2. Bundesliga:1860 München - Der Zorn verraucht nicht

MSV Duisburg - TSV 1860 München

Haareraufen hilft da auch nicht mehr: 1860 verliert 1:2 gegen Duisburg und taumelt der dritten Liga entgegen. Derzeit steht das Team auf Platz 17.

(Foto: Roland Weihrauch/dpa)
  • 1860 München ist nach der 1:2-Niederlage gegen den MSV Duisburg sauer auf das Schiedsrichtergespann.
  • Sportdirektor Oliver Kreuzer spricht den Unparteiischen die Kompetenz ab und lässt einen Verdacht anklingen.
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Von Ulrich Hartmann und Philipp Schneider, Duisburg

Das Grollen begann leise und kam näher. Immer lauter wurde es, es schlich den Kabinengang entlang, und als der Grund dafür sichtbar war, stand ein Servierwagen mit zwei Kästen Bier vor der Kabine des MSV Duisburg. Drinnen war die Stimmung blendend. Die Duisburger feierten.

Wer die Situation in der zweiten Liga nicht im Sinne hatte, hätte nie gedacht, dass hier der Tabellenletzte vier Spieltage vor Saisonende jubelt. Duisburg hatte 1860 München mit 2:1 besiegt, ist jetzt punktgleich mit den Löwen und hat auch nur zwei Zähler weniger als die drittletzten Paderborner, die am Freitag 2:0 in Frankfurt gewannen.

Am anderen Ende des Kabinentrakts hatten unterdessen die Münchner den Schiedsrichter Thorben Siewer beschimpft. Erst Mittelfeldmann Romuald Lacazette, dann Sportdirektor Oliver Kreuzer. Ein Duisburger Tor, das wohl wirklich keines war, und ein zweifelhafter Platzverweis für Milos Degenek hatten die Münchner erzürnt.

"Wenn ich nicht hundertprozentig sicher erkenne, dass der Ball die Linie vollständig überschritten hat, dann kann ich auch nicht auf Tor entscheiden", sagte Kreuzer und beklagte, dass der Linienrichter Fabian Maibaum die Fahne gewedelt hatte, als ein Kopfball von Thomas Bröker vom Innenpfosten abgeprallt und für den Bruchteil einer Sekunde wohl nicht mit vollem Umfang hinter Torlinie war, bevor Torwart Stefan Ortega ihn fortboxte. "So funktioniert Profifußball nicht", urteilte Kreuzer, "dass da draußen einer steht und sagt: 'Ich glaube, der war drin, da heb' ich mal die Fahne.'"

Heimat des Linienrichters liegt nicht weit von Duisburg

Am Tag darauf, nach einer Busfahrt in die Münchner Heimat, die sich bis halb fünf Uhr in der Früh hinzog, war sein Zorn noch immer nicht verraucht. Im Gegenteil. Kreuzer hatte zu diesem Zeitpunkt schon beschlossen, gegen die Genese dieser Niederlage Einspruch bei der DFL zu einzulegen. "Wir werden auf jeden Fall einen Schriftsatz an die DFL schicken, um klar zu signalisieren, dass wir das so nicht akzeptieren", sagte er.

Aller Voraussicht nach wird der Verband die Beschwerde zwar ablehnen, unter möglichst höflichem Verweis auf den Primat der Tatsachen-Entscheidung. Aber wer weiß? "Ich finde es befremdlich, dass die DFL einen unerfahrenen Schiedsrichter ansetzt für dieses Abstiegs-Endspiel", sagte Kreuzer am Samstag. "Und dann noch einen Linienrichter auswählt, dessen Heimatort roundabout 60, 70 Kilometer vom Spielort Duisburg entfernt ist." Maibaum kommt aus Hagen. Kreuzer sagte das natürlich nicht, aber zwischen seinen Sätzen klang doch leise die Möglichkeit an, den Hagener könnte eine nicht nur räumliche Nähe zum MSV im Urteilsvermögen getrübt haben

Wie am Vorabend Ortega, der sogar gefordert hatte, dieses Schiedsrichtergespann dürfe nie wieder zum Einsatz kommen, sprach Kreuzer den Unparteiischen in jedem Fall die Kompetenz ab. "Von uns werden professionelle Leistungen erwartet - und das verlange ich auch von den Schiedsrichtern."

Es geht um "Existenzen" - 1860 spielt verkrampft

Mit den professionellen Leistungen sowohl der Münchner als auch der Duisburger war das am Freitagabend aber so eine Sache gewesen. Bevor sich in der letzten halben Stunde die Ereignisse überschlugen, hatten beide Mannschaften jegliches Zweitliga-Niveau vermissen lassen - allerdings darf man den Druck und die Nervosität nicht vergessen, die Fußballerbeine lähmen.

Nach der Paderborner 0:4-Heimniederlage vor einer Woche gegen Union Berlin war den Ostwestfalen jeglicher Erfolgswille noch abgesprochen worden.Am Freitag gewannen sie durch zwei Tore von Moritz Stoppelkamp mit 2:0 beim FSV Frankfurt. "Scheißdreck", nannte Stoppelkamp die Zweifel der Medien am Willen der Mannschaft. Wie beim Duell der Löwen in Duisburg kamen beim Paderborner Spiel in Frankfurt Fußballästheten nicht auf ihre Kosten. "Das war nicht schön anzuschauen", gab Stoppelkamp zu. Aber um Schönheitspreise geht es im Abstiegskampf nicht, sondern "um Existenzen", wie 1860-Trainer Benno Möhlmann sagte.

Torlinientechnologie hätte Schiedsrichter aus Schusslinie gebracht

In München herrscht nach dem zweifelhaften Gegentreffer, der am Saisonende über Klassenerhalt oder Abstieg entscheiden könnte, auch ein bisschen Wehmut darüber, dass die Zweitligisten vor eineinhalb Jahren anders als die Erstligisten gegen die Torlinientechnologie gestimmt hatten. Diese Technologie hätte Schiedsrichter Siewer am Freitag aus der Schusslinie gebracht. So musste er selbst entscheiden - und wie macht man das am besten: im Zweifel für den Torschützen oder doch eher für den Torwart?

"So gibt es jetzt leider keine Torkamera, kein Beweisfoto: Hier schaut' hin, der Ball war nicht drin", klagte Kreuzer. "Aber hinter der Linie war er nicht, nie und nimmer." Der Sportdirektor stellte sich schützend vor die Mannschaft, er könne "jetzt nicht sagen, du bist einen Kilometer zu wenig gelaufen, und du hast nicht richtig gekämpft. Das ist Wischiwaschi! Gestern hat eine Schiedsrichterentscheidung dem Spiel definitiv eine Wendung gegeben!"

Bei allem Gerede über die Schiedsrichterleistung wies Trainer Möhlmann darauf hin, dass auch Sechzig nicht gerade eine Saisonbestleistung auf den Rasen gezaubert hatte. "Ich hätte schon gedacht, dass wir etwas entschlossener um den Erfolg kämpfen, als wir es tatsächlich getan haben", brummte er.

Paderborns Trainer erwartet "kribbelige Wochen"

Der weiteren Spannung waren die Ereignisse dienlich. "Das werden jetzt kribbelige und nervenaufreibende Wochen", sagte Paderborns Trainer René Müller, und dass der von seinem Team besiegte FSV Frankfurt nach nun acht sieglosen Spielen endgültig drin steckt im Überlebenskampf, das merkt man schon an den Parolen des neuen Trainers Falko Götz: "Wir haben es nach wie vor selbst in der Hand", sagte er angesichts zweier als Vorsprung verbliebener Pünktchen. Wie man erfolgreich Abstiegskampf betreibe, ist Götz noch gefragt worden und hat geantwortet: "Nerven bewahren."

Wenn das der Schlüssel ist, und wenn man beobachtet hat, wie entnervt die Münchner die letzte halbe Stunde in Duisburg gespielt haben, dann steht es um die Sechziger nicht mehr allzu gut. Am kommenden Sonntag spielen sie daheim gegen Eintracht Braunschweig. Vom SC Paderborn können sie lernen, dass jedes Spiel wieder bei null losgeht und neue Chancen bietet - aber selbst das ist ja nur so eine Floskel, an der man merkt: Der Abstiegskampf in der zweiten Liga ist mitten drin in der heißen Phase.

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