Mobilität der Zukunft:Dobrindt forciert Gesetz für autonomes Fahren

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Auch Trucks können sich selber steuern. Die Bundesregierung schafft gerade die rechtlichen Grundlagen dafür. (Foto: Daimler AG)
  • Die Bundesregierung stellt die gesetzlichen Weichen für das autonome Fahren.
  • Darin soll der Computer dem Menschen gleichgestellt werden.
  • Allerdings müssen die Systeme vom Fahrer übersteuert und abgeschaltet werden können. Er trägt weiter die Verantwortung.

Von Markus Balser, Berlin, und Alexander Mühlauer, Brüssel, Berlin/Brüssel

Im vergangenen Jahr vertraute Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sein Schicksal erstmals Maschinen an. Er überließ Kameras, Sensoren, Computern und Algorithmen das Lenken, Beschleunigen und Bremsen seines Autos. So brauste der Minister auf einer Versuchsstrecke durch Bayern. Die Reaktion der Mitfahrer, als er bei hohem Tempo das Steuer los ließ? "Denen wurde ganz anders", erzählt der Minister.

Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn und der Mensch nur noch als Zuschauer? Experten sind sich einig, dass intelligente Autos längst kein ferner Hype mehr sind. "Sie werden kommen und zwar schon bald", sagt etwa der Autoverbands-Präsident Matthias Wissmann.

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Nun stellt die Bundesregierung nach Informationen der Süddeutschen Zeitung dafür auch die gesetzlichen Weichen: An diesem Mittwoch soll das Kabinett einen entsprechenden Gesetzentwurf Dobrindts verabschieden, der den Rechtsrahmen für das automatisierte Fahren schafft. Das Papier stellt Regeln für den Einsatz automatisierter Fahrsysteme auf - also das Auto ohne Mensch und Fahrer. Denn solche Autos hatte das Wiener Übereinkommen, der international entscheidende Vertrag zur Standardisierung von Verkehrsregeln, schlicht nicht vorgesehen. Es musste geändert und diese Änderung nun im deutschen Recht umgesetzt werden.

Computer werden dem Menschen gleichgestellt

Die Bedingung für den Einsatz auf deutschen Straßen: Die Systeme müssen vom Fahrer übersteuert und abgeschaltet werden können. Der Fahrer trägt weiter die Verantwortung. Damit könnten automatisierte Fahrsysteme immer mehr Fahraufgaben selbstständig übernehmen, sagte Dobrindt. Die Pläne der Bundesregierung reichen noch weiter. Das Verkehrsministerium arbeitet an weiteren Änderungen des Abkommens. Die Begriffsbestimmung des Fahrers soll so erweitert werden, dass dem Menschen künftig Computer gleichgestellt werden. "Das automatisierte und vernetzte Fahren ist die größte Mobilitätsrevolution seit der Erfindung des Autos", sagt Dobrindt. "Wir wollen diese Technologie auf die Straße bringen. Dafür treiben wir die Öffnung internationaler Abkommen voran."

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Auch in Brüssel beschäftigt sich die Europäische Kommission mit der Mobilität der Zukunft. Im Laufe dieses Jahres will sie einen sogenannten Masterplan für vernetzte und selbstfahrende Autos vorstellen. So steht es jedenfalls im Entwurf einer Mitteilung der Kommission zur Digitalisierung der Industrie in Europa. Der Masterplan ist Teil der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt.

Die EU-Kommission will sich vor allem mit den juristischen Problemen auseinandersetzen, insbesondere der Frage der Letztverantwortung. Denn genau das ist ein großer Streitpunkt: Wer ist bei einem Unfall für den Schaden verantwortlich? Der Fahrer, das Auto oder das Unternehmen, das die Software für den Computer hergestellt hat?

In den Vereinigten Staaten hat die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA im Februar festgestellt, dass Computer grundsätzlich als Fahrer anerkannt werden können. Zugleich schränkte sie aber ein, dass die aktuelle Gesetzeslage an vielen Stellen eindeutig Menschen am Steuer und entsprechende Kontrollmechanismen voraussetze. In einem Schreiben an den Konzern Google teilte die US-Behörde mit: "Wenn kein menschlicher Insasse das Fahrzeug fahren kann, ist es sinnvoller, als Fahrer anzuerkennen, was auch immer es fährt."

In Europa gibt es dazu bislang keine einheitliche Regelung. Die EU-Kommission will, auch um die Folgen des Einsatzes selbstfahrender Autos prüfen zu können, "Tests im großen Stil und in realer Umgebung" erlauben. Zwei Mal im Jahr soll sich eine hochrangige Runde aus Abgesandten der EU-Staaten, der Industrie und den Sozialpartnern treffen - und wenn nötig in Arbeitsgruppen bestimmte Themen vertiefen. Dazu zählen nicht nur die vernetzten Autos, sondern alle Bereiche, die, wie es so schön heißt, smarter werden sollen. Also zum Beispiel smarte Städte, die eine möglichst smarte Verkehrsinfrastruktur brauchen. Bislang sind das vor allem noch recht smarte Worte - dieses Jahr sollen sie mit Leben gefüllt werden.

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Bundesregierung will über E-Auto-Förderung entscheiden

Auch bei den Antrieben der Autos soll sich einiges ändern. In Kürze werde die Bundesregierung über das umstrittene Förderprogramm zur Elektromobilität entscheiden, kündigte Dobrindt an. Den Einsatz von Autos mit Wasserstoffantrieb will sein Ministerium mit mehr als 500 Millionen Euro fördern. Dass die Verkehrswende längst kein europäischer Plan mehr ist, machte dort Chinas Wissenschaftsminister Wan Gang klar. In bemerkenswerter Offenheit sprach der über die Luft- und Verkehrsprobleme seines Landes. Mehr als 130 Millionen zugelassene Autos, schluckten Hunderte Millionen Tonnen Öl. Das sei nicht nur ökonomisch ein Problem. "Unsere Gesellschaft droht daran zu ersticken."

© SZ vom 13.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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