Agrarministerkonferenz:Wettmelken beenden

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Die Politiker richteten am Wochenende einen letzten Appell an die Milchbauern. Sollte es nicht zur freiwilligen Produktionsbegrenzung kommen, könnte der Staat beziehungsweise die EU eine Änderung erzwingen.

Von Thomas Hahn, Hamburg

Die Agrarministerkonferenz in Mecklenburg-Vorpommern ist auch für Hans Foldenauer anstrengend gewesen. Foldenauer ist zwar kein Minister, er saß nicht am Tisch bei den Sitzungen im Schlosshotel Fleesensee in Göhren-Lebbin. Aber als Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Milchviehbauern (BDM) hatte er dort gut zu tun, schließlich treibt der Verfall der Milchpreise viele Bauern in die Pleite.

In Göhren-Lebbin kämpften die BDM-Vertreter deshalb für ihre Forderung, das zügellose Wettmelken zu beschränken, um den Preisverfall aufzuhalten. "Es waren Tage mit wenig Schlaf", sagt Foldenauer. Umso zufriedener ist er jetzt, da die Minister sich wider Erwarten auf ein Bekenntnis zur Mengenreduzierung verständigt haben, das Freunden des Freihandels nicht gefallen kann. Foldenauer sieht "einen Fortschritt in der deutschen Agrarmarktpolitik".

Der Beschluss der Agrarministerkonferenz ist eine Art letzter Appell an die Milchbauern, Anreize wahrzunehmen und die Produktion ohne staatlichen Druck zu drosseln. Wenn dies in diesem Sommer nicht geschieht, könnte es vorübergehend Pflicht werden für die Landwirte, weniger Milch auf den Markt zu geben. Im etwas sperrigen Deutsch des vorläufigen Ergebnis-Protokolls heißt es: "Sofern mit freiwilligen Maßnahmen zur Mengensteuerung bis zur nächsten Agrarministerkonferenz keine spürbaren Fortschritte erreicht werden", werde die Konferenz Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) bitten, "auf EU-Ebene die faktischen und rechtlichen Möglichkeiten einer zeitlich befristeten entschädigungslosen Mengenbegrenzung und die sich daraus ergebenden Sanktionsmöglichkeiten prüfen zu lassen und dann umzusetzen". Till Backhaus (SPD), Agrarminister Mecklenburg-Vorpommerns, erklärte: "Die Menge muss runter, Angebot und Nachfrage müssen wieder ins Gleichgewicht kommen." Sein Kollege aus Schleswig-Holstein, Robert Habeck von den Grünen, sprach von einem "Durchbruch". Branchenkenner werteten den Beschluss als "Paradigmenwechsel".

"Angebot und Nachfrage müssen wieder ins Gleichgewicht kommen."

Zunächst einmal war er eine Überraschung, denn die Fronten waren verhärtet zwischen grünen und konservativen Agrarpolitikern. Die Grünen wollten die Mengenreduzierung, um ein Jahr nach dem Ende der Milchquote den Milchpreis wieder anzuheben. Die Konservativen argumentierten für einen freien Markt und Exportorientierung. Selbst Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Bundes-Grünen, hatte wenig Hoffnung vor der Konferenz: "Ich erwarte nichts." Bundesminister Schmidt vertrat selbstbewusst die schwarze, industriefreundliche Haltung: "Die Lösung der Milchkrise kann nur im Markt selbst und durch die Beteiligten erfolgen." Und noch auf der Konferenz war lange keine Einigung in Sicht.

Aber am Freitagnachmittag gehörte die grüne Position plötzlich zur Beschlusslage. "Das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage am Milchmarkt besteht fort", heißt es im Protokoll, "nachfrageseitig sind kurzfristig keine Impulse zu erwarten. Es muss jetzt die Rohstoffmenge reduziert werden." Eine Rückkehr zur Quotenregulierung hat die Konferenz ausgeschlossen, und die CDU-Minister aus Sachsen und Sachsen-Anhalt wandten sich in einer Protokoll-Erklärung gegen Hilfen zur Mengenreduzierung. Trotzdem mussten sich die Konservativen belehrt fühlen: Der freie Markt allein schafft es nicht, die Milchbauern zu ernähren - das war die Botschaft, die von den dreitägigen Beratungen übrig blieb.

Hitzig, teilweise auch wütend und Türen knallend muss die Debatte verlaufen sein. Die Grünen weigerten sich, einen Beschluss ohne konkreten Lösungsansatz mitzutragen. Weil aber Einstimmigkeit die Voraussetzung für einen Beschluss ist und kein Beschluss Stillstand bedeutet hätte, lenkten die Gegner der Mengenreduzierung ein. Bayerns Minister Helmut Brunner (CSU) soll dabei eine maßgebliche Rolle gespielt haben.

Und nun? Beim Bauernverband, der für eine freie Export-Landwirtschaft steht, ist man nicht begeistert. "Ich sehe die harten Fakten noch nicht", sagt Peter Lüschow, Milchwirtschaft-Experte des Bauernverbandes in Schleswig-Holstein. Eine verpflichtende Mengenreduzierung wäre für ihn "ein Schritt nach hinten, weil ich Angst hätte, dass sich Deutschland vom Weltmarkt abkoppelt". Und BDM-Mann Foldenauer kann sich "lebhaft vorstellen", dass die Industrie, die vom niedrigen Milchpreis profitiert, gegen die Entscheidung der Agrarministerkonferenz arbeiten wird. Auch für ihn ist der Beschluss von Göhren-Lebbin zunächst nur ein Signal. Immerhin, Foldenauer sagt: "Wenn er weiter verfolgt wird, dann wäre das durchaus ein Pradigmenwechsel."

© SZ vom 18.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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