Günter Wallraff: "Schwarz auf Weiß":"Afrika für Affen"

Alltags-Rassismus im weltoffenen Köln und Hilfe aus dem Osten: Was ein Schwarzer sich in Deutschland anhören muss, zeigt Günter Wallraff, der sich für seinen Film als Afrikaner verkleidet hat.

H. Leyendecker

Das Bild zeigt ein Rapsfeld, irgendwo in Deutschland. Mitten in all dem Gelb steht ein Schwarzer und schaut in die Kamera. Er nennt sich Kwami Ogonno und kommt aus Somalia - sagt er jedenfalls. In Wirklichkeit heißt der Mann nicht Kwami; es ist Günter Wallraff aus Köln.

Der Wallraff, der sich verkleidet, um die Gesellschaft zu demaskieren; jener Wallraff, der manchmal die lebende Überwachungskamera der Nation ist. Tausende Fotos und etwa ein Dutzend Filme dokumentieren die Einsätze des Rollenspielers in den vergangenen viereinhalb Jahrzehnten, aber selten war das Publikum so dicht dran am Tatort wie diesmal. Mehr als ein Jahr lang war Kümmerer Wallraff als Afrikaner für den Dokumentarfilm "Schwarz auf Weiß - Eine Reise durch Deutschland" mit der Kamera im Knopfloch unterwegs. Es ist kein schöner Heimatfilm geworden.

Die ersten Bilder sind Nachtaufnahmen und lassen gleich das ganze Elend ahnen: "Europa für Weiße und Afrika für Affen" grölt ein Hüne von Gestalt. "Warum so aggressiv jetzt hier?" fragt Kwami. "Afrika für Affen", johlt der Typ wieder.

Ogonno zieht weiter. Wenn es um Fremdenfeindlichkeit im Land der Jägerzäune und Gartenzwerge geht, denkt der Betrachter zunächst vermutlich an die No-go-Areas in der Sächsischen Schweiz und in Vorpommern, in die man als Farbiger besser nicht hingeht, aber doch nicht an das angeblich so weltoffene Köln. In dem 80-Minuten-Film über den alltäglichen Rassismus spielen drei Szenen in der Domstadt, und es sind Sequenzen der Intoleranz und der kölschen Arroganz.

Eine Vermieterin wimmelt den wohnungssuchenden Ogonno ab. "Der war so was von schwarz. Ich war ganz erschrocken", sagt sie später. Als Kwami in einen "Gebrauchshunde-Verein" eintreten will, gibt es plötzlich einen Aufnahmestopp, und die Gebühren schnellen in die Höhe. Nach Kwami kommt eine Frau mit Hund, es gibt keinen Aufnahmestopp mehr und keine Mondpreise.

Voraussehbar war, dass es beim Zusammentreffen mit Fans beim Fußballspiel Dynamo Dresden gegen Energie Cottbus hart zugehen würde. Ohne Polizei wäre Kwami von einem der "Deutschland-den-Deutschen"-Schreihälse womöglich ein Leid zugefügt worden. Aber die jungen Männer sind auch sonst wie Nitroglyzerin, das schon bei kleinsten Erschütterungen hochgehen kann. Für ihre Gewaltbereitschaft braucht es keinen Ausländer.

Szenen in einem Uhrengeschäft, in einem Camperpark und in einer bayerischen Amtsstube verraten viel über die latente, gemeine Fremdenfeindlichkeit in diesem Land. Da hat einer krauses Haar, ein schwarzes Gesicht - das reicht: "Sarotti-Mohr", "die leben alle von unserem Geld", tönt es. Andererseits gibt es auch Bilder von Leuten, die Zivilcourage haben und Haltung zeigen, wenn ein Suffkopf auf Kwami losgeht. Und diese Bilder kommen aus dem Osten.

Wallraff beweist wieder mal sein Talent als Schauspieler. Das Sicheinfühlen in eine andere Identität ist Teil seines Lebens geworden. Er ist der Ausgegrenzte, der denen da drinnen den Spiegel vorhält. Das gelingt auch, weil zur Mannschaft ein zweiter mit verdecktem Objektiv arbeitender Kameramann gehört. Er kommt, wenn Wallraff/Ogonno gegangen ist, und dann wird unter deutschen Dächern Tacheles geredet. Denn er ist zwar auch ein Unbekannter, aber er ist weiß.

Günter Wallraffs Undervocer-Film "Schwarz auf Weiß" kommt am 22. Oktober ins Kino.

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