Streit um Zuchtstätte:Polnische Regierung löst Skandal um Pferdezucht aus

Streit um Zuchtstätte: Bisher galten Tiere aus der staatlichen Pferdezucht Janów Podlaski als "Stolz Polens".

Bisher galten Tiere aus der staatlichen Pferdezucht Janów Podlaski als "Stolz Polens".

(Foto: Janek Skarzynski/AFP)

In dem weltweit renommierten Gestüt sterben zwei wertvolle Araber-Stuten, nachdem die Regierung das erfahrene Personal durch Gefolgsleute der Partei ersetzt hat.

Von Florian Hassel, Warschau

Die Bilanz der letzten Versteigerung war ein Triumph für Marek Trela, Direktor der staatlichen Pferdezucht Janów Podlaski. Seine Gäste, reiche Pferdenarren aus aller Welt, hatten bei der Auktion "Der Stolz Polens" für 24 Pferde aus seiner Zucht mehr als vier Millionen Euro auf den Tisch gelegt. Allein die zehn Jahre alte Stute Pepita, ein Rassepferd mit mehr als 200 Jahre zurückreichendem Stammbaum, war einem Multimillionär aus der Schweiz 1,4 Millionen Euro wert.

Gut acht Monate ist das jetzt her, inzwischen ist die Versteigerung für Trela nur noch eine schöne Erinnerung. Denn Polens neue Regierung warf Trela und andere Züchter hinaus - und löste damit nicht nur in Polen einen Skandal aus, sondern auch in der kleinen, aber einflussreichen Schar weltweiter Freunde edler Pferde. Saudische Scheichs sind ebenso erzürnt wie englische Lords, und Shirley Watts, die Ehefrau des Rolling-Stones-Schlagzeugers Charlie Watts, will die polnische Regierung verklagen.

Es geht hier nicht einfach nur um eine Pferdezucht; diese Bezeichnung ist, jedenfalls für Pferdefreunde, ohnehin viel zu profan und völlig unzureichend für Janów Podlaski. Es geht hier um ein polnisches Nationalheiligtum, einen der weltweit angesehensten Zuchtställe für reinrassige Araber. Es geht um Prestige, Prominenz und um Geld. Viel Geld.

Edle Araberpferde made in Poland

Man muss die Historie kennen, um zu verstehen, weshalb derart edle Tiere ausgerechnet in Janów Podlaski zu finden sind, einem Nest an der polnisch-weißrussischen Grenze. Im 16. Jahrhundert verlor das Osmanische Reich nicht nur die eine oder andere Schlacht gegen die damals militärisch starken Polen, sondern auch viele kostbare Araberpferde als Kriegsbeute.

Die polnischen Könige und der Adel warfen sich dann geradezu fanatisch auf die Araberzucht. Legendär wurde Graf Waclaw Rzewuski, der vor 200 Jahren eine führende Araberzucht aufbaute - bevor er sich an einem Aufstand gegen die damals in Polen befehlenden Russen beteiligte und alle Pferde beschlagnahmt wurden. Ein anderer Graf, Julius Dzieduszycki, brachte Nachschub aus dem Nahen Osten, doch dann gab es da noch einige größere Hürden für Polens Araber-Züchter: Am Ende des Zweiten Weltkrieges waren nur noch ein paar Dutzend Araber übrig, und in der Stalin-Zeit wurde sogar der Plan gefasst, der Zucht den Garaus zu machen.

Je knapper aber das Geld in der kommunistischen Staatskasse wurde, desto besser florierte das Geschäft der Züchter von Janów Podlaski und zwei anderer Staatszuchten. Sie verkauften Hunderte edle Araber made in Poland an Amerikaner, Saudis oder Engländer, bereits zu kommunistischen Zeiten oft für Hunderttausende Dollar pro Pferd.

Protest gegen Neubesetzung der wichtigsten Stellen in der Pferdezucht

Marek Trela war schon damals mit von der Partie. 38 Jahre arbeitete er in Janów Podlaski, zuerst als Tierarzt; als er die Leitung übernahm, war er erst der zweite Direktor seit Kriegsende. Trela und andere Veteranen der polnischen Araberzucht sind weltweit anerkannte Experten. Pferdezucht und Pferdekauf sind Vertrauenssache, und zu denen, die Trela vertrauten, gehörte auch Charlie Watts' Ehefrau Shirley, in England Züchterin von Araber-Pferden. Seit Jahren kam das Ehepaar Watts jeden Sommer zur "Stolz von Polen"-Versteigerung - seit 2007 ersteigerte Shirley Watts vier Stuten, für insgesamt 910 000 Euro. Sie ließ die Stuten in Janów Podlaski, um dort die Zucht weiter zu stärken.

Streit um Zuchtstätte: Marek Trela wurde von der rechtspopulistischen Partei gefeuert.

Marek Trela wurde von der rechtspopulistischen Partei gefeuert.

(Foto: Janek Skarzynski/AFP)

Dann kam im Oktober 2015 die Wahl in Polen. Die rechtspopulistische Partei Recht und Gerechtigkeit (Pis) gewann und teilte schnell alle einträglichen staatlichen Fleischtöpfe unter ihren Gefolgsleuten auf: Ölgesellschaften, Versicherungen, Banken und so weiter. Mitte Februar waren Janów Podlaski und zwei andere Staatszuchten an der Reihe. Am 19. Februar wurden Marek Trela, Jerzy Białobok vom ebenso renommierten Stall Michałów und Anna Stojanowska, Polens Oberaufseherin über die staatliche Pferdezucht, gefeuert.

Watts will polnische Regierung verklagen

Der Skandal, in Polen seitdem Dauerthema, wurde schlimmer, als sich herausstellte, dass die Nachfolger der angesehenen Spezialisten entgegen ersten offiziellen Behauptungen wenig bis gar keine Erfahrung mit Pferden hatten: etwa Marek Skomorowski, der neue Direktor von Janów Podlaski, ein Betriebswirtschaftler und Gefolgsmann der Partei. Die angesehene "Weltorganisation für Araber-Pferde" mit Sitz in England und die gleichfalls renommierte "Europäische Konferenz von Araber-Pferde-Organisationen" forderten in Protesten von Polens Regierung die Wiedereinsetzung der drei Experten. Dann starben im März und Anfang April zwei Pferde von Shirley Watts.

Streit um Zuchtstätte: Auch Stones-Drummer Charlie Watts und seine Frau Shirley sind erzürnt.

Auch Stones-Drummer Charlie Watts und seine Frau Shirley sind erzürnt.

(Foto: Janek Skarzynski/AFP)

Kurz, bevor Watts' Stute Amra ein Fohlen zur Welt bringen sollte, wurde das Tier aus Janów Podlaski 200 Kilometer in eine Warschauer Tierklinik gefahren, nur drei Tage nach der Geburt wieder zurück, und, als die Stute krank wurde, wieder nach Warschau. Dort starb die Stute an einer Darmverschlingung. Die Pferdeexperten des Landes schlugen die Hände über dem Kopf zusammen: Trächtige Stuten dürften vor und nach einer Geburt nicht beunruhigt werden, schon gar nicht durch mehrfachen Transport über Hunderte Kilometer. Vor ein paar Tagen ließ Watts ihre beiden noch lebenden Pferde abholen - und kündigte im Guardian an, sie werde die polnische Regierung "wegen der Art, wie sie meine Stuten behandelt und mich im Dunkeln gelassen hat", verklagen.

Polens Landwirtschaftsminister wies jede Verantwortung zurück, er will an der Leitung festhalten. Erledigt ist die Sache damit natürlich nicht, im Gegenteil. Die internationalen Verbände wollen Veranstaltungen in Polen bis auf Weiteres boykottieren.

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