unterkünfte über Airbnb. Seinen Job als Mathematiker an der Universität behalte er nur noch, um auch etwas für den Kopf zu machen. Für Hanne Müller ist die Vermietung an Feriengäste ein Vollzeitjob. Sogar zwei Mitarbeiterinnen beschäftigt sie stundenweise, für die Verwaltung und Bearbeitung der Buchungen sowie den Check-In. Bis zu fünf Buchungen gingen pro Tag ein, erklärt sie.

Eine Herausforderung für die Landeshauptstadt

Dass Gastgeber über Internetplattformen wie Airbnb, wimdu oder 9flats im großen Stil Wohnungen anbieten, fordert Städte wie München heraus. Das Zweckentfremdungsverbot war ein erster Schritt, um darauf zu reagieren. Doch es gibt gravierende Lücken bei der Kontrolle. Für die ist Elke Englisch zuständig. Als Leiterin der Abteilung Wohnraumerhalt beim Amt für Wohnen und Migration spürt sie zusammen mit ihren Mitarbeitern illegale Ferienwohnungen auf.

Die Gruppe macht Kontrollgänge, recherchiert im Internet und geht Hinweisen nach, zum Beispiel von Nachbarn, die sich über Lärm beschweren. Dabei gehe es nicht darum, jene Münchner zu finden, die ihre Wohnung eine Woche länger als erlaubt an Touristen vermieten, sagt Englisch. "Wir sind auf der Suche nach den großen Playern, die darauf pokern, dass wir sie nicht erwischen."

Dass ihre Abteilung keine höhere Trefferquote erziele, habe mehrere Gründe: Es sei schwierig, stichhaltige Beweise zu sammeln, sagt Englisch. Auf den Internetportalen gäben die Vermieter oft nur ihren Vornamen an, teilweise verwendeten sie falsche Profilfotos. Die genaue Adresse seiner Unterkunft erfährt der Gast erst, wenn er gebucht hat - aber buchen dürfen Englischs Leute nicht, verdeckt zu ermitteln, ist ihnen verboten. "Wir setzen uns mit allem, was wir nach Verwaltungsrecht tun können, für den Erhalt von Wohnraum ein", sagt Englisch.

Doch auch wenn ihre Abteilung 2015 fünf neue Mitarbeiter bekommen hat, halten sich die Erfolge in Grenzen. Sie müssen recherchieren, dokumentieren und belegen. Ihre Argumentation muss vor Gericht Bestand haben. Deshalb dauern die Ermittlungen der Stadt oft Monate, teilweise sogar Jahre. In dieser Zeit können Vermieter wie Hanne Müller jede Menge Geld verdienen.

Ein gutes Geschäft für alle Beteiligten

Doch auch die Internetportale kassieren ab. Sie bekommen pro Buchung einen festen Anteil, bei Airbnb sind das drei Prozent. Ein erfolgreiches Konzept: Airbnb ist mit 25,5 Milliarden Dollar inzwischen mehr wert als die internationale Hotelkette Marriot - und somit ein ernsthafter Konkurrent für das Hotelgewerbe. Und zwar einer, der nicht die gleichen strengen Auflagen erfüllen müsse wie Hotels, klagt Conrad Mayer, der Sprecher der Münchner Hoteliers. Darin sieht er "eine klare Wettbewerbsverzerrung".

Die Portale halten dagegen: "Unsere Gastgeber sind eben keine Hoteliers. Das sind Leute wie du und ich", sagt Julian Trautwein, Pressesprecher von Airbnb. Es sei gut für Städte wie München, dass das Geld nicht bei internationalen Hotelketten lande, sondern vor Ort bleibe.

Eine Wohnung bei Airbnb kostet in München im Schnitt 100 Euro - für mehrere Gäste. Der durchschnittliche Preis für ein Hotelzimmer liegt bei 126 Euro. Pro Person. Ein Gewinn für alle also? Ja, meint der Pressesprecher von Airbnb. Eine Mitschuld an der angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt bestreitet er: "Sind Ferienwohnungen wirklich das zentrale Problem der Stadt? Sind es nicht eher der starke Zuzug und der fehlende Neubau?"

Stadtrat entscheidet über Verschärfung der Regeln

Die Mehrheit der Münchner Stadträte sieht das anders: Die Situation in München sei so kritisch, dass jede Wohnung zähle. Im Juni will das Gremium entscheiden, ob bei den Bestimmungen zur Wohnraumzweckentfremdung nachgebessert werden muss. Dann soll auch die Arbeit der Abteilung Wohnraumerhalt evaluiert werden.

Hanne Müller plagt manchmal ihr Gewissen: "Ich denke schon darüber nach, mal etwas Ausgleichendes zu tun und über eine Genossenschaft Raum zum Wohnen zu schaffen", sagt sie. Doch erst mal müsse sie ihre Kredite zurückzahlen. Für sie als alleinerziehende Mutter sei die Vermietung der Ferienwohnungen ihre Lebensgrundlage. Das Risiko erwischt zu werden, nimmt sie dabei in Kauf.

Rechtliches

Auf der Basis des bayerischen "Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum" hat die Stadt München die Regeln für Ferienwohnungen definiert. Im Münchner "Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum" (ZeS) steht verkürzt: Es bedarf einer Genehmigung der Stadt, um eine Ferienwohnung dauerhaft zu vermieten. Wer diese nicht hat, muss mit einem Bußgeld von bis zu 50 000 Euro rechnen. Das gilt nur für Wohnraum; offiziell als solche genehmigte Gewerberäume sind davon nicht betroffen. Es gibt aber Ausnahmen: Wenn mehr als die Hälfte der Wohnung vom Anbieter der Ferienwohnung selbst bewohnt wird, wenn er also Gäste in seiner eigenen Wohnung beherbergt, ist laut Sozialreferat nicht unbedingt eine Genehmigung nötig. Überhaupt kann jeder Eigentümer seine Wohnung für insgesamt sechs Wochen im Kalenderjahr, also zum Beispiel während des Urlaubs, problemlos vermieten. Für Mieter, die ihr Appartement untervermieten wollen, gelten freilich eigene Regeln - hier muss in der Regel der Vermieter zustimmen. SZ

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