Briefkästen sind gerade kein gutes Thema für David Cameron. Zahlreiche Briefkastenfirmen, die durch die Panama Papers ans Licht kamen, sind auf den Britischen Jungferninseln angesiedelt - Kritiker bemängeln, dass Cameron als Regierungschef nicht hart genug gegen diese Firmen vorgeht. Und jetzt hat er auch noch dafür gesorgt, dass der Briefkasten der Konservativen Partei in London und sein eigener in Downing Street Nummer 10 überquellen von Tausenden dicken Umschlägen, viele beschmiert mit EU-kritischen Parolen. Denn die 16-seitige Broschüre zum EU-Referendum am 23. Juni, die die britische Regierung gerade an alle Haushalte versendet und in der sie für einen Verbleib in der Union wirbt, schicken zahllose Briten postwendend zurück - Porto zahlt Empfänger.
In der vergangenen Woche hatte die konservative Regierung begonnen, die Broschüre an die mehr als 27 Millionen Haushalte zu verschicken. Mit dem Beginn des Versands setzte auch sofort die Kritik an der Aktion ein: wegen der Kosten - und wegen des Inhalts.
Neun Millionen Pfund - aus Steuergeldern
Kritiker bemängeln, dass die Kampagne neun Millionen Pfund, umgerechnet elf Millionen Euro, kostet. Londons Bürgermeister Boris Johnson, der sich dem Lager der Austrittsbefürworter angeschlossen hat, sagte der BBC: "Es ist verrückt, so viel an Steuergeldern für eine Broschüre zu verwenden, die Leute verängstigen und in eine Richtung treiben soll." Mehr als 200 000 Menschen haben bereits eine Petition gegen diese Verwendung von Steuergeldern unterschrieben.
Downing Street rechtfertigte den Schritt mit dem Ergebnis einer Umfrage, wonach sich 85 Prozent der Befragten mehr Informationen für ihre Entscheidung beim EU-Referendum am 23. Juni wünschen. Allerdings beginnt die Kampagne offiziell erst an diesem Freitag. Dann dürfen beide Lager für ihre Kampagnen für beziehungsweise gegen einen EU-Austritt eine Broschüre auf Staatskosten drucken und versenden.
Vorwurf der Neutralitätsverletzung
Außerdem kritisieren zahlreiche Briten, dass die Regierung mit der die Vorteile einer EU-Mitgliedschaft herausstellenden Broschüre ihre Neutralität verletze. Premierminister Cameron verteidigte sich jedoch: "Wir sind in dieser Sache nicht neutral. Wir denken, es wäre eine schlechte Entscheidung auszutreten."
Der konservative ehemalige Verteidigungsminister Liam Fox nannte die Broschüre "dodgy", was sich mit "windig" übersetzen lässt, und sagte: "Es ist schlimm genug, dass wir Junkmail bekommen, aber das wir jetzt von unseren Steuern bezahlte Junckermail bekommen, bringt das Fass zum Überlaufen."